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Streit um Gesundheitskarte hält an

01.10.2004

Nachdem es den Krankenkassen, Kliniken, Ärzte- und Apothekerverbänden nicht gelungen ist, dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziales fristgerecht eine einstimmig beschlossene Lösungsarchitektur für die Gesundheitskarte vorzulegen, schieben sich die beteiligten Parteien gegenseitig den Schwarzen Peter zu. So kritisierten Vertreter des Bitkom, dass die Planungen der Regierung sowie der in der Selbstverwaltung organisierten Verbände des deutschen Gesundheitswesens mangelhaft gewesen seien. Daher könnte sich die für Anfang 2006 geplante Einführung der Karte verzögern. Die dringend benötigte Zeit werde für politische Interessensspiele gebraucht, monierte Martin Praetorius, Leiter des Arbeitskreises eHealth beim Bitkom, gegenüber dem Handelsblatt.

Innerhalb der Selbstverwaltung will niemand die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen übernehmen. Ärzte und Apotheker werfen den Krankenkassen vor, wichtige Unterlagen über den Lösungsvorschlag erst kurz vor dem Ablaufen der Frist erhalten zu haben. Dies sei jedoch zu kurz für eine eingehende Prüfung gewesen, erklärten Vertreter der Ärzteorganisationen. Wenige Tage zuvor hatte Udo Barske, Sprecher des AOK-Bundesverbandes, den Apothekern vorgeworfen, mit ihren Vorschlägen das gesamte Konzept der Karte in Frage zu stellen. Der Streit dreht sich vor allem darum, wo die Patientendaten gespeichert werden sollen. Während Ärzte und Apotheker fordern, die Informationen auf der Karte abzulegen, favorisieren die Kassen und Krankenhäuser eine Server-zentrierte Speicherstrategie.

Wie es mit dem auf ein Kostenvolumen von 1,8 Milliarden Euro geschätzten Projekt weitergeht, ist derzeit nicht abzusehen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt äußerte sich enttäuscht über das Versagen der Selbstverwaltung, vermochte jedoch bislang keinen Plan für das weitere Vorgehen zu präsentieren. Das Ministerium könnte auf den umstrittenen Vorschlag der Selbstverwaltung zurückgreifen beziehungsweise dem Gremium eine Fristverlängerung für eine Einigung gewähren. Alternativ haben die Politiker die Möglichkeit, selbst im Rahmen einer Ersatzvornahme Spezifikationen für die Gesundheitskarte festzulegen. Insidern zufolge liegt die fertigen Ministeriumsvorgaben bereits in den Schubladen des verantwortlichen Staatssekretärs. Basis dafür seien die Arbeiten des Konsortiums Bit4health, das im Auftrag des Ministeriums eine Rahmenarchitektur entwickelt hatte. Diesem Konsortium

gehören unter anderen IBM, SAP und der Chipkartenhersteller Orga an.

Experten warnen die Politiker jedoch davor, über die Köpfe der Gesundheitsinstitutionen hinweg zu entscheiden. Ohne deren Kooperation sei das Projekt zum Scheitern verurteilt. Außerdem bestehe die Gefahr, dass das Projekt im Rahmen einer zentralen Ausschreibung an nur einen Anbieter oder ein einzelnes Konsortium vergeben werde. Damit könne ein ähnliches Desaster wie bei der Einführung der LKW-Maut drohen. (ba)