Produktlinien sollen verschmelzen

Sun-Netscape-Allianz schnürt E-Commerce-Pakete

09.04.1999
MÜNCHEN (CW) - Netscape-Eigentümer AOL und Sun präsentierten nach viermonatiger Sendepause nun Details der Software-Allianz mit Sun Microsystems.

Demnach wird ein Team aus 1000 Netscape- sowie 1000 Sun-Mitarbeitern gemeinsam E-Commerce-Komplettpakete entwickeln und vermarkten. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Joint-venture, sondern um eine Partnerschaft, die zunächst für drei Jahre vereinbart ist.

Softwarepakete für den elektronischen Handel stehen nach Überzeugung der beteiligten Firmen vor einem ähnlichen Siegeszug wie in der Vergangenheit die Enterprise-Resource-Planning-Produkte. Eine zentrale Rolle sollen dabei Netscapes bisherige Angebote für Online-Einkauf, -Verkauf sowie -Rechnungsstellung spielen. Ferner gehören Applikations-, Mail-, Verzeichnis- sowie Zertifikats-Server zur gemeinsamen Produktstrategie.

Viele Branchenbeobachter waren gespannt, wie Sun und Net- scape mit ihren Produktangeboten bei Messaging- und Applikations-Server-Software verfahren werden. Beide Anbieter wollen zunächst noch ein Release unter eigenem Namen auf dem Markt bringen. Danach werden die Mail- und Applikations-Server zu einem Produkt verschmolzen. Wie Kunden, die bereits Anwendungen auf einer der beiden Plattformen entwickelt haben, später auf das Gemeinschaftsprodukt migrieren können, ließen beide Firmen offen.

Erst nächstes Jahr dürfte die 500 Personen starke Vertriebsmannschaft zusammengestellt sein. Wie Mark Tolliver, President und General Manager der Software-Allianz, sagte, wird es nur eine Verkaufsabteilung für alle unterstützten Plattformen geben. Größter Kunde wird AOL selbst sein. Der Online-Dienste-Anbieter will seine Netzinfrastruktur mit hochskalierbaren Server-Systemen ausbauen.

Für Klaus Blaschke, Deutschland-Geschäftsführer von Net- scape, liegen die Marktpotentiale der Sun-Netscape-Allianz neben dem umfassenden Angebot in der Skalierbarkeit der Systeme. Vor allem letzteres sei ein entscheidender Faktor bei heutigen Installationen. Beispielsweise müßten E-Mail-Server bei Internet-Service-Providern Millionen Benutzer gleichzeitig bewältigen.

Zukünftig erhält das Web-Portal Netcenter eine zusätzliche Rolle im Geschäftskundenbereich. Über "Custom Netcenter" bekommen Unternehmen die Möglichkeit, individuelle Business-to-Business-Portale einzurichten, um darüber mit Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten Online-Transaktionen abzuwickeln.

Analysten sind geteilter Meinung über den voraussichtlichen Erfolg der Sun-Netscape-Allianz. Laut Scott Smith von Current Analysis müßten gemeinsame Produkte früher auf den Markt kommen als im Jahr 2000. Laura Conigliaro von Goldman Sachs beklagte, daß die Firmen bisher zuwenig Einzelheiten über das künftige Finanzgebaren und das operative Geschäft der Allianz verlautbart haben. Dennoch ergänzen sich ihrer Ansicht nach Sun und Netscape sinnvoll. Beide hätten genauso gute Chancen wie die Hauptkonkurrenten IBM oder Microsoft.

Kritisch äußerte sich Rob Enderle von der Giga Information Group: "Die Geschichte solcher Kooperationen läßt nichts Gutes erwarten - es ist schwierig, Produkte mit unterschiedlichen Codebasen zu verschmelzen."