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Südsee-Insulaner auf Zeit - Internet-Gemeinde regiert Fidschi-Eiland

04.06.2007
Liegt das Paradies auf Vorovoro?

Eine Internet-Gemeinde namens tribewanted.com - zu Deutsch: "Stamm gesucht" - arbeitet gerade daran, auf der winzigen Fidschi-Insel ihre Utopie von einer perfekten Gesellschaft zu verwirklichen - friedlich, demokratisch und ökologisch wie ethisch korrekt. Wer mitmacht, ist Fidschianer auf Zeit. Die "Stammesmitglieder" fliegen nur zum Urlaub ein. In der übrigen Zeit verwalten sie das Inselcamp online - von ihren Bürosesseln in Frankfurt, London oder New York aus.

"Knapp 1200 Mitglieder hat tribewanted.com schon", sagt Andy Barr, Sprecher der Community aus dem englischen Gloucester. "Vertreten sind alle Altersgruppen zwischen 18 und 80 Jahren." Die meisten sind Briten und US-Amerikaner, ein paar Deutsche gehören auch dazu. Im Schnitt zwei Dutzend Mitglieder seien jeweils auf der Insel, erklärt Barr.

Damit die Urlauber am Palmenstrand keine Debatten über den Aufbau des Hüttendorfes abhalten müssen, übernehmen die Stammesgenossen daheim das Regieren. Im Netz stimmen sie beispielsweise darüber ab, ob die Insulaner ein neues Kompost-Klo brauchen oder wer im Monat Juli als Häuptling den Hut aufhat. Ansonsten chatten und bloggen sie, diskutieren im Forum oder stellen ihre Urlaubsfotos auf die Seite - wie ganz normale User im Mitmach-Web. "Eine Online-Welt mit Offline-Wirkung", sagt Andy Barr und nennt die Idee "revolutionär".

Die Idee zur Verknüpfung von virtueller Welt und wahrem Leben hatten die Engländer Ben Keene und Mark James Bowness, beide 26 Jahre alt. Sie wollten eine Internet-Firma starten und hatten Anfang 2006 den zündenden Einfall: "Wir gründen eine Community und nennen sie Stamm. Und wir tun etwas, das bis jetzt ohne Beispiel ist: Wir machen aus der virtuellen Sippe einen echten Stamm", schrieb Mark an Ben. Gesagt, getan. Rückblickend sagt der Projektchef: "Ich dachte damals, das könne funktionieren. Und siehe da: Es geht. Das hier ist kein Reality-TV, das ist das wahre Leben."

Für ein Jahr Stimmrecht im Netz und sieben Nächte Wohnrecht plus Verpflegung auf der Insel zahlen die Mitglieder rund 265 Euro. Dazu kommt die Anreise. Wer die Insel besucht, ist zu nichts verpflichtet: Er muss nach dem Essen nur seinen Teller spülen, kann ansonsten schnorcheln, baden oder im Palmenschatten Kokosnüsse ausschlürfen. Trotzdem packt fast jeder für die Gemeinschaft mit an: als Hütten-Baumeister, Koch, Gärtner, Designer oder Abwasser-Ingenieur. Der Wohnstandard ist einfach, auf den Tisch kommt meist einheimische Kost: Fisch und Früchte.

"Das Leben auf Vorovoro ist umweltfreundlich und klimaneutral", versichert Andy Barr. Trinkwasser liefert der Regen, Strom kommt aus Solarzellen. Wissenschaftler vom University College of London unterstützen das Projekt durch Nachhaltigkeits-Beratung.

Ein Klimaproblem, räumt Andy Barr ein, sei die Anreise per Flugzeug um den halben Erdball: "Wer die Insel besucht, muss deshalb zum Ausgleich Klimazertifikate kaufen." Nach Berechnung des tribewanted-Partners climatecare.org werden auf der Strecke Frankfurt-Fidschi pro Passagier 2,65 Tonnen klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gepustet. Zum Ausgleich zahlt der Urlauber 60 Euro. Damit werden klimafreundliche Umweltprojekte finanziert.

Der Onliner-Stamm hat einen Teil der 80-Hektar-Insel für drei Jahre bis 2009 vom Ureinwohner-Stamm der Yasuva gepachtet. Die werden beim Bau des Camps mit Aufträgen bedacht und profitieren so wirtschaftlich von den Internet-Utopisten. Gestartet wurde das soziale Experiment im September 2006. Alles, was gebaut wird, geht am Ende in den Besitz der lokalen Einwohner über. Tui Mali, Häuptling über vier Yasuva-Fischerdörfer auf Vorovoro, ist begeistert: "Das Projekt sichert uns ein Auskommen für mindestens drei Jahre." (dpa/tc)