Euphorie ueber USL-Uebernahme hat sich gelegt

Sun-Boss Scott McNealy erwartet von Novell-Chef Noorda Unix-Zusagen

12.02.1993

In einem Gespraech mit Novell-Chef Ray Noorda hat Scott McNealy, CEO von Sun Microsystems, klargemacht, dass er eine Novell-Tochter USL nur dulden werde, wenn sie ausschliesslich die Funktion eines Dienstleisters fuer die Industrie einnimmt. "Stoppt das gesamte Marketing-Programm, konzentriert euch auf die Programmentwicklung, haltet euch aus dem Geschaeft mit Runtime-Produkten heraus, und senkt den Sourcecode-Preis auf fuenf Dollar", fasst McNealy seine Forderungen an Noorda fuer den US-Brancheninformationsdienst "Unigram" zusammen.

Als Druckmittel setzt der Sun-Chef das umfassende Unix-Know-how seines Unternehmens ein, von dem rund 80 Prozent des Unix-V.4- Codes stammen. Wenn Sun von der USL nicht zufriedenstellend bedient

werde, stehe man vor der Wahl, Unix selbst zu machen anstatt es wie bisher zu kaufen. McNealy vollmundig: "Anders als der Rest der Industrie sind wir in der Lage, ein lizenzfreies Unix zu schaffen."

Trotz dieser Haltung aeussert McNealy allerdings keine grundsaetzlichen Bedenken gegen die Uebernahme der Unix-Entwickler durch Novell. Deshalb bezweifeln Branchen-Insider, ob Sun wirklich aus der zur Zeit erstaunlich geschlossenen Unix-Front gegen Microsofts Windows NT ausscheren wird. Fuer diese Interpretation spricht die gelassene Reaktion von Noorda auf das Gespraech mit McNealy. Der Novell-Chef habe, so der Sun-Chef, kuehl darauf hingewiesen, dass die USL-Uebernahme noch nicht abgeschlossen sei.

Angekuendigt hatte sich der Widerstand von Sun-Seite bereits kurz nach Bekanntwerden des Novell-USL-Deals in den Aussagen von Michael Beier, Senior Account Manager von Sunsoft Deutschland (vgl. CW Nr. 5 vom 29. Januar 1993, Seite 7). So berichtete der Manager von einer konzertierten Aktion mit Silicon Graphics, HP und anderen, die "bei den jetzt anstehenen Gespraechen moegliche proprietaere Tendenzen schon im Vorfeld verhindern" soll.