Bewegung beim Sitzen hält fit und munter:

Stuhl-Rezepte gegen Rückenschmerzen

12.03.1976

MÜNCHEN - Von Rücken- über Bauch- und Nackenschmerzen bis zu Brandscheibenschäden oder Ermüdung und Passivität am Arbeitsplatz haben Die Mediziner eine ganze Liste von Übeln zusammengestellt, die auf dauerndes Sitzen zurückführen sind.

Zubehör zur Dynamisierung

Unsere bürokratische Gesellschaft lebt sitzend - und mit dementsprechend vielen Bandscheibenschäden. Als ideal von allen Theoretikern längst anerkannt ist häufiger Wechsel der Haltung (Sitzen in verschiedenen Positionen, Gehen, Anlehnen) während der Arbeit. "Dynamisierung der Büroarbeit" heißt das Schlagwort dafür. Das erfordert aber eine entsprechende Einrichtung - beispielsweise Stehpult zusätzlich zum Schreibtisch, tragbare Diktiergeräte oder Fernsprechapparate mit Mikrofon/Lautsprecher, die das Telefonieren ohne ständiges Halten des Hörers erlauben. Weder dieser Mehraufwand an Einrichtung noch der Mehrbedarf an Platz dafür sind überall durchsetzbar. Davon abgesehen ist die Mehrzahl der Arbeiten "platzgebunden" - gleichgültig, ob es sich beispielsweise um Operatoren, Datentypistinnen, Programmierer oder andere DV-Berufe handelt.

Die Schweizer Arbeitswissenschaftler Etienne Grandjean und Wilhelm Hünting stellen bei Untersuchungen am Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der Eidgenössischen Hochschule Zürich fest: "Bei entspannter, zurückgeneigter Rumpfhaltung ist der Druck in den Bandscheiben am niedrigsten. Je weiter sich der Winkel zwischen Sitzfläche und Rückenlehne öffnet, desto stärker nehmen Bandschreibendruck und elektrische Aktivität der Rückenmuskeln ab. Ein häufiger Wechsel der Belastung von Brandscheiben ist für deren "Ernährung" und Gesunderhaltung wichtig. Der "Pumpenmechanismus der Versorgung" wird durch den Wechsel von Be- und Entlastung der Bandscheiben gefördert.

Die beiden Schweitzer ermittelten ferner, daß Beschwerden im Nacken und den Schultern vor allem durch zu hohe Arbeitstische verursacht werden. Beschwerden in Knien und Füßen kämen vor allem bei kleinen Personen (Fehlen von Fußstützen) oder beim Sitzen vorn auf dem Stuhl vor. Schon die Häufigkeit des Wortes "ergonomisch" in der Werbung zeigt, das sich die Hersteller von Büromöbeln in den letzten Jahren verstärkt bemüht haben, den Forderungen der Wissenschaftler gerecht zu werden. Das jüngste Beispiel bietet Wilkhahn mit einem "Aktiv"- Sitzmöbelprogramm. Der Be-Sitzer kann seine Position auf dem Stuhl vielfältig variieren - ohne daß die Füße den Bodenkontakt verlieren. "Bewegliches Arbeiten hält körperlich entspannt und geistig aktiv", erklären die Hersteller aus Bad Münden zu ihrer neuen Konstruktion.

Was von den Arbeitsmedizinern längst ausgesprochen wurde, muß sich nur noch in den Einkaufsabteilungen der Anwender herumsprechen.

Anforderungen an gute Bürostühle:

- Elektrischer Widerstand von Laufrollen unter 10**9 Ohm zur Vermeidung elektrostatischer Aufladungen

- Fünfstrahliges Drehkreuz (kippsicher)

- Roll-, dreh- und höhenverstellbar, Sitzwinkel (Neigung von Sitzfläche und Rückenlehne) verstellbar

- Polsterung aus Stoff oder Leder zum Reinigen oder zur Erneuerung auswechselbar

- Vordere Sitzkante nach unten abfallend

- Ausreichend hohe Rückenlehne, die aber auch Lendenwirbel stützt.