Sündenbock einer Nation

17.07.1987

Mit ihren Cocom-Richtlinien haben die Amerikaner eine neue Trumpfkarte im US-japanischen Handelskonflikt aus dem Ärmel gezogen. Nachdem das Antidumping-Geschrei verhallt und das Disziplinierungsinstrument der Strafzölle inzwischen mehr als stumpf geworden ist, weil erfolglos, versuchen die Amerikaner nun, ihre widerspenstigen Kontrahenten aus dem Land der aufgehenden Sonne "wg." illegaler High-Tech-Lieferungen an die Sowjetunion in die Knie zu zwingen. Der Stein des Anstoßes erscheint jedoch banal, zu offensichtlich dient der Elektroriese Toshiba als Mittel zum Zweck der Statuierung eines Exempels. Zwar sind die "Machenschaften" der Tochtergesellschaft mehr als zweifelhaft; und sicher spucken die Amerikaner immer Gift und Galle, wenn man ihrem liebsten Kind, dem militärischen High-Tech-Bereich, zu nahe tritt. Doch ist der wahre Grund der Aufgeregtheit, mutmaßen die Analysten: Die Amerikaner können nicht verschmerzen, daß die Japaner dabei sind, ihnen den Rang als Technologie- und Wirtschaftsmacht abzulaufen.

So kommt ihnen das Cocom-Vergehen der Toshiba-Tochter gerade recht, um das angekratzte Selbstbewußtsein wieder aufzumöbeln und den japanischen Widersachern zu zeigen, wer denn eigentlich am längeren Hebel sitzt. Und was könnte schon wirkungsvoller sein, als mit Toshiba einen der zehn größten japanischen Elektronikkonzerne gleichsam mit dem Holzhammer aus dem US-Markt zu hauen? Präsident Reagan dürfte gut beraten sein, sehr genau zu überlegen, ob er derartigen Forderungen des Senats nachkommt. Schon die im April dieses Jahres verhängten Strafzölle gegen japanische Elektronik-Erzeugnisse hatten vielerorts heitige Kritik am amerikanischen Verhalten ausgelöst. Was wird erst passieren, wenn die USA ihren Markt für die gesamte Produktpalette des japanischen Unternehmens dichtmachen?

Toshiba jedenfalls scheint den Kopf hinhalten zu müssen. In den USA werden die Produkte des japanischen Elektrokonzerns bereits boykottiert. Und amerikanische Kongreßabgeordnete sollen gar auf dem Rasen des Capitols in Washington ein Toshiba-Radio mit Vorschlaghämmern zertrümmert haben. Rambo läßt grüßen! Für Toshiba jedoch könnte dieser symbolische Zerstörungsakt schon sehr schnell in harte Realität umschlagen - dann nämlich, wenn dem Unternehmen tatsächlich die Milliardenumsätze in den USA verlorengehen. Da mag es die Toshiba-Verantwortlichen nur wenig trösten, daß die Amerikaner solche Sanktionen auch gegen jedes andere Unternehmen verhängen wollen, das die Cocom-Spielregeln mißachtet.