Suns Mitarbeiterbeurteilung - ein Ausleseverfahren?

18.04.2001
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Sun Microsystems könnte bald Probleme mit einem Teil seiner Belegschaft bekommen, wenn der "Performance Improvement Process" in Kraft tritt. Nach dieser Initiative sind Suns Manager gehalten, ihr Personal auf dessen Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen und eine Rangfolge zu erstellen.

Mit der in der US-Presse etwas beschönigend als Mitarbeiterverbesserungsprogramm („Employee Improvement Program“) bezeichneten Maßnahme sind alle Sun-Führungsverantwortlichen gehalten, jeden Beschäftigten nach seinen Befähigungen einzustufen. Eine Hitliste filtert dabei die zehn Prozent am schlechtesten beurteilten Mitarbeiter aus. Diesen bietet Sun nahe liegende Alternativen an: Entweder sie verbessern ihre Leistungen innerhalb von 90 Tagen in einer dem Unternehmen genehmen Weise, oder sie werden mit einer Abfindung hinauskomplimentiert.

Michael Wagenknecht Quelle: Sun Microsystems
Michael Wagenknecht Quelle: Sun Microsystems

Ein dritter Weg sieht vor, dass sich verwarnte Sun-Mitarbeiter in einer anderen Position im Unternehmen noch einmal beweisen können.

Sun weist jeden Hintergedanken daran zurück, bei dem Performance Improvement Program handele es sich um eine verkappte Entlassungsaktion. Die spezielle Motivationsförderung werde nicht vor Juli 2001 beginnen. Da Suns Geschäftsjahr am 29. Juni endet, ließen sich etwaige positive Auswirkungen auch nicht mehr in der Jahresbilanz verbuchen. Ein Pressesprecher des Unternehmens sagte, mit dieser Aktion wolle man keinesfalls die Belegschaft verringern. Das Programm gelte auch für gute Zeiten. Allerdings gibt es Fragen: Suns Aktienkurs begab sich ab Juli 2000 bei einem Stand von 45 Dollar auf Steigflug und erreichte im September mit knapp 65 Dollar seinen Zenit. Seitdem brach der Kurs regelrecht zusammen und setzte am 9. April 2001 bei 12,85 Dollar auf (letzter Stand: 16,34 Dollar). Im gleichen Zeitraum blähte sich Suns weltweite Belegschaft von rund 36 400 Beschäftigten um fast 16,5 Prozent auf 42 400 Mitarbeiter bis Ende 2000 auf.

Michael Wagenknecht, Personalleiter der Sun Microsystems GmbH in Grasbrunn bei München, versuchte abzuwiegeln. Das Beurteilungssystem in seiner harten Variante gelte ausschließlich für Sun in den USA und nicht für den Rest der Welt, der immerhin rund 50 Prozent des Gesamtgeschäfts ausmache. Ausserdem verberge sich hinter diesem Programm ein Renovierungsprozess, der nicht nur die Mitarbeiter, sondern das ganze Unternehmen betreffe.

„Der Fokus auf die Leistung der Mitarbeiter wird wichtiger, und es wird weniger Toleranz geben, wenn die Leistung nicht stimmt,“ räumte Wagenknecht ein. Allerdings sei in Deutschland das Thema nicht neu, weil es hierzulande jeweils im Juli ein Mitarbeitergespräch mit allen Angestellten gebe. Das Procedere der hierbei vorgenommenen Leistungsbeurteilung sei in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat festgelegt: „Natürlich gibt es da dann eine Stufe, die besagt, dass die Leistung nicht ausreicht und verbessert werden muss.“

Das gesamte Programm sei im Übrigen bereits im vergangenen Juli gestartet worden. Damals habe die Presse kein Aufhebens gemacht. Allerdings sagte Wagenknecht auch, Suns Mitarbeiter seien in den USA erst Anfang 2001 von dem harschen Beurteilungssystem in Kenntnis gesetzt worden. In Deutschland informierte Wagenknecht die Belegschaft noch später: „Vom Timing her ist es sicher unglücklich, dass das jetzt in der Öffentlichkeit verhandelt wird. Und natürlich wird das jetzt von der Presse und von den Mitarbeitern anders aufgenommen.“

Der Personal-Manager bestätigte, dass die Leistungsshow für jeden Mitarbeiter gelte: „Damit fängt im Prinzip Scott McNealy (Suns CEO, Anm.d.Red.) bei seinen Direct Reports an, und das zieht sich durch die ganze Organisation.“ Es könne also im Prinzip jeden treffen. Aber Wagenknecht betonte noch einmal, dass sich etwa in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien nichts ändern werde.

Der Personalchef versicherte, es gebe überhaupt keine Überlegungen bei Sun, wieviele Mitarbeiter über das Beurteilungsverfahren entlassen werden sollen: „Das Programm ist nicht dazu gedacht, Entlassungen zu befördern.“ Richtig sei lediglich, dass natürlich auch Sun in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten die Leistungspotenziale aller Mitarbeiter verbessern müsse. Das sei wichtig, um Kündigungen vorzubeugen. Entlassungen seien für den Vorstandschef McNealy nur „die ultima ratio“ und derzeit nicht in Sicht.

Wenn Sun es allerdings nicht schaffe, durch eine allgemein verbesserte Leistung im Unternehmen das Geschäft zu stabilisieren, und wenn sich ferner die Marktsituation weiter verschlechtere, „dann können Dinge passieren, die ich heute nicht vorhersehen kann“. Gegenwärtig gebe es aber keinen Anlass, sich um Arbeitsplätze zu sorgen.

Wagenknecht bestritt, dass der Performance Improvement Process indirekt ein Eingeständnis von Sun ist, das Unternehmen sei mit seinen heute 44 200 Mitarbeitern zu unbeweglich geworden. Das Schreckgespenst sei die ehemalige Digital Equipment Corp., „eine gute Firma, mit guten Produkten und guten Leuten“, die genau an diesem Punkt angekommen sei. „So weit wollen wir es nicht kommen lassen“.

Suns Vorgehen ist nicht einmalig in der IT-Industrie. Kevin Rollins, Vice Chairman von Dell, erklärte im März gegenüber der COMPUTERWOCHE die Entlassung von 1700 Mitarbeitern mit den Worten, man nehme jedes Jahr eine Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter vor, „und einem Teil derer, die jetzt gehen müssen, hätten wir ohnehin gekündigt, weil ihre Leistungen entsprechend schlecht waren“. Auch Intel und Cisco Systems nötigen Mitarbeiter über Beurteilungssysteme zum Weggang.