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Sun proklamiert den "Net Effect"

28.09.2000
Ultrasparc III: Highend-Kunden müssen sich noch gedulden

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit Anbeginn hat sich Sun Microsystems den Slogan "Das Netz ist der Computer" auf die Fahnen geschrieben - mit wechselndem Erfolg, man denke nur an die glücklosen Thin-Client-Versuche mit der "Javastation". Für seine künftige strategische Ausrichtung hat die McNealy-Company ein neues geflügeltes Wort gefunden: Hardware-, Software und Service-Angebote richten sich in den nächsten Jahren nach dem "Net Effect", den Auswirkungen der globalen Vernetzung also.

Was Sun damit meint, ist ungefähr so klar wie die "Visionen" der Konkurrenz, die ebenso für sich den Anspruch erhebt, die allein seligmachenden IT-Strategien der Zukunft ersonnen zu haben. Suns Ideen sind zumindest in weiten Bereichen nachvollziehbar. Chefentwickler Greg Papadopolous kritzelte beim New Yorker Net-Effect-Launch gleich etliche Whiteboards voll, um seine Vorstellungen zu verdeutlichen.

Die wichtigste Veränderung der IT-Landschaft ist seiner Ansicht nach der Paradigmenwechsel bei der Anwendungsentwicklung: Während früher ein Softwareanbieter versuchte, in C oder C++ eine einzelne Applikation für eine Fensterumgebung (sei es nun Windows, Mac-OS oder Unix) zu schreiben und dann an Millionen Kunden zu verkaufen, gehe es heute um mehrschichtige [multi-tier] Anwendungen, die auf Datenbank-, Application- und Web-Server residieren und Anwendern als Service zur Verfügung gestellt werden. Eine günstige Gelegenheit, gleich noch die Werbetrommel für Java zu rühren: Speziell seit der Verfügbarkeit von Java2 Enterprise Edition (J2EE) sei die hauseigene Programmierumgebung für Entwickler ob ihrer Netzfähigkeiten das Tool der Wahl - ganz anders als C oder C++, die auf viel niedrigerer Ebene an Prozessor und Betriebssystem gebunden seien.

Auch President und COO (Chief Operating Officer) Ed Zander prophezeite das Verschwinden monolithischer Anwendungen. An deren Stelle trete nun eine Vielzahl von Programmen und Services, die mittels Extensible Markup Language, Java und anderer Middleware - beispielsweise von iPlanet, Suns Joint Venture mit AOL - verknüpft würden. Alles Punkte, denen sicher kein Konkurrent widersprechen würde und mit denen sich die gesamte Branche herumschlagen muss.

Mit seinen neuen Produkten (siehe unten) ist Sun sicher auf dem richtigen Weg. Ein Problem allerdings lässt sich gegenwärtig nicht wegleugnen: Der Hersteller muss endlich die Art von Unternehmens-Server in den Markt bringen, die die riesigen Datenbanken und Anwendungen der New Economy aufnehmen kann. Schließlich hat die McNealy-Company (genau wie ihre Wettbewerber) mit ihren Versprechen und Visionen die so genannte Neue Wirtschaft - und nicht zu vergessen die eigenen Einnahmen - ordentlich aufgebläht.

Der 128-Wege-Koloss "Starcat", designierter Nachfolger der bisherigen, mit nur 64 CPUs bestückten "Ultra Enterprise 10 000", wird erst "in sechs bis neun Monaten", also irgendwann zwischen April und Juni 2001 auf den Markt kommen. Viele Dotcom-Kunden, denen der Ansturm des Weihnachtsgeschäft ins virtuelle Haus steht, fühlen sich im Stich gelassen. Erste Workgroup- ("Daktari") und Midrange-Server ("Serengeti") mit Ultrasparc III sollen allerdings schon vorher debütieren.

Last, but not least die Produktneuigkeiten:

Der "Ultrasparc III" ist ab sofort verfügbar. Der 64-Bit-RISC-Prozessor hat 29 Millionen Transistoren, 64 KB Daten- und 32 KB Befehls-Cache auf Level1 sowie 8 MB L2-Cache und kann den Systembus mit 2,4 GB/s, den Hauptspeicher mit 4,8 GB/s und den L2-Cache mit 8 GB/s ansprechen. Er wird von Texas Instruments anfänglich mit 600 und 750 Megahertz gefertigt, im Dezember folgt eine 900 Megahertz schnelle Ausführung mit Kupferleiterbahnen. Der Chip ist voll abwärtskompatibel zum Vorgänger "Ultrasparc II", benötigt aber das neueste Sun-Betriebssystem Solaris 8.

Erstes Ultrasparc-III-Produkt im Workstation-Bereich ist die "Sun Blade 1000" (Codename "Excalibur"), die in vier Ausführungen erhältlich ist. Das Lowend-Modell mit 600-Megahertz-CPU hat keinen Listenpreis und wird ausschließlich via Ebay-Auktion angeboten. Für knapp 10 000 Dollar gibt es eine Uniprozessor-Ausführung mit 750 Megahertz, das analoge Zwei-Wege-System schlägt mit knapp 20 000 Dollar zu Buche. Genauso viel wird die ab Dezember erhältliche Ein-Wege-Maschine mit 900 Megahertz kosten.

Kippt man die Workstation auf die Seite und packt sie in ein Rack-Gehäuse, so erhält man im Wesentlichen den ersten Ultrasparc-III-Server "Sun Fire 280" (Bauhöhe 4U). Die Maschine lässt sich derzeit mit maximal 2 CPUs bestücken (Platz wäre für 16) und kann bis zu 8 GB Haupt- und 72 GB (Fibre-Channel-)Plattenspeicher verwalten. Eine 900-Megahertz-Ausführung ist offiziell noch nicht vorgesehen. Anfänglich gibt es die Sun Fire nur in Kombination mit dem 327 GB fassenden "Storedge-T3"-Array für zusammen knapp 90 000 Dollar. Ab "Ende des Jahres" wird es die Maschine zum Einstiegspreis von rund 10 000 Dollar dann auch einzeln geben.

Das hauseigenen Unix Solaris hat mittlerweile Versionsstand 8 erreicht. Gegenüber dem Vorgänger wurden vor allem Verfügbarkeit und Administration verbessert. Zu den neuen Features gehören IP Network Multipathing (Anschluss eines Systems über mehrere Netzwerkkarten), feste IP-Adressen für mobile Geräte, WBEM-Management sowie im Desktop-Bereich die Unterstützung für Firewire-Peripherie und Treiber für Wechselmedien (Zip, Jaz), CD-Brenner und DVD-Laufwerke.

Vor allem im Bereich Technical Computing sollen Anwender von Suns "Grid Engine" profitieren. Diese wird künftig mit jedem neuen Sun-System ausgeliefert und steht außerdem unter Open-Source-Lizenz für jedermann zum Download bereit. Das mit der Übernahme von Gridware an Sun übergegangene Produkt erlaubt es mit seiner Distributed-Computing-Technik, ungenutzte Rechenkapazität (beispielsweise einer Server-Farm) über ein Netzwerk zuzuschalten.