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Stringer: "Microsoft gehört nicht die ganze Welt."

10.09.2001
John Stringer, President und Chief Executive Officer von Wyse Technology, spricht über Thin Clients, Microsoft, Linux und die derzeitige Konjunkturflaute.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit John Stringer, President und CEO von Wyse Technology, sprach CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstätter über Thin Clients, Microsoft, Linux und die derzeitige Konjunkturflaute.

CW: Wyse wurde heuer 20 Jahre alt. Was hat sich im Vergleich zu den Anfängen verändert?

STRINGER: Die Industrie kennt uns als Hardware-Company, die Terminals herstellt. Tatsächlich arbeiten aber 70 Prozent unserer Entwickler an Softwareprojekten.

CW: Sie beziehen die für Thin Clients notwendigen Kommunikationsprotokolle von Firmen wie Microsoft oder Citrix. Was entwickeln Ihre Softwareingenieure?

STRINGER: Insbesondere geht es um Firmware. Wir wollen die Thin Clients immer kleiner machen und integrieren deshalb immer mehr Fähigkeiten in immer weniger Chips. Thin bedeutet Software.

CW: Wer stellt die Chips her?

STRINGER: Auf diesem Gebiet arbeiten wir hauptsächlich mit National Semiconductor, die natürlich dazu aufgefordert sind, immer höher zu integrieren. Aber auch unsere Software muss präzise und robust sein und soll wenig Memory benötigen, sonst wird das Produkt zu teuer. Wir verzichten ja auf Festplatten und packen alles in die relativ teuren Speicherchips.

CW: Wieso haben Sie sich auf den NT-Markt spezialisiert?

STRINGER: Haben wir gar nicht. Wyse hat bei Thin Clients die breiteste Produktpalette. Darunter befinden sich vier Produktlinien, die ganz ohne Microsoft auskommen und zum Beispiel für das reine Internet-Surfen gedacht sind.

CW: Was läuft dabei auf dem Server?

STRINGER: Was Sie wollen, etwa Unix wie Solaris. Der Service kann von Acer, Siemens, Dell oder Compaq stammen, das spielt keine Rolle.

CW: Wie eng ist Ihr Verhältnis zu Microsoft?

STRINGER: Wir sind Alpha-Entwickler für die Redmonder und auch Testlabor. Außerdem modifizieren wir die Betriebssysteme wie Windows CE oder NT.

CW: Sie haben Zugang zum Microsoft-Code?

STRINGER: Sicher, beispielsweise kürte uns Microsoft zum Windows-OEM-Embedded-Partner des Jahres 2000.

CW: Sie unterstützen das RDP-Protokoll von Microsoft und auch ICA von Citrix standardmäßig. Was ist beispielsweise mit Linux ...

STRINGER: Wir haben, sehr zum Leidwesen von Microsoft, eine zweite Produktlinie für die Open-Source-Software aufgelegt.

CW: ... und mit SCO Tarantella?

STRINGER: Wir sind auch Entwicklungspartner für Tarantella. Das ist ein gutes Produkt, vor allem für Europa, wo es so viele Unix-Installationen gibt. Tarantella unterstützt auch das RDP-Protokoll. Microsoft gehört nicht die ganze Welt.

CW: Wie beurteilen Sie die Bemühungen von Sun Microsystems, die mit Sun-Ray eigene Thin Clients anbieten?

STRINGER: Für Sun steht der Server und nicht der Desktop im Vordergrund. Terminals kurbeln die Server-Verkäufe an, da sie ja nicht rechnen, sondern nur darstellen. Die Anwender von Sun-Ray müssen mit der Tatsache leben, dass diese Displays nur mit Solaris-Servern zusammenarbeiten. Was ist, wenn man auch noch PCs hat? Ein weiteres Manko der Sun-Lösung ist die Tatsache, dass ein designierter 100-Mbit-Switch verwendet werden muss.

CW: Wie hoch ist der Marktanteil von Sun im Terminal-Bereich?

STRINGER: Er liegt bei vier Prozent. Zusammen mit unserem OEM-Geschäft kommt Wyse auf etwa 50 Prozent.

CW: Beeinflusst die momentane konjunkturelle Flaute Ihr Geschäft?

STRINGER: Dieses Jahr ist fantastisch! Allein im ersten Halbjahr 2001 wuchsen wir - nach Stückzahlen gemessen - um 30 Prozent. Dieses Quartal ist mit einer Steigerung von 28 Prozent prognostiziert.

CW: Sehen Sie dabei einen Schwenk von PCs auf Thin Clients?

STRINGER: Zunächst gewinnen wir Marktanteile von Sun, IBM und den anderen. Aber die großen Unternehmen begutachten zunehmend unser Konzept des Thin-Client-Computing.

CW: Wieso jetzt und nicht schon vor vier oder fünf Jahren?

STRINGER: Die IT-Budgets sinken um 20 Prozent. Wenn Sie in dieser Situation einem IT-Chef vorrechnen, dass er bei 1000 Desktops 15 Millionen Dollar sparen kann, wenn er von PCs auf Thin Clients umsteigt, dann ist das ein gutes Verkaufsargument.

CW: Wo stammen diese Zahlen her?

STRINGER: Das sind Berechnungen von Gartner über die Total Cost of Ownership, TCO.

CW: Was ist denn aus dem Netzwerkcomputer geworden, den insbesondere Oracle-Chef Larry Ellison vor Jahren als PC-Alternative propagierte?

STRINGER: Ellison stellte den NC vor fünf Jahren mit den Worten vor: Meine Mutter benötigt so ein Gerät, das einfach zu benutzen ist und nur 500 Dollar kostet. Das erste Oracle-Produkt kam dann für 900 Dollar auf den Markt. Der NC riecht und schmeckt nach PC - und der ist 20 Jahre alt.

CW: Wo geht Ihrer Meinung nach die Desktop-Reise hin?

STRINGER: Ich konkurriere nicht mit dem PC, ich biete Lösungen. Für uns lautet die Devise: thin, thin, thinner.

CW: Würde Ihnen der Einstieg in das Consumer-Geschäft nicht gefallen?

STRINGER: Willkommen bei unserem Marketing. Das ist die Strategie. Unsere Botschaft lautet, dass wir Geräte anbieten wollen, die die Kommunikation und den Zugriff auf Information einfach und kostengünstig erledigen. Egal, ob es sich um kommerzielle oder private Anwendungen handelt.

CW: Thin Clients funktionieren nur mit externen Servern und Speichern. Gerade private Anwender wollen keinen externen Dienstleister bezahlen oder fürchten dabei Sicherheitsmängel.

STRINGER: In puncto Sicherheit müssen uns die ASPs davon überzeugen, dass ihre Systeme sicher sind. Aber Thin Clients können, beispielsweise in Familien mit Kindern, als Zweitgeräte installiert werden, mit denen man nur im Internet surft. Dann würde der vorhandene PC als Server und Speicher dienen. Der Bedarf ist da, in den USA verfügen bereits 60 Prozent aller Haushalte über einen PC, das Zweitgerät dürfte ruhig kleiner und dafür schneller und einfacher zu bedienen sein.

CW: Welche Vorteile außer den niedrigeren TCO-Kosten ergeben sich denn bei Thin Clients im kommerziellen Umfeld?

STRINGER: Thin Clients sind robuster, da sie keine rotierenden Komponenten wie Festplatten enthalten. Sie generieren weniger Netzverkehr, da nur die Veränderungen in einem File übertragen werden und nicht das ganze Dokument. Dadurch ergeben sich auch erhebliche Einsparungen beim Backup und Restore, es fallen weniger Daten an. Bei Software-Upgrades ist die Programmverteilung viel einfacher, ebenso die Verwaltung der Desktops. Und die Handhabung ist viele einfacher. Das Gerät ist entweder an oder aus, Fehler beim Booten oder dergleichen entfallen.

CW: Wie passen Thin Clients in das Mobile Computing?

STRINGER: Bestens, zumindest das was wir in unseren Labors stehen haben.

CW: Und zwar?

STRINGER: Wenn ich auf Reisen bin, trage ich ungern einen Laptop mit mir herum. Was wäre, wenn ich einen Thin Client hätte, der auf einer PCMCIA-Karte Platz hätte?

CW: Die ganze Funktionalität in Flash-Speichern auf der PC-Card, ...

STRINGER:... die ich dann in einen Kiosk oder den Slot in einer Tastatur stecke. Dort erfahre ich dann, wer mein ASP, mein Service-Provider ist und welche Leitungen ich verwenden kann. Und schon bekomme ich meine Applikationen zugespielt.

CW: Wann kann man damit rechnen?

STRINGER: Derzeit ist so ein Flash-Client wegen der Speicherpreise noch zu teuer.

CW: Was hat Wyse noch in der Pipeline?

STRINGER: Wir sind mit knapp 50 Prozent Marktanteil im Thin-Client-Bereich der Leitwolf. Wir geben also die Richtung vor, die anderen folgen. Aber ich kann davon ausgehen, dass jeder zweite Thin Client von uns stammt.

CW: Also, welche Gebiete erforschen Sie noch?

STRINGER: Beispielsweise Settop-Boxen mit integriertem Kabelmodem. Derzeit testen wir so ein Gerät in Kanada. Eine Hausverwaltung, die 26.000 Appartements betreut, hat solche Geräte installiert. Die haben ihr eigenes Portal, über das ich als Mieter die gesamte Dienstleistung, von dem Wäsche- bis zum Pizza-Service buchen kann, aber auch Zugang zu den Fernsehprogrammen habe.