Web

Thema des Tages

SunRay: Thin Client, die Zweite...

09.09.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Sun Microsystems hat gestern mit der "SunRay" nach der glücklosen "Javastation" den zweiten Versuch gestartet, den PC überflüssig zu machen.

Die SunRay ist eigentlich nur ein formschönes kleines Kästchen, in dessen Innern ein mit 99 Megahertz getakteter "Ultrasparc IIep"-Prozessor, 8 MB Hauptspeicher und ein Grafikchip stecken, der eine 2D-Darstellung mit 1280 x 1024 Bildpunkten ermöglicht. Zur Anbindung ans Netz gibt es einen 10/100-BaseT-Ethernet-Adapter, für die Peripherie sind vier USB-Anschlüsse (Universal Serial Bus) vorhanden. Daneben existiert noch ein Smart-Card-Leser, über den sich jeder Benutzer mit seinem ganz persönlichen Profil am Netz anmeldet. Im Gegensatz zu anderen Thin Clients (Network Computer, Net-PCs, X-Terminals, Javastation) verfügt die SunRay über kein eigenes Betriebssystem. Clientseitig finden lediglich die Grafikausgabe und die Interaktion mit dem Benutzer statt (über Maus und Tastatur) - ein richtig "dummes Terminal" also.

Ohne den Server kann die SunRay demnach nicht existieren. Die zugehörigen Komponenten heißen "HotDesk" und "SunRay Server" und sind vorerst nur für Sparc-Server unter Solaris 2.6 oder Solaris 7 verfügbar. Sie können neben dem hauseigenen Betriebssystem auch Anwendungen einbinden, die auf anderen Plattformen (NT, Unix inklusive Linux, Mainframe) gehostet werden. Als Übertragungsprotokolle stehen dazu Citrix´ "ICA" (Independent Computing Architecture) und "Metaframe", Microsofts "TSE", X11 X-Windows sowie 3270 oder 5250 zur Verfügung.

Die SunRay besteht im Prinzip nur aus Commodity-Komponenten und kostet deshalb auch nur 499 Dollar (ohne Bildschirm). Sun bietet interessierten Kunden zudem eine Leasing-Option: Wer fünf Jahre lang zehn Dollar monatlich berappt, kann das Gerät am Schluß für einen Dollar vollständig erwerben. Duane Northcutt, SunRay-Projektleiter, ist sich übrigens sicher, daß die Geräte auch in zehn Jahren noch ihren Dienst tun: "Genauso wie ein 40 Jahre altes Wählscheibentelefon heute noch funktioniert, werden auch diese Dinger in zehn Jahren noch arbeiten."

Wer 30 Dollar im Monat zahlt, bekommt den passenden Server samt Software, Star Office, Installation, Service sowie Support gleich mit dazu. Hier will Sun sein Geld verdienen. "Service- und Support-Verträge sind es, mit den wir unser Geld machen", erklärte President und COO (Chief Operating Officer) Ed Zander.

Die Fachwelt hat Suns zweiten Thin-Client ebenso positiv aufgenommen wie die Wallstreet, wo der Kurs der McNealy-Company gestern auf den historischen Höchstwert von über 87 Dollar kletterte und Sun eine Marktkapitalisierung von 68 Milliarden Dollar bescherte. "Wir glauben, daß die Initiative durchaus Chancen auf Erfolg hat", erklärte etwa Steve Milunovich, Analyst bei Merill Lynch. Kollege Andy Bochman von der Aberdeen Group pflichtet bei: "Das Potential zur Ablösung von PCs ist enorm". Auch Rob Enderle von der Giga Group hält die SunRay für gelungen: "Sun hat diesmal ein überzeugendes Angebot für bestimmte Einsatzzwecke hinbekommen. Sie werden vor allem diejenigen überzeugen, die nicht länger eine ´Microsoft-Steuer´ zahlen wollen."

Die Weiterentwicklung des neuen Thin-Client-Modells ist bereits geplant. Eine künftige "SunRay 2" soll mit dem neuen Java-Chip "MAJC" (sprich Magic; Microprocessor Architecture for Java) und leistungsfähigerer 3D-Grafik ausgerüstet sein und damit auch leistungshungrigere Anwendungen und die dazugehörigen Märkte erschließen. Die SunRay 2 soll zudem Peripherie wie Drucker oder Zip-Laufwerke unterstützen, die sich via Jini (Java Intelligent Network Infrastructure) im Netz anmelden. Serverseitig soll die nächste Generation mit Netzwerk- und Client-Management via Web ausgestattet sein. Dazu will Sun die "SunRay"- und "HotDesk"-Server-Software laut "Computerwire" effektiv in eine Art von Cache-Speicher verwandeln, der dann auf einem (noch zu entwickelnden) "Thin-Server"-Gerät ähnlich dem bereits heute für Internet-Service-Provider verfügbaren "Flapjack"-Modell "Netra t" residieren

kann.

Die Marktforscher von IDC haben gestern bestätigt, daß der Thin-Client-Markt sowohl nach Umsatz als auch nach Stückzahlen wächst. Laut Erhebung der Auguren wurden im ersten Halbjahr 1999 insgesamt 305 000 Thin Clients verkauft, 83 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (gar nichts allerdings im Vergleich zu den parallel 50,1 Millionen verkauften PCs). Gleichzeitig stiegen die Umsätze übers Jahr von 155 auf 192 Millionen Dollar. Derzeit dominiert eine Troika aus Wyse, IBM und NCD/Tektronix den Markt. Die drei Hersteller kommen zusammen auf 78 Prozent der weltweiten Stückzahlen und 79 Prozent der Einnahmen.