Studium im Schnelldurchlauf

02.10.2001
Von in Bettina
Duale Studiengänge gelten als Alternative zu den üblichen Bildungsmodellen. Absolventen eines Studiums mit integrierter Berufsausbildung sind jung und haben bereits Berufserfahrung, wenn sie in den Vollzeitjob wechseln. Aber der Vorstandsposten nach dem Akademiediplom bleibt trotzdem die Ausnahme.

Lange Studienzeiten, chronischer Geldmangel und keine Ahnung, auf welche Fachgebiete man sich spezialisieren soll - die Probleme eines Unistudenten sind dem BA-Kandidaten fremd. Der Absolvent einer Berufsakademie hat nach drei Jahren Ausbildung und Berufspraktika sein Diplom in der Tasche und verdient in dieser Zeit schon mindestens 1200 Mark im Monat. Hat sich ein Bewerber einmal für einen BA-Studiengang entschieden, lotst ihn ein streng strukturierter Stundenplan sicher ans Ziel.

Berufsakademien, die ein staatlich anerkanntes Diplom vergeben, existieren in Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und Berlin. Aber auch Fachhochschulen, wie die FH der Deutschen Wirtschaft in Hannover (FHDW), bieten ein duales Diplomstudium an. Dreimonatige Praxisphasen im Unternehmen wechseln sich mit Theoriequartalen an der Akademie ab. Während der Studienzeit zahlen die Firmen den Studenten ein Ausbildungsgehalt. Theorie und Praxis sind eng verwoben: In Vorlesungen und Seminaren werden Fälle diskutiert, die die Schüler aus der betrieblichen Praxis kennen. Auch die schriftliche Arbeit, die das Grundstudium abschließt, und die Diplomarbeit am Ende des Studiums behandeln fachliche Probleme des jeweiligen Ausbildungsbetriebs.

Der Lehrplan ist eng gesteckt, das Pensum gerade in den Fächern Software-Engineering oder betriebliche Informationssysteme riesig, findet Jan-Christian Engelbrecht: "Dabei sind nicht die fachlichen Anforderungen das Problem, sondern die Fülle des zu lernenden Stoffes." Dafür sei das Gelernte meist direkt in der Praxis anwendbar, so die Erfahrung des 24-jährigen Wirtschaftsinformatik-Studenten. Gleich im ersten Semester schrieb er für seinen Ausbilder, die Höft und Wessel AG, Hannover, eine Internet-Software, die auf der CeBIT präsentiert wurde.

Die steile Karriere steht für BA-Absolventen nicht im Vordergrund, wie Karl Müller-Siebers, Professor an der FHDW beobachtet. In seinen Augen setzen sie ihre Fähigkeiten lieber ein, um auf einem bestimmten Fachgebiet, wie der Datenbankentwicklung, sehr gut zu sein: "Einige Studenten sagen offen, dass sie später keine Personalverantwortung übernehmen wollen."

Die große Karriere bleibt nach einer dualen Ausbildung die Ausnahme – als prominente Beispiele werden gern die Vorstandsvorsitzenden von Alcatel Deutschland, Andreas Bernhardt, und der Heidelberger Druckmaschinen AG, Bernhard Schreier, angeführt. Dennoch spricht die niedrige Zahl der Studienabbrecher für das Modell: Über 80 Prozent der Teilnehmer ziehen ihre Ausbildung bis zum Diplom durch. Nach den Vorteilen gefragt, sind sich alle Kombi-Studenten einig: Die kurze Studienzeit, die große Praxisnähe und die sofortige Verdienstmöglichkeit machen das Blitzstudium an FH und BA zur praktischen Alternative zum Hochschulstudium.

Die finanzielle Unabhängigkeit war auch für Annette Entenmann ein wichtiger Anreiz, als sie 1988 ihr Ingenieurstudium in technischer Informatik an der BA Stuttgart begann. Als sie die Schule beendete, studierte ihr Bruder bereits: "Zwei studierende Kinder hätten die Familie finanziell überfordert."

Entenmann blieb auch nach dem Abschluss bei ihrem Ausbilder Alcatel und hat Karriere gemacht. Seit der Ausbildung gilt die Übertragungstechnik als ihr Steckenpferd. Nach ihrem Diplom entschied sie sich zunächst für die Qualitätsabteilung. Über Umwege kehrte sie dann wieder zu ihren Wurzeln zurück: Seit Januar 1998 ist die 32-Jährige als Gruppenleiterin dafür zuständig, dass optische Übertragungssysteme in die bestehenden Netze integriert werden. Mit dieser Integration ist ein zwölfköpfiges Team in Stuttgart, Frankreich und Italien beschäftigt, dessen Arbeit Entenmann koordiniert.

Obwohl alle Unternehmen möglichst viele Absolventen einer dualen Ausbildung übernehmen wollen, sieht der Umgang mit dem qualifizierten Nachwuchs höchst unterschiedlich aus: Als Entenmann mit 22 Jahren ihr Diplom erwarb, buhlten verschiedene Abteilungen um die Mitarbeiter aus dem eigenen Stall. Bei IBM hingegen rennt niemand den BA-Absolventen die Türen ein. Daniel Dubsky, der vor einem Jahr bei IBM sein BA-Diplom zum Wirtschaftsinformatiker machte, musste feststellen, dass die BA-Absolventen bei IBM nicht bevorzugt werden. Wer sich dort nicht während der Ausbildung schon auf informellen Weg Ansprechpartner warm hält, hat auch nach dreijähriger Firmenzugehörigkeit keine bessere Ausgangsposition für eine Weiterbeschäftigung als ein externer Kandidat, bestätigt auch IBM-Ausbildungsleiter Matthias Landmesser: "Unsere BA-Absolventen müssen sich nach ihrem Abschluss auf die extern ausgeschriebenen Stellen bewerben wie jeder andere auch."

Sowohl der Mittelstand als auch die großen Unternehmen wie IBM und Alcatel fördern das duale Ausbildungskonzept. Die Firmen benötigen laut Landmesser nicht nur Promovierte und Uniabsolventen, sondern vor allem Generalisten für den Vertrieb und das Dienstleistungsgeschäft.

An den Berufsakademien wird aber nicht nur fachliche, sondern auch soziale Kompetenz vermittelt. Die Lerngruppen sind klein, die Professoren und Dozenten sind für ihre Studenten jederzeit ansprechbar. Trotz der persönlichen Arbeitsatmosphäre sind die Studenten mit ihren Dozenten nicht immer glücklich. Dubsky, der an der BA Stuttgart studierte, bemängelt, dass mehrfach Dozenten auf Betreiben der Studenten hin ausgetauscht werden mussten. Auch andere Studenten berichten, dass es mit den didaktischen Fähigkeiten einiger Dozenten nicht weit her war. Ein Grund könnte sein, dass die Mehrheit der Dozenten nebenamtlich für die Berufsakademie tätig ist.

Außerdem wünscht sich Dubsky eine bessere Kontrolle der Akademien über die Partnerunternehmen. Er weiß von Fällen, in denen BA-Absolventen nicht fachbezogen eingesetzt wurden, sondern häufiger am Kopierer standen.

Mängel, die sich auf die späteren Verdienstchancen der Absolventen scheinbar nicht auswirken. Die CW-Gehaltsstudie hat ergeben, dass IT-Mitarbeiter mit BA-Diplom durchschnittlich 126 000 Mark im Jahr und damit sogar mehr als Mitarbeiter mit einem FH-Diplom verdienen.

Duale Studiengänge

Wer macht was?

Eine Kombination aus Ausbildung und Studium bieten Fachhochschulen (FH) und Berufsakademien (BA) in Zusammenarbeit mit Ausbildungsunternehmen an. An der Fachhochschule der Deutschen Wirtschaft (FHDW) in Hannover gibt es das Fach Wirtschaftsinfomatik seit 1999. Die Berufsakademien in Baden Württemberg bieten schon länger infomationstechnische Studiengänge an. Seit 1999 sind spezielle Abschlüsse in E-Commerce und Wirtschaftsinformatik möglich. Thüringen, Sachsen und Berlin haben das baden-württembergische Modell übernommen.

Was kostet es?

Die Unternehmen übernehmen die Studiengebühr der FH von 1200 Mark im Monat und zahlen ein Praktikums-entgelt von 500 bis 700 Mark. Die Partnerfirmen der BA zahlen ein Ausbildungsgehalt von 1200 bis 1300 Mark im ersten Ausbildungsjahr, im dritten Jahr verdienen die Studenten/Auszubildenden zwischen 1500 und 2000 Mark.

Wer wählt die Bewerber aus?

An der FH in Hannover durchlaufen die Interessenten ein Auswahlverfahren. Danach dürfen sie sich bei den Partnerfirmen bewerben. Für ein BA-Studium wenden sich die Bewerber direkt an die Unternehmen. Diese schreiben ihre Kandidaten dann an der Akademie ein. Welche Abschlüsse gibt es? Nach zwei Jahren schließt das Vordiplom mit einer Projektarbeit und einer IHK-Prüfung ab. Die Studenten dürfen sich dann beispielsweise Fachinfomatiker nennen. Nach einem weiteren Jahr gibt es das Diplom als Wirtschaftsinfomatiker, Betriebswirt oder Wirtschaftsingenieur.

Zweitstudium statt Karriere

Steffen Schachtler, 27, ist ein Beispiel für viele Berufsakademie-Absolventen, die nicht in die oberste Firmenetage wollen. An die Stelle des traditionellen Karrierebegriffes, der sich nach Verdienst und Personalverantwortung bemisst, tritt bei ihm der Wunsch, sich fachlich weiter zu entwickeln, wenn nötig auch mit einem Zusatzstudium.

Schachtlers Lebenslauf beweist, dass sich BA-Kandidaten im Gegensatz zu Universitätsstudenten früh beruflich festlegen müssen, sich mit dieser Entscheidung aber nichts verbauen. Schachtler entschied sich bereits in der zwölften Klasse Gymnasium für einen BA-Studiengang und bewarb sich erfolgreich bei der Alcatel SEL AG, Stuttgart. Zunächst absolvierte er in drei Jahren das Informationstechnik-Studium an der Berufsakademie (BA) in Stuttgart. Anschließend arbeitete er weiterhin für sein früheres Ausbildungsunternehmen. Er stieg in den Personalbereich ein und stellte dort fest, dass er seine technischen Kenntnisse noch um das kaufmännische Know-how ergänzen möchte. Deshalb entschied sich der Diplomingenieur für ein zusätzliches Master-Studium an der Open University in London. Die Berufsakademien unterstützen Aufbaustudiengänge wie den Master of Business Administration (MBA) organisatorisch und finanziell.

Ein MBA parallel zum Beruf zu absolvieren, ist kein Honigschlecken. Von Montag bis Donnerstag wird voll gearbeitet, freitags und samstags ist in Management- und Bilanzierungsseminaren Präsenz gefragt. Zum MBA gehört auch ein dreimonatiger Auslandsaufenthalt. Schachtler kam in der Pariser Konzernzentrale von Alcatel im Personalwesen zum Einsatz. Dort wurde gerade eine Datenbank zur weltweiten Personalentwicklung geschaffen. Begeistert berichtet er: "Es herrschte eine richtige Startup-Kultur in der Abteilung."

Statt drei blieb er sechs Monate in Paris und kehrte später in die Seine-Metropole zurück, um weiter an dem Projekt zu arbeiten. Gleichzeitig absolvierte er im Fernstudium die letzten Leistungsnachweise für seinen Master-Studium. Seit April 2001 hat er den MBA in der Tasche. Zurzeit ist weltweite Personalentwicklung noch sein Lieblingsthema, aber Schachtler will nicht ausschließen, dass er sich bald wieder auf ein völlig neues Betätigungsfeld stürzen wird.