Auch Siemens lagert in Niedriglohnregionen aus

Studie: Offshore schafft Jobs in den USA

09.04.2004
MÜNCHEN (CW) - Offshore schafft auch in den Industriestaaten Jobs und hilft der Wirtschaft. Dieses Ergebnis einer jüngst in den USA erschienenen Studie heizt die Diskussion um die Auslagerung von IT-Diensten in Niedriglohnregionen weiter an. In Deutschland verschärft sich die Kontroverse, weil Großkonzerne wie Siemens Auslagerungspläne verfolgen.

Berechnungen der Information Technology Association of America (ITAA) zufolge haben die Offshore-Aktivitäten der US-amerikanischen IT-Industrie unterm Strich mehr Arbeitsplätze geschaffen, als durch die Verlagerungen verloren wurden. Die Unternehmen, die Dienste aus Niedriglohnländern beziehen, hätten die erzielten Ersparnisse unter anderem in heimische Mitarbeiter investiert.

Die Autoren der Studie errechneten, dass die US-amerikanischen Unternehmen mit Offshoring in den Jahren 2003 bis 2008 zwischen 6,7 Milliarden und 20,9 Milliarden Dollar einsparen können. Damit ließen sich die Inflation eindämmen, die Produktivität steigern und die Zinssätze reduzieren. Zwar habe die Industrie im letzten Jahr rund 104 000 Stellen ins Ausland verlagert, gleichzeitig seien aber durch das Offshoring knapp 200000 Stellen in der IT- und anderen Branchen entstanden. Bis zum Jahr 2008 soll sich die Zahl der netto geschaffenen Arbeitsplätze auf 317000 belaufen. Die ITAA ist keine neutrale Instanz, sondern Interessenvertretung mächtiger IT-Konzerne wie IBM, Hewlett-Packard, EDS, Deutsche Telekom sowie großer IT-Anwender (Boeing, Lockheed und Visa) und einiger Analysten (Pierre Audoin Consultants und Merrill Lynch).

Tatsächlich errichten die indischen Offshore-Anbieter zunehmend Call-Center in den USA. Recherchen des "Wall Street Journal" zufolge betreibt Tata Consultancy Services bereits 50, Wipro 19 und Infosys elf Telefonzentralen in Nordamerika. Obwohl die Fachkräfte in Indien nur rund ein Zehntel des Gehalts ihrer US-amerikanischen Kollegen verdienen, scheint es für die Offshore-Anbieter mit wachsender Komplexität der ihnen übertragenen Aufgaben günstiger zu sein, Kapazitäten im Land ihrer Auftraggeber aufzubauen. Nicht immer profitieren die USA davon, denn Kanada bietet niedrigere Löhne, günstigere Steuersätze und eine gute Infrastruktur.

In Deutschland heizte Siemens die Offshore-Diskussion an. Der Konzern möchte hier rund 5000 Arbeitsplätze abbauen, 2500 davon sollen ins Ausland verlagert werden. Betroffen sind vor allem Jobs in Siemens'' Mobilfunksparte, doch auch beim IT-Dienstleister Siemens Business Services (SBS) sollen Presseberichten zufolge 700 Arbeitsplätze bedroht sein. Die Handy-Fertigung soll laut Siemens-Plänen zum Gros nach Ungarn verlagert werden, dort lägen die Arbeitskosten etwa 30 Prozent unter dem hiesigen Lohniveau, so ein Siemens-Sprecher.

Einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer zufolge plant jedes vierte Industrieunternehmen, Teile der Produktion an billigere Standorte im Ausland zu verlagern. Insgesamt, so ein Bericht des "Handelsblatts", könnten einer Schätzung des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall zufolge bis zum Jahr 2015 rund 600 000 Arbeitsplätze ins Ausland abwandern. (jha)