Sun setzt alles auf Open Source

06.12.2005
Sun Microsystems schnürt mit dem "Solaris Enterprise System" ein neues quelloffenes Softwarebündel und hofft damit, gegen die Plattformen von IBM und Microsoft Boden gutmachen zu können.
Den Einbruch der Produktumsätze konnte der Server-Spezialist mit Serviceeinnahmen bei weitem nicht kompensieren.
Den Einbruch der Produktumsätze konnte der Server-Spezialist mit Serviceeinnahmen bei weitem nicht kompensieren.

Allein die Masse machts im Markt", beschreibt Sun-President Jonathan Schwartz die Hintergründe der jüngsten Open-Source-Initiative. Da künftig der überwiegende Teil des Software-Stacks frei verfügbar sei, würden mehr Kunden und Partner auf die Sun-Plattform bauen beziehungsweise Lösungen dafür entwickeln, so der Plan: "Kostenfreiheit ist das beste Argument für ein Produkt." In erster Linie gehe es Schwartz zufolge darum, die eigene Plattform im Markt zu verbreiten. "Im nächsten Schritt werden wir Services entwickeln, um Kapital daraus zu schlagen."

Hier lesen Sie …

• welche Hoffnungen Sun in die jüngste Open-Source- Initiative setzt;

• wie Sun damit seine Umsätze wieder ankurbeln möchte;

• warum Sun im Softwaregeschäft bislang kaum punkten konnte.

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www.computerwoche.de/go/

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567924: JES für Windows und HP-UX;

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557423: Sun veröffentlicht Solaris-Code.

Software-Deals

Wie IBM hat auch Sun in den vergangenen Jahren seine Softwaresparte mit zahlreichen Übernahmen verstärkt:

• August 2005: Seebeyond (387 Millionen Dollar), Integrationssoftware;

• August 2005: Storagetek (4,1 Milliarden Dollar), Storage-Systeme;

• Juni 2005: Procom (52 Millionen Dollar), Speicher-Management;

• Mai 2005: Tarantella (25 Millionen Dollar), Thin-Client-Software;

• Januar 2005: Seven Space (48 Millionen Dollar), System-Management;

• Januar 2004: Nauticus (Preis unbekannt), Switches/ Virtualisierung;

• Dezember 2003: Waveset (136 Millionen Dollar), Identity-Management;

• August 2003: Centerrun (65 Millionen Dollar), System-Management.

Der jüngste Rundumschlag mit dem Solaris Enterprise System umfasst beinahe das gesamte Softwareportfolio des kalifornischen Server-Spezialisten. Dazu gehören das Betriebssystem "Solaris 10", die Datenbank "PostgreSQL", das "Java Enterprise System" (JES) inklusive Identity-Management und der mit dem Kauf von Seebeyond übernommenen Integrationssoftware, die System-Management-Lösungen der "N1"-Reihe mit Provisioning- und Grid-Funktionen sowie Entwicklungs-Tools wie "Sun Studio 11" und "Sun Java Studio Creator". Ferner stellt der Server-Spezialist künftig seine Thin-Client-Software für die "Sunray"-Systeme und den "Secure Global Desktop Service" zur freien Verfügung.

Java SE bleibt geschlossen

"Große Teile sind bereits online verfügbar", erläuterte Suns Softwarechef John Loiacono. Auch der Rest soll möglichst zügig freigegeben werden. Loiacono geht davon aus, dass dies bis zum Ende des ersten Quartals kommenden Jahres geschehen sein wird. Darüber hinaus könnten Sun-Kunden auf weitere freie Software aus dem Hause Sun hoffen. Denkbar sei beispielsweise, dass die mit der Übernahme von Storagetek erworbenen Speicher-Management-Lösungen ebenfalls Open Source gestellt werden. Ihre Java-Kernkomponenten wollen die Sun-Verantwortlichen dagegen intern kontrollieren. So ist in Sachen "Java Standard Edition" (SE) inklusive der Virtual Machine (VM) noch keine Rede von Open Source.

CDDL als Lizenz der Wahl?

Sun hat seine Software zunächst zur kostenlosen Benutzung freigegeben, stellt Gerhard Schlabschi, Leiter Produkt-Marketing der Sun Deutschland GmbH, klar. Erst mittelfristig sollen die Produkte unter eine Open-Source-Lizenz gestellt werden. Die Entwicklung sei mit der von Open Solaris vergleichbar. Sun habe das Betriebssystem Anfang 2006 freigegeben. Der Code wurde jedoch erst im Laufe des Jahres Stück für Stück unter eine Open-Source-Lizenz gestellt.

Welche Lizenzform das sein wird, steht noch nicht endgültig fest. Schlabschi rechnet damit, dass die eigene Open-Source-Ausprägung "Common Development and Distribution License" (CDDL) zum Zuge kommen wird. Ob Sun damit in der Open-Source-Community punkten kann, ist fraglich. Experten haben in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, Suns CDDL vertrage sich nicht mit der General Public License (GPL). Wenn jede Firma ihre eigene Open-Source-Version verfolge, bestehe die Gefahr, dass inkompatible Softwaregruppen entstünden.

Über die CDDL könnten Entwickler mit ihren Produkten Geld verdienen, verteidigt Schlabschi das Sun-Modell. Während Entwicklungen, die größtenteils auf GPL-geschützter Software basieren, wieder unter GPL freigegeben werden müssten, könnten Entwickler CDDL-Bestandteile in ihre Software integrieren, seien aber nicht gezwungen, das Endprodukt ebenfalls unter die CDDL zu stellen.

Suns Open-Source-Pläne haben sich bereits in den vergangenen Monaten abgezeichnet. Nach der Öffnung von Solaris gaben die Kalifornier zuletzt ihren Application Server für Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern frei. Mit Simon Phipps als Chief Open Source Officer wurde im August ein Verantwortlicher für alle Open-Source-Angelegenheiten eingesetzt. Rund 3,4 Millionen Mal sei Open Solaris seit Februar dieses Jahres aus dem Netz heruntergeladen worden, machen sich die Sun-Verantwortlichen Mut. Vom JES habe man bereits rund eine Million Lizenzen verkauft.

Support kostet Geld

Unter dem Strich haben sich die Bemühungen für den Server-Spezialisten bislang jedoch kaum ausgezahlt. Zirka 100 Millionen Dollar hat Sun Schwartz zufolge im vergangenen Geschäftsjahr 2005 mit JES verdient. Das ist weniger als ein Prozent vom Gesamtumsatz, der sich auf knapp 11,1 Milliarden Dollar belief. Zusätzliche Einnahmen will der Server-Anbieter künftig mit Support und Services einfahren. Demnach könnten Anwender JES zwar uneingeschränkt testen und auch produktiv einsetzen. Wer jedoch Support in Form von Patches und Updates haben möchte, muss dafür zahlen - 140 Dollar pro Mitarbeiter und Jahr für das Gesamtpaket beziehungsweise 50 Dollar pro Mitarbeiter und Jahr für einzelne Suites wie beispielsweise Hochverfügbarkeit, Communication, Identity oder Business Integration. Das entspricht auf den Dollar genau den bisherigen Lizenzkosten.

Kein großer Serviceapparat

Auch für die übrige Sun-Software werde es eine Reihe von Services geben, kündigte Schlabschi an, ohne jedoch weitere Details zu Umfang und Kosten nennen zu können: "Wir werden unsere Angebote konsequent auf Services umstellen." Kunden könnten diese Dienstleistungen entweder direkt über Sun oder über Partner in Anspruch nehmen. Allerdings: "Wir bleiben ein Technologieunternehmen." Es sei ausgeschlossen, dass Sun einen gewaltigen Serviceapparat à la IBM aufbaue. Man werde sich auch künftig auf Kernservices, Dienstleistungen für direkt adressierte Großkunden sowie Services für Partner beschränken. "Das war bisher unser Modell, und das wird sich auch nicht ändern."

Damit stellt sich für die Analysten von Ovum jedoch die Frage, wie sich die Strategie für Sun auszahlen soll. Die Open-Source-Initiative sei zwar ein mutiger Schritt und passe auch in den Trend, wie sich der Markt generell entwickle. Sun sei jedoch schon in der Vergangenheit den Beweis schuldig geblieben, wie mit Software Geld zu verdienen sei.

Viele Projekte versandeten

Die Liste der Fehlschläge ist lang. Initiativen wie Jiro oder Jxta mit dem Ziel, auf Java basierende Plattformen für Speicherumgebungen beziehungsweise mobile Endgeräte zu etablieren, versandeten oder gingen in neuen Vorhaben auf. Das vor rund zwei Jahren mit viel Marketing-Getöse freigegebene Java Desktop System (JDS), mit dem Sun dem einstigen Erzrivalen Microsoft auf Arbeitsplatzrechnern Paroli bieten wollte, wurde im Sommer dieses Jahres eingestampft. Außerdem ist es Sun nie gelungen, Kapital aus seiner Java-Technik zu schlagen. Den Umsatz machten andere Anbieter wie IBM. Mittlerweile übersteigen die jährlichen Einnahmen Big Blues mit Software, die zum größten Teil auf Java beruhen, den gesamten Jahresumsatz von Sun Microsystems deutlich.

In einer Welt, in der Unternehmen immer weniger bereit seien, für Technik Geld auszugeben, müsse sich Sun erst noch beweisen, warnen die Marktforscher von Ovum. Sun kommt jedoch relativ spät in die Gänge. Zwar bemüht sich der Server-Spezialist beispielsweise mit dem "Sun Partner Advantage Program" (Spap), das Ökosystem rund um die eigene Plattform in Schwung zu bringen. Konkurrenten wie Microsoft und IBM pflegen jedoch schon seit Jahren intensiv ihre Partner-Community. Zudem achten Entwicklungspartner auf die Masse, die ein Plattformanbieter im Markt auf die Waage bringt.

Dennoch werde Sun mit seinem "radikalen Schritt" einiges im Markt bewegen, ist sich Shawn Willett, Analyst von Current Analysis, sicher. Seiner Einschätzung zufolge habe Sun durchaus Chancen, mit Services und zusätzlichen Hardwareverkäufen zu reüssieren. Der größte Effekt zeichne sich jedoch im Markt für Integrations- und Portallösungen ab. Hier gebe es bislang keine wirklich relevanten Open-Source-Produkte.