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Streik bei der Telekom - Lange Leitung für die Kunden

27.04.2007
Die Kunden der Deutschen Telekom müssen sich in den kommenden Wochen auf Störungen beim Service einstellen. Mit gezielten Streiks will die Gewerkschaft ver.di Teile des Betriebs lahm legen und damit dem Unternehmen weitere Zugeständnisse im Konflikt um die Auslagerung von rund 50.000 Mitarbeitern abringen.

In fünf Verhandlungsrunden und unzähligen informellen Gesprächen erzielten die Tarifparteien keine Einigung, die Gespräche über den Konzernumbau gelten als gescheitert. Ver.di-Chef Frank Bsirske spricht nun unverhohlen von Streik: "Der Fehdehandschuh ist hingeworfen vom Vorstand des Unternehmens". Die Gewerkschaft nehme diesen auf und gehe in den Arbeitskampf, kündigt er in Bamberg an.

Auch die Telekom rüstet sich für einen längeren Konflikt. Der Streit um den Konzernumbau werde wohl "mehrere Wochen" dauern, erwartet Vorstandschef René Obermann. Er bekräftigte zugleich, dass er sich auch bei einer Ausweitung der Streiks nicht von seinem Kurs abbringen lasse. Mit der Auslagerung der Beschäftigen in den neuen Bereich T-Service will Obermann die Kosten senken und gleichzeitig die Servicequalität verbessern. Bis dieser "Spagat" wirklich klappt, dauere es rund anderthalb Jahre, sagt er. So lange braucht es, bis die betroffenen Mitarbeiter nach seiner Schätzung die Lohnabschläge verdaut haben. Und die sind happig: Neun Prozent weniger Gehalt und dabei mindestens vier Stunden länger arbeiten, lautet die Forderung der Telekom. Für die Gewerkschaften "vollkommen inakzeptabel", wie ver.di-Verhandlungsführer Lothar Schröder bekräftigt.

Schon bei seinem Amtsantritt im November wusste Obermann, dass sein neuer Job kein Spaziergang wird. Die Probleme beim größten europäischen Telekomkonzern sind dazu zu vielschichtig. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Bundesregierung, die über die Regulierung den Kundenabfluss bei der Festnetzsparte T-Com forciert und sich gleichzeitig als Großaktionär immer wieder in die Unternehmensführung einmischt. So betrieb der Bund die Ablösung von Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke, dem der Verlust von zwei Millionen Festnetzkunden in Deutschland angelastet wurde. Die Telekom musste wegen der Kundenerosion ihre Prognose zwei Mal innerhalb weniger Monate senken.

Mit T-Service glaubt Obermann die Lösung gefunden zu haben, um die Kosten in den Griff zu bekommen und die Umsätze mittelfristig zu stabilisieren. Durch die Lohnabschläge soll zudem der massenhafte Abbau von Arbeitsplätzen beendet werden. Die Gewerkschaft begrüßt die geplante Jobsicherung, allerdings sieht sie mit den Einschnitten bei den Gehältern die Tariflandschaft in Gefahr. Nach Berechnungen von ver.di-Vorstand Schröder würden die T-Service-Mitarbeiter nur noch rund sieben Euro die Stunde erhalten - weniger als der von ver.di geforderte Mindestlohn von 7,50 Euro. "Dies ist nicht mit uns machbar."

Am kommenden Freitag soll die Große Tarifkommission von ver.di die Durchführung der Urabstimmung beschließen. Sollten dann 75 Prozent der Mitarbeiter zustimmen, droht der Telekom die größte Auseinandersetzung seit der Privatisierung im Jahr 1995. "Der Betriebsablauf wird dann erheblich gestört", sagt ein ver.di-Sprecher. Auch wenn die Gespräche festgefahren sind, eine Lösung des Konflikts bleibt möglich. Im Umfeld der Verhandlungen wird damit gerechnet, dass die Tarifparteien spätestens beim Streik wieder in Verhandlungen treten werden. "Klar ist, beide Seiten wollen eine Einigung. Die Frage ist nur, zu welchem Preis." Unter dem Streik leiden werden zunächst einmal die Kunden. Deren Treue wird durch langes Warten in den Leitungen der Callcenter und in den T-Punkten sicherlich nicht gestärkt. (dpa/tc)