Sun und IBM rivalisieren um Tool-Standard

26.04.2002
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Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die beiden großen Hersteller des Java-Lagers versuchen, mit rivalisierenden Open-Source-Frameworks einen Standard bei integrierten Entwicklungsumgebungen für Java zu setzen. Bemühungen, die beiden Initiativen zusammenzuführen, scheiterten bisher. Unbeeindruckt davon kündigten kleinere Anbieter auf der Java One eine Reihe von Java-Werkzeugen an.

Sun Microsystems und IBM riefen jeweils eigene Open-Source-Projekte ins Leben, die beide auf Code von hauseigenen Java-Tools beruhten. Sun öffnete bereits 1999 die Quellen der integrierten Entwicklungsumgebung (IDE) "Netbeans", die die Unix-Company von der gleichnamigen tschechischen Firma übernommen hatte. Erst Ende letzten Jahres zog die IBM mit der Freigabe des "Websphere Studio Workbench" nach.

Beide Werkzeuge verfolgen den Ansatz, allgemeine Funktionen einer IDE über ein Framework anzubieten. Dazu zählen etwa die Projektverwaltung, Systeme zur Versionskontrolle oder Schnittstellen für Debugger. Drittanbieter können dann mit Hilfe von Plugins neue Features hinzufügen. Auf diese Weise lassen sich etwa Editoren für bestimmte Programmiersprachen oder Modellier-Tools in die IDE einhängen. Dieses Verfahren bewerben Hersteller damit, dass die Werkzeuge besser aufeinander abgestimmt werden können. Sie folgen somit nicht nur in der Bedienung einem einheitlichen Konzept, sondern können auch miteinander kommunizieren. So bringt etwa das "Extended Development Environment" (XDE) von Rational, ein Designwerkzeug für Eclipse und Microsofts "Visual Studio .NET", Modell und Code enger zusammen. Zwischen beiden findet ein dynamischer Abgleich statt, so dass Änderungen in den Programmquellen sofort in den

UML-Diagrammen sichtbar werden - und umgekehrt.

Die mit einem solchen Framework einhergehende Konsolidierung im Tools-Markt obliegt typischerweise großen Herstellern. Während Microsoft auf seiner eigenen Plattform die Verhältnisse diesbezüglich klargestellt hat, ringen die zwei wichtigsten Java-Companys noch um eine Einigung. Zwar weisen Vertreter beider Firmen darauf hin, dass sich rund um Java ein Markt etabliert habe, der Anwendern reichhaltige Auswahl bietet. Dennoch scheint Sun und IBM angesichts der Konkurrenz aus Redmond eine Zersplitterung des Marktes für Java-Tools nicht wünschenswert.

Sun schlug deshalb der IBM vor, beide Open-Source-Projekte zusammenzuführen. Laut Simon Phipps, Chief Technology Evangelist bei Sun, lehnte Big Blue dieses Ansinnen bisher ab. Offenbar fühlt sich Sun angesichts der zahlreichen Unterstützungserklärungen von Drittanbietern für Eclipse in der schwächeren Position. So lässt sich wohl das Vorhaben des Netbeans-Teams erklären, zukünftig das Plugin-API von Eclipse zusätzlich zu unterstützen. Auf diese Weise könnten Module für das IBM-Framework auch in Suns IDE genutzt werden.