Strategien gegen das E-Mail-Chaos

08.05.2006
Von Andreas Essing
Das weltweite E-Mail-Aufkommen wächst ins Unermess- liche. IDC veranschlagt die Zahl der elektronischen Nachrichten im letzten Jahr auf rund 35 Milliarden pro Tag. Und die Unternehmen? Viele von ihnen drohen in dieser steigenden Flut zu ertrinken.

Von Andreas Essing*

Vorteile einer E-Mail- Bereinigung auf Exchange

• Beschleunigt die Sicherung persönlicher Ordner-Dateien auf den Datei-Servern;

• verkürzt Backup-Zeiten;

• verschafft Mitarbeitern mehr Überblick innerhalb ihrer Exchange-Ordner;

• beschleunigt ihre Rechercheprozesse.

E-Mail-Speicherkosten

Einschließlich der Betriebskosten kostet derzeit ein Gigabyte:

60 Euro auf Online-Platten

40 Euro auf Offline-Platten

15 Euro auf Bandspeicher

Virtueller Mail-Storage

Die Speicher-Virtualisierung im E-Mail-Umfeld bringt folgende Vorteile:

• Alle bestehenden Speichermedien können kostensparend konsolidiert werden;

• sämtliche verfügbaren Speicherressourcen stehen allen E-Mail-Servern zum Zugriff bereit und werden dadurch optimal ausgenutzt;

• die gesamte E-Mail-Datenhaltung wird für die Administratoren unternehmensweit transparent;

• Backup und Restore von E-Mail-Daten, beispielsweise auf Band oder WORM-Kassetten, lassen sich nahtlos in die Speicherinfrastruktur integrieren.

Für Unternehmen aller Branchen birgt der tägliche Nachrichtenfluss über E-Mail nicht zu unterschätzende Risiken. Das beginnt bei Dateianhängen, die im PDF-, XLS- oder PPT-Mantel wichtige geschäftliche Informationen enthalten. Darüber hinaus unterliegen immer mehr Schriftstücke rechtlichen Auflagen. Ihnen muss das Unternehmen mit verbindlichen Archivierungs- und Informationspflichten nachkommen. So ziehen beispielsweise steuerrechtlich relevante Inhalte und Dokumente, die digital bearbeitet werden, eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren nach sich. Richtlinien wie GoBS (Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme) und GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) schreiben für die E-Mail-Datenhaltung weitere verbindliche Verhaltensweisen vor. Sofern ein Unternehmen an einer US-Börse notiert ist oder seine Produkte oder Dienstleistungen über eigene Niederlassungen im US-Markt absetzt, sind zusätzliche Regelungen zu beachten. Durchsichtige Kontrollstrukturen und -abläufe rund um die E-Mail-Kommunikation und -Bearbeitung sind hier unabdingbar. Geschuldet ist das dem berühmt-berüchtigten Sarbanes Oxley Act (SOX), demzufolge geschäftskritische Korrespondenz jederzeit für externe Prüfer transparent und nachvollziehbar sein muss.

Anhänge als Speicherfresser

Kostenersparnis sowie eine bessere Informationsqualität sind weitere Gründe, die für das konsequente Eindämmen der E-Mail-Lawine sprechen. Elektronische Nachrichten belegen teuren Speicherplatz - und zwar vor allem durch die Anhänge. Im Schnitt verschwenden die Beigaben 90 Prozent der persönlichen Postfächer. Ein weiteres Problem stellen mehrfache Versionen dar: Da E-Mails und Anhänge oft in mehreren Kopien innerhalb unterschiedlicher Ordner sowie auf Servern abgelegt werden, kämpfen viele Nutzer im schnelllebigen Tagesgeschäft mit unterschiedlichen Aktualitätsständen. Zu alledem zwingen integrierte, Workflow-basierende Lösungen die Unternehmen, ihre elektronischen Nachrichten und Attachments zu konsolidieren, damit jederzeit an den richtigen und aktuellen Dateien gearbeitet werden kann.

Gebannt werden kann das E-Mail-Chaos nur, indem das Unternehmen auf zwei Ebenen handelt: erstens auf der Speicherebene und zweitens auf der Informationsebene durch eine professionelle E-Mail-Archivierung. Orientiert man sich an den Marktgegebenheiten, dann sind Lösungsszenarien vornehmlich im Umfeld von Exchange und Outlook gefragt. Immerhin gilt diese Kombination mit etwa 80 Prozent der Einsatzfälle als verbreitetste E-Mail-Lösung in Unternehmen. Um E-Mails und Anhänge effizient zu speichern, bietet sich eine Kombination aus mehreren Speicherkonzepten an: Als Optionen gelten Online-Speicher auf den Festplatten des Servers, Nearline-Speicher auf externen Festplatten sowie Offline-Speicher auf Backup-Medien wie Band oder WORM (Write Once, Read Multiple). Bewährt hat sich hierbei ein virtuelles Storage-Konzept. Es kann über ein SAN (Storage Area Network) oder, mit Blick auf die E-Mail-Speicherung und -Archivierung, auf eine Kombination aus SAN und NAS (Network Attached Storage) umgesetzt werden.

Das Daten-Gesamtkonzept zählt

Nicht ratsam ist die Einführung eines virtuellen Speicherkonzepts jedoch für die alleinige Speicherung von E-Mails und Attachments. Hier sollte unbedingt zunächst die Rentabilität einer Investition in eine komplexe SAN- und NAS-Speicherinfrastruktur zuzüglich des Projektaufwands ermittelt werden, und das möglichst im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung der Dateninfrastruktur. Dafür gilt folgende Faustregel: Der zu erwartende Gesamtdatenbestand sollte für eine SAN-orientierte Installation größer als 2 Terabyte sein, um von einem vertretbaren RoI (Return on Investment) ausgehen zu können. Alternativ bieten sich für ein Unternehmen zwei Alternativen:

- eine reinrassige NAS-Installation aufzubauen;

- oder die bestehende Speicherinfrastruktur, möglichst optimiert, beizubehalten,

um darauf mit einer professionellen E-Mail-Archivierung aufzusetzen. NAS basiert auf der klassischen Datei-Server-Architektur und bewegt den Speicherverkehr über das installierte LAN (Local Area Network). Nicht nur E-Mail- und File-Server mit ihren internen oder externen Plattensystemen, sondern auch Datenbanken können darin integriert werden.

Defizite bei Exchange

Microsofts E-Mail-Server Exchange stellt selber nur rudimentäre Möglichkeiten zur E-Mail-Bestandsbereinigung bereit. So fehlt ihm bis heute ein vernünftiges Ablagekonzept für Public-Folder und Mailboxen, mit dem die Anwender einfach umgehen können. Genau hier wäre aber der Ansatzpunkt, um den Wildwuchs an E-Mail-Datenbeständen von Anfang an zu lichten - als ersten Schritt zu einer professionellen E-Mail-Archivierung. Allein über diese Konsolidierungsmaßnahme sind Hardware-Einsparungen bei Speichersystemen und Servern von 50 bis 80 Prozent möglich. Ein weiteres Hindernis ist, dass intern keine zentralen Vorgaben hinterlegt werden. Diese sind aber sowohl mit Blick auf die rechtlichen als auch die internen Revisionsauflagen notwendig. Unter anderem müssen nämlich E-Mails mit bestimmten Auftragsnummern oder Nachrichten abhängig vom Adressaten oder Empfänger automatisch archivierbar sein.

Um Struktur in die künftige E-Mail-Archivierung rund um Exchange/Outlook zu bringen, ist es weiter notwendig, die vielen dezentralen Ordner an den Arbeitsplätzen, die am Server lagernden Mail-Bestände sowie die elektronischen Archive zu sichten und auf Datenredundanz abzuklopfen. Aus Sicht des Unternehmens als redundant und somit überflüssig sind auch die privaten Nachrichten und Dateien in den persönlichen Exchange-Ordnern zu betrachten. Nach Schätzung von Analysten belegt dieser firmenfremde Ballast mittlerweile mehr als 20 Prozent des gesamten E-Mail-Bestands in den Unternehmen. Nebenbei belasten private E-Mails und Anhänge das Netzwerk und die Verarbeitung auf den File- und Backup-Servern. Eine konsequente Bereinigung redundanter E-Mails und vor allem Anhänge trägt dazu bei, den Speicherbedarf drastisch zu reduzieren, damit die Speicherkosten zu senken. Zudem hilft es, klare Grundstrukturen sowie Aktualitätsstände für die anvisierte professionelle E-Mail-Archivierung zu schaffen.

E-Mail-Archivierungssysteme für das Exchange-Umfeld werden mittlerweile von zahlreichen Anbietern offeriert. Üblicherweise erschließen sie neben Attachments auch die Dateien von File-Services. Die zentrale Verfahrensweise solcher Systeme lässt sich wie folgt beschreiben: Sie lagern platzraubende Anhänge in vordefinierten Intervallen automatisch auf kostengünstigere Speichermedien wie Offline-Festplatten, Bänder oder WORM-Medien aus. Gerade für E-Mails und Anhänge mit rechtsverbindlichem Charakter ist WORM zur Langzeitarchivierung die erste Wahl. Aufgrund der Tatsache, dass die Dateien darauf schreibgeschützt lagern, sind sie immun gegenüber nachträglichen Änderungen oder Löschungen und damit revisions- und prüfsicher.

Transparente Auslagerung

Aus Sicht des Anwenders ist die Auslagerung der E-Mail-Daten transparent, das heißt, er muss seine Arbeitsweise nicht ändern. Das System erzeugt anstelle der Originaldaten selbsttätig eine Referenz zum Speicherort, über diese können die Mitarbeiter die gesuchten elektronischen Nachrichten und Anhänge fast so schnell am Bildschirm einblenden, als würden sie sich in ihren persönlichen Exchange-Ordnern befinden. Auch eine ereignis- oder zeitgesteuerte Einblendung ist über E-Mail-Archivierungssysteme möglich, sofern es eine Workflow-orientierte DMS-(Document-Management-System-)Komponente bietet. In diesem Fall können E-Mail-Daten automatisch in Bearbeitungsprozesse eingesteuert werden. Vorgänge werden von den zuständigen Sachbearbeitern nicht mehr vergessen, ihre Arbeitseffizienz steigt. Leistungsfähige Lösungen beinhalten zusätzlich auch eine Klassifizierung und Indexierung von E-Mail- und Attachment-Inhalten. Mit Hilfe einer Klassifizierung werden immer die richtigen Inhalte an den richtigen Folgebearbeiter durchgereicht. Eine Indexierung schließlich bildet die Basis für schnelle Recherchen in den E-Mail- und Anhang-Beständen - unabhängig vom Speichermedium, auf dem sie liegen.

Die Welle rollt weiter

Die Einführung einer geeigneten virtuellen Speicherinfrastruktur als Basis für eine professionelle E-Mail-Archivierung ist für das Gros der Unternehmen unausweichlich. Aus Gründen der Kosten, der Informationsqualität sowie rechtlicher Gegebenheiten spricht einiges dafür, rechtzeitig in dieser Richtung aktiv zu werden. Schon sind die nächsten Wellen abzusehen, mit denen sich die Ausgangssituation für die Unternehmen weiter verschärfen wird. Auf dem Wege der Sprach-/Daten-Wandlung (Unified Messaging) werden zusätzliche, teils revisions- und prüfpflichtige Dateien entstehen, die über E-Mails in Bearbeitungsprozesse einfließen werden. Darüber hinaus entstehen beim Document-Sharing im Rahmen von Online-Collaboration weitere Dateien dieser Kategorien. Ohne entsprechende Infrastrukturmaßnahmen mit geordneten Abläufen und Versionierung bilden sich hier neue Formen des Datenwildwuchses.

*Andreas Essing ist Leiter Messaging und Directory Solutions bei Siemens Business Services in München.