Zwist zwischen Intel und Sun gefährdet Server-Strategie

Streit um Solaris bedroht Siemens-Pläne

25.02.2000
MÜNCHEN (wh) - Intel will sein Engagement für das Unix-Derivat Solaris auf IA-64-Prozessoren deutlich zurückfahren. Die Zukunft des Sun-Betriebssystems auf Intel-Rechnern steht damit in den Sternen. Für Fujitsu-Siemens, das seine Server-Strategie auf Solaris und IA 64 ausgerichtet hat, könnte dies weitreichende Konsequenzen haben.

Zuerst klang Paul Otellini einfach nur verärgert. Suns Bemühungen, Solaris auf die IA-64-Architektur zu portieren, ließen zu wünschen übrig, antwortete er auf die Frage eines Journalisten nach dem Stand der gemeinsamen Entwicklungsarbeiten. Die McNealy-Company halte ihre diesbezüglichen Versprechungen nicht ein. Dann ließ der General Manager von Intels Architecture Business Group die Katze aus dem Sack: Intel werde die vertraglichen Verpflichtungen mit Sun erfüllen, aber: "Wir werden unsere Bemühungen auf andere Bereiche konzentrieren."

In das gleiche Horn stieß Stephen Smith, General Manager von Intels 64-Bit-Programm. Intel werde zwar Solaris auf den "Itanium"-Prozessoren, der ersten Implementierung der IA-64-Architektur, weiterhin unterstützen. Die dafür eingesetzten Ressourcen würden aber "dramatisch heruntergefahren".

Kommt es zum Bruch zwischen Intel und Sun, hätte dies nicht nur für die Beteiligten weitreichende Konsequenzen. Für Fujitsu-Siemens wie auch für die US-amerikanische NCR stünde die gesamte Unix-Server-Strategie in Frage.

Bereits im Frühjahr 1998 hatte die damalige Siemens-Nixdorf angekündigt, ihre Server-Linien mit Mips-Prozessoren unter dem eigenen "Reliant Unix" auf Intels IA-64-Technik und Solaris umzustellen.

An dieser Strategie wollte auch das Joint Venture Fujitsu-Siemens festhalten. Einzige Änderung: Für das Hochleistungssegment, in dem die Mips-basierten Maschinen nicht mithalten können, bedient sich das Gemeinschaftsunternehmen einer von Fujitsu enwickelten Sparc-kompatiblen Prozessorarchitektur unter Solaris.

Bernd Puschendorf, Sprecher der Geschäftsführung von Fujitsu-Siemens, bemüht sich, die jüngsten Entwicklungen herunterzuspielen: "Das kam für uns nicht überraschend. Es hat ja schon länger ziemlich gekracht zwischen Intel und Sun." Fujitsu-Siemens sei darauf vorbereitet. "Wir sind froh, dass wir Alternativen haben", so Puschendorf.

Siemens-Manager geben sich gelassen

Marketing-Chef Joseph Reger gibt - zumindest im Gespräch mit der CW - ebenfalls Entwarnung. "Uns trifft diese Situation nicht so stark, weil wir mit der "GP7000F"-Familie erst einmal einen Unix-Server mit Solaris und Sparc haben." Die bereits auf der CeBIT gezeigten Itanium-Systeme seien im unteren Leistungsspektrum angesiedelt, wo ohnehin vorwiegend Windows eingesetzt werde. Für große Enterprise-Server ab 32 Prozessoren habe man zudem den Itanium-Nachfolger McKinley vorgesehen. Dieser werde noch etwa zwei bis drei Jahre bis zur Marktreife brauchen. Reger: "Bis dahin kann noch viel passieren, auch im Verhältnis zwischen Sun und Intel."

Auch Puschendorf empfiehlt, Solaris auf Intel "nicht zu früh abzuhaken". Von Seiten Suns gebe es Bemühungen, die Arbeiten zu Solaris auf Intel eventuell auszulagen. Dadurch würde die Konkurrenz zu Intel entschärft. Im Extremfall könne man sich aber auch eine Zukunft ohne Solaris auf Intel vorstellen. Fujitsu-Siemens habe auch für Intel eine Linux-Strategie entworfen.

Für Michael Schroeder, Leiter Produkt-Marketing Zentraleuropa bei der deutschen Sun-Dependance in Grasbrunn, ist das Thema noch längst nicht vom Tisch. "Tatsache ist, dass wir den Support aufrechterhalten." Dies gelte auch für den Itanium-Nachfolger McKinley. Schroeder räumt ein, dass sich die Verträge mit Intel gegenwärtig nur auf den Itanium beziehen, nicht aber auf nachfolgende Prozessoren. "Es ist aber absolut im Interesse Suns, dies fortzuführen." Eine eventuelle Auslagerung der Solaris-Intel-Aktivitäten kann sich der Manager vorstellen: "Das ist eine Möglichkeit."

Die Motive für Intels Verhalten sind vielschichtig. Die geringe Marktbedeutung von Solaris auf Intel-Prozessoren dürfte für den Halbleiterkonzern nicht gerade ermutigend sein. Auch die Konkurrenzsituation mit dem Prozessor- und Server-Hersteller Sun spielt für Intel eine Rolle. Von Bedeutung ist darüber hinaus die enge Partnerschaft mit Microsoft. Der neue CEO Steve Ballmer hat Windows 2000 ausdrücklich gegen den Erzrivalen Sun positioniert.