IT in der Medienbranche/Rheingau Echo Verlag schafft durchgehende Querverbindungen

Streßkiller: Optimierter Workflow für ein effizientes Verlags-Management

08.10.1999
Nachtschichten und nervenaufreibende Hektik, die so oft vor dem Anlaufen der Druckmaschine herrschen, gehören bei der Rheingau Echo Verlags GmbH der Vergangenheit an. Seit mit einer kombinierten Anzeigen- und Verlagssoftware das Workgroup-Computing bei der Geisenheimer Regionalzeitung Einzug gehalten hat, können die Verlagsbereiche reibungslos ineinandergreifen. Der Produktionsprozeß wurde spürbar entzerrt, Termindruck und Fehlerquote sind merklich gesunken. Michael Gamisch* skizziert das neue Vorgehen.

Auslöser einer zunehmenden DV-technischen Aufrüstung im Rheingau Echo Verlag war das steigende Arbeitsaufkommen bei gleichzeitiger Reduzierung von Mitarbeiterstunden. Von einer integrierten Verlagssoftware versprach sich das Verlagshaus vor allem ein effizienteres Daten-Management mit mehr Übersicht für die Heftplanung sowie ein Vorziehen des Rechnungsversands auf den Auslieferungstag der Zeitung. Im Auswahlprozeß für ein standardisiertes Verlagssystem gab das garantierte Zusammenspiel zwischen der schon implementierten Redaktions- und Layoutsoftware "Redline" und dem integrierten Verlags-Management-System "Journal" den Ausschlag.

Verlage, die ebenfalls vor der Einführung einer DV-Lösung stehen, sollten auf jeden Fall prüfen, ob das neue Programm zu bereits vorhandener, bewährter Software kompatibel ist und über entsprechende Schnittstellen verfügt. Wird dieser sensible Punkt frühzeitig in die Überlegungen einbezogen, läßt sich der Schulungs- und Datentransferaufwand möglicherweise beträchtlich verringern. Daneben muß das Programmpaket die betrieblichen Produktionswege korrekt abbilden.

Die Einführung von Journal erfolgte in Etappen; schließlich sollte sie mit den vorhandenen Mitarbeitern bewerkstelligt werden, die von Anfang an in den Umstellungsprozeß eingebunden wurden. Großen Wert legte die Geschäftsleitung auf die Schulung. In einem ersten Schritt wurde das Modul Anzeigenverwaltung zunächst noch isoliert betrieben und nicht mit dem Layoutsystem verknüpft. Die Weitergabe der erfaßten Anzeigen geschah vorerst mit Manuskripten und Produktionslisten. Erst im nächsten Schritt wurden die Anzeigen elektronisch an das Layoutprogramm übergeben und im Seitenumbruch plaziert.

Das Verlagsverwaltungssystem arbeitet nach dem Prinzip der Vorerfassung. Um alle Arbeitsschritte soweit wie möglich nach vorn zu verlegen, werden beim Auftragseingang von Anzeigen, Beilagen oder Abonnements bereits alle relevanten Daten für die spätere Fakturierung, den Belegversand, die Vertreterabrechnung oder die Buchhaltung erfaßt. Anzeigen werden gleichzeitig nach Ausgabeterminen, Verlagsobjekten, Preisen und Rabatten vordisponiert. Per Knopfdruck steuert die Software den Produktionsfluß der Anzeigen in unterschiedliche Medien und spart zeitaufwendige Doppelerfassungen. Das System nutzt die Vorteile der zugrundeliegenden relationalen Datenbank "Concept 16", die aufgrund der Speicherstruktur eine gleichbleibend hohe Zugriffsgeschwindigkeit auch bei größten Datenvolumina garantiert. Aufgrund der Plattformunabhängigkeit dieser Datenbank ist der Einsatz von Journal in heterogenen Netzwerken Standard.

Als Schnittstelle zwischen Redline und Journal fungiert das Journal-Produktions-Management-System mit Job- und File-Server. Dazu gehört eine automatische PC-Station zur Erstellung von EPS-(Electronic-Publishing-System-) und PDF-(Portable-Document-Format-)Dateien sowie zur Ausgabe von Produktionslisten. Für die aktuellen Zeitungsausgaben legt der File-Server selbsttätig einen Produktionsordner an. Sämtliche Wiederholungsanzeigen, im "Rheingau Echo" rund 30 Prozent des gesamten Aufkommens, werden entsprechend der Disposition automatisch vom File-Server aus den Kundendatensätzen geholt und in der Produktionsdatenbank abgelegt. Neu erfaßte Annoncen werden konvertiert und direkt im Produktionsordner gespeichert. Auch wenn der Inhalt des Inserats noch nicht feststeht, wird durch die vorgegebene Größe über die Satzsteuerung ein Rahmen generiert, der sofort im Seitenlayout plaziert werden kann.

Der Produktionsordner fungiert als Verbindungsstelle zwischen Anzeigenverwaltung, Satz und Umbruchsystem. Um zu wissen, welche Anzeigenaufträge im Produktionsordner hinzugekommen sind, stößt der Setzer über den Journal-Produktions-Client den Job-Server an. Bei dieser Abfrage vergleicht das System den Zeitstempel der Quark-Xpress-Datei mit der gleichnamigen EPS-Datei. Ist die Quark-Datei jünger, das heißt, wurden in Quark-Xpress Veränderungen vorgenommen, wird eine neue EPS-Datei erzeugt. Signalisiert der Zeitvergleich, daß der Auftrag nicht weiterbearbeitet wurde, werden diese Dateien vom Job-Server übersprungen. Um eine Anzeige in Quark-Xpress zu bearbeiten und anschließend in den bereits vorhandenen Rahmen zu setzen, ruft der Produktioner den Auftrag über die systeminterne Dateinummer aus dem Produktionsordner auf. Bei jedem Speichervorgang wird wiederum eine EPS-Datei zum aktuellen Stand erzeugt. Die generierten Echtdaten werden an Redline weitergegeben und im Umbruchsystem plaziert. Den Status der Anzeige fragt der Setzer dabei über eine entsprechende Maske ab.

Redaktionelle Beiträge mit Texten, Bildern, Logos und Grafiken werden ins Redline-Redaktionssystem eingegeben und zu einem gewissen Teil bereits umbrochen. Die freien Mitarbeiter des "Rheingau Echos" geben ihre Texte ebenfalls in einer Redline-Vorgabemaske ein und liefern diese per Diskette oder E-Mail an ihren Verlag. Die redaktionellen Umfänge der einzelnen Rubriken fließen mit den Anzeigendaten in der Produktionsdatenbank zusammen und bilden mit den gültigen Ausschießmustern die Grundlage des Ganzseitenumbruchs. Motive und Druckunterlagen werden aufgrund ihrer Mächtigkeit auf einen File-Server ausgelagert, es befinden sich lediglich Verweise in der Produktionsdatenbank.

Ist die Zeitung komplett ausbelichtet, fließt der Datenstrom in die entgegengesetzte Richtung. Der Journal-File-Server reorganisiert die Anzeigendaten des Produktionsordners und überträgt sie zurück in die Kundenordner. Durch die elektronische Produktionsdaten-Rückerfassung von Seitennummer, Plazierung und tatsächlicher Größe werden Fakturierungsdaten überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Zum Zeitpunkt des Andrucks stehen die endgültigen Formate aller Inserate auch dem kaufmännischen Bereich zur Verfügung. Alle Rechnungen können auf Tastendruck ausgegeben und verschickt werden.

Die neuen Verlagsobjekte mit einer gleichbleibenden Zahl von insgesamt 90 Mitarbeitern zu realisieren, daran wäre ohne den elektronischen Workflow und Vernetzung der Arbeitsplätze nicht zu denken gewesen. Der integrierte Software-Einsatz verlagert die einzelnen Vorgänge des Produktionsprozesses zeitlich nach vorn und verhindert, daß sich Jobs bis zum Schluß anhäufen. Dadurch ließen sich die Mitarbeiter effizienter einsetzen. Ein wichtiger Punkt ist auch die gestiegene Transparenz bei der Zeitungsproduktion, die zu einem besseren Überblick bei der Blattplanung geführt hat. Früher wußte die Anzeigenleitung erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, wie viele Anzeigen überhaupt hereingekommen waren, was die Blattplanung schwierig machte, da der Anzeigenschluß im Sinne der Kunden zeitlich weit nach hinten verlagert wurde. Heute läßt sich der Umfang der Annoncen zu jedem Zeitpunkt der Produktion abfragen. Auch wenn dann noch nicht alle Anzeigen gesetzt sind, befinden sich Platzhalter im Umbruch.

Mehr Möglichkeiten hat der Verlag aber auch im Marketing bekommen. Bewährt hat sich neben der Einstufung von Anzeigenkunden mit besonderer Rabattierung das Angebot von Anzeigenkombis für verschiedene Verlagsprodukte. Daneben konnte die Steuerung der Anzeigenverkäufer verbessert werden. Über Auswertungen in der kaufmännischen Software erhält die Anzeigenakquise Hinweise auf nicht mehr aktive Kunden und kann gezielt nachhaken. Die Einbindung von Gestaltungsprogrammen in Journal ermöglicht das Setzen von Standardanzeigen bereits in der Anzeigenabteilung. Bei reinen Fließtexten für Kleinanzeigen übernehmen voreingestellte Makros automatisch die Formatierung. Die Chiffre- und Rubrikenverwaltung wird dabei ebenso berücksichtigt wie Plazierungswünsche und Mehrfachdispositionen.

Als nächsten Schritt plant die Verlagsleitung den weiteren Ausbau der Client-Server-Architektur zu einem Intranet, über das alle Arbeitsplätze miteinander kommunizieren. Der Journal-Job-Server wird dann den jeweiligen Jobstatus im Anzeigensatz mitführen. Vergleichbar einem "elektronischen Arbeitskörbchen" wird angezeigt, ob sich eine Anzeige in der Entwurfsphase befindet, die erste Korrektur beziehungsweise die anschließende Kundenkorrektur durchlaufen hat oder ob sie bereits ausbelichtet werden kann.

Der Verlag Rheingau Echo verspricht sich davon eine nochmalige Entzerrung der Druckvorstufe und ein Plus an Sicherheit bei der Ausbelichtung. Zusätzlich kann vom Satzbereich aus über den Kundendatensatz eine Voransicht der Anzeige am Bildschirm aufgerufen werden. Bereits heute erzeugt der Journal-File-Server PDF-Formate der fertigen Anzeigen, die zur späteren, eindeutigen Identifizierung archiviert werden. Die Mitarbeiter der Anzeigenabteilung sehen die gestalteten Anzeigen und nicht bloß die Auftragsdaten. Doch das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein: Die Anbindung ans Internet ist die nächste Stufe.

WORKFLOW

Das Mainzer System- und Softwarehaus Compass Informatik & Consulting GmbH hat sich seit seiner Gründung 1993 auf DV-Anwendungen für Verlagswesen, Handel und Dienstleistung spezialisiert. Im Vordergrund steht das Informations- und Workflow-Management-System "Journal" für Verlage mit umfangreichem Anzeigengeschäft. Das System basiert auf dem Datenbanksystem "Concept 16" von Vectorsoft, einer plattformunabhängigen relationalen Datenbank mit eigener 4GL-Sprache.

Die Rheingau Echo Verlags GmbH

Die Wochenzeitung "Rheingau Echo" mit einem Verbreitungsgebiet im hessischen Rheingau hat eine klare regionale Ausrichtung. Auf zirka 100 gehefteten Seiten im halben Berliner Format berichtet die Zeitung aus dem politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben des deutschen Riesling-Anbaugebiets. Neben überregionalen Nachrichten gibt es eigene Rubriken für acht Gemeinden, kirchliche Mitteilungen haben ebenso ihren Platz wie amtliche Bekanntmachungen und das örtliche Sportgeschehen. Das "Rheingau Echo" wird in einer Auflage von 13000 Exemplaren gedruckt, davon gehen 6000 an Abonnenten, der Rest wird im freien Verkauf über den Buch- und Zeitschriftenhandel vertrieben. Gedruckt wird die Zeitung bereits seit 1984 im Rollen-Offset. Neben der Rotationsdruckmaschine verfügt der technisch gutausgerüstete Verlag über eine Fünffarben-Bogenoffset-Druckmaschine. Hier werden Verlagsbeilagen und Fremdaufträge abgewickelt. Mit seiner Nischenstrategie konnte der 1970 gegründete Verlag in den vergangenen Jahren seine Marktposition im härter werdenden Wettbewerb erfolgreich behaupten. Stand zunächst ausgehend von Oestrich-Winkel die Vergrößerung des Verbreitungsgebiets für das "Rheingau Echo" im Vordergrund, streckte Hubert Lotz, seit 1994 Verleger, seine Fühler zunehmend nach dem nahegelegenen Mainz und dessen Umgebung aus. So wurde das Konzept im Oktober 1998 auf die ebenfalls wöchentlich erscheinenden Heimat-Zeitungen Hechtsheim/Laubenheim und Budenheim übertragen. Im August wurden weitere Ausgaben für Mainz-Mombach und -Weisenau lanciert.

Angeklickt

1990 brach für die hessische Wochenzeitung "Rheingau Echo" ein neues IT-Zeitalter an. In der Druckvorstufe lösten PCs mit Postscript-Software den Lichtsatz ab, die Redaktion arbeitete fortan mit "Redline", dem Redaktionssystem von Markstein Software. Im Jahr 1995 optimierte die Verlagsleitung mit dem Ganzseitenumbruch am Bildschirm die Druckvorstufe weiter. Im kaufmännischen Bereich sorgte das computergestützte Anzeigen-Management "Journal" von Compass für mehr Effizienz. Die Vernetzung der Verlagsbereiche und die Integration der verschiedenen Softwaresysteme schuf im Jahr 1998 schließlich durchgehende Querverbindungen zwischen Blattplanung, Redaktion, Anzeigenverwaltung, Buchhaltung und Produktion. Anfang dieses Jahres wurden ergänzend die Journal-Module Abonnentenverwaltung, Versand und Vertrieb mit Trägerzustellungsbereich umgesetzt.

* Michael Gamisch ist Chefredakteur in der Rheingau Echo Verlags GmbH.*