Strategischer USG-Geschaeftsbereich gegruendet Kritiker von Novell sehen Offenheit von Unix gefaehrdet

23.07.1993

MUENCHEN (gfh) - Novell fasst seine Unix-Unternehmungen unter dem organisatorischen Dach der neugegruendeten Unix Systems Group (USG) zusammen. Dabei weckt der Netzspezialist Befuerchtungen, das als Inbegriff von Offenheit geltende Unix zu einem proprietaeren Betriebssystem machen zu wollen.

"Es wird nicht mehr fuer jedermann Zugang zum Sourcecode geben", zitiert der englische Informationsdienst "Unigram.X" Jack Blount, Novells Vice-President Strategic Development. Die Briten deuten diese Aussage als einen Hinweis darauf, dass Novell dem inzwischen als USG-Unterabteilung einverleibten Unix-Lizenzgeber Unix System Laboratories (USL) eine neue Lizenzpolitik aufzwingen will.

Zur Verunsicherung der Branche traegt auch die Novell-Ankuendigung bei, es solle kuenftig nur noch eine einzige, auf dem hauseigenen Unixware-Produkt basierende "Binary reverenz" des Unix- Betriebssystems geben.

Wolfgang Kitza, Europamanager Unix bei Novell, nennt solche Aeusserungen irrefuehrend. Es sei allerdings richtig, dass Novell kuenftig moeglichst viele Binaer- und moeglichst wenig Sourcecode- Lizenzen verkaufen will. Dabei sei es natuerlich nicht moeglich, OEMs wie Sun Microsystems den Zugang zum Sourcecode zu verwehren. Die OEMs sollen allerdings "ermuntert" werden, moeglichst wenig Veraenderung am Sourcecode vorzunehmen.

Generell zielt die Gruendung des neuen Geschaeftsbereiches laut Novell-Chef Ray Noorda "auf die Vereinheitlichung von Unix auf der Basis einer verbindlichen Implementation". Deshalb sollen die verschiedenen Unix-Produkte unter dem organisatorischen Dach der USG gesammelt und zu einem spaeteren Unixware-Produkt vereint werden, dessen konkrete Gestalt laut Kitza jedoch noch nicht feststeht.

Konkret wird die USG sowohl fuer die Unix-faehigen Netzwerkprodukte von Novell zustaendig sein als auch fuer das PC-Unix von Univel und die Softwarepalette der Unix Laboratories, die vom Unix-V.4- Betriebssystem bis zu der OLTP-Umgebung

Tuxedo reicht.

Entgegen den Meldungen von "Unigram.X" ist laut Novell keine Verschmelzung der drei Bereiche beabsichtigt. Das Unternehmen legt grossen Wert auf die Feststellung, dass USL und Univel innerhalb des neuen Geschaeftsbereiches als eigenstaendige Einheiten erhalten bleiben.

USL-Chef Roel Pieper und Univel-CEO Joel Appelbaum sollen in ihren bisherigen Positionen verbleiben und darueber hinaus zur Fuehrungsriege der USG gehoeren, die von Novell-Vice-President und Unix-Guru Kanwal Rekhi geleitet wird. Fuer die Netzwerkprodukte der USG zeichnet Robert Davis, Vice-President und General Manager Unix Products, verantwortlich.

Diese Verfahrensweise erscheint insofern zwingend, als die kuerzliche USL-Uebernahme durch Novell fuer die Industrie nur deshalb akzeptiert wurde, weil die Netzwerker versprochen hatten, die USL als Unix-Lizenzgeber weitgehend unangetastet zu lassen. So fungiert das Unternehmen auch als Novell-Tochter weiterhin als alleiniger Unix-Lizenzgeber und bleibt auf herstellerunabhaengige Unix-Entwicklungen verpflichtet. "Aenderungen am Lizenzierungsverfahren wird es nicht geben", spielt Unix-Manager Kitza die Folgen der Restrukturierung herunter.

Trotz dieser Bestandsgarantie sollen jedoch laut Kitza alle drei USG-Bereiche Novell-intern wie Produktabteilungen behandelt werden. Diesen obliegen lediglich Entwicklung, Marketing und Communications. Personalpolitik, Unternehmensorganisation und Vertrieb gehoeren in den Verantwortungsbereich der Konzernmutter. Inwieweit sich dieses Verfahren auch bei der formal eigenstaendigen USL durchfuehren laesst, kann Kitza nicht sagen.

Bei Univel, dem gemeinsamen Unternehmen von USL und Novell, schlagen die Folgen der Eingliederung schon jetzt durch. So mussten die Unix-Lizenzgeber ihre Univel-Anteile an die Konzernmutter abtreten, die nun das Unixware-Unix unter ihrem Namen vermarktet.

Die Gruendung der USG hat aber auch zur Folge, dass Roel Pieper zwar offziell USL-Chef bleibt, de facto aber zum Unterabteilungsleiter in der Novell-Hierarchie degradiert wird. Noch haerter trifft es Joel Appelbaum, dessen Unternehmen zudem die rechtliche Eigenstaendigkeit verliert. Von personellen Konsequenzen der USG-Gruendung weiss Kitza eigenen Angaben zufolge nichts.

Laut "Unixgram.X" hocken die Anwaerter auf Piepers Position allerdings bereits in den Startloechern. Als aussichtsreichen Kandidaten nennt das Blatt den USL-Vize Mike DeFazio. Ausgeloest wurden die Spekulationen um die Unix-Manager bei Novell durch ein Statement von Rehki, wonach Appelbaum und Pieper an der Unternehmensspitze "nicht tragbar" seien, weil sie "keine Novell- Leute sind".