Stratege sein: Nicht ohne mein Budget

27.08.2003
Von Katharina Friedmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - DV-Ausgaben außerhalb der IT-Abteilung nehmen zu. Gartner-Prognosen zufolge gipfelt das Abwandern der IT-Budgetverantwortung in andere Unternehmensbereiche gegen Ende dieses Jahrzehnts im strategisch orientierten "Zero-Budget-CIO". Deutsche Chief Information Officers können sich diese Rolle vorstellen - allerdings nicht ohne eigenen Haushalt.

Nach einer Erhebung von Gartner wurden im vergangenen Jahr etwa 37 Prozent der DV-bezogenen Investitionen außerhalb der IT-Abteilung getätigt. 2005 soll der Anteil "fremdgesteuerter" Technikausgaben bereits gut die Hälfte ausmachen. "Gegen Ende dieses Jahrzehnts dürfte der IT-Chef tatsächlich zum ,Zero-Budget-CIO' werden", schlussfolgert John Mahoney, Vice President und Research Director bei Gartner. Grundsätzlich erachtet der Experte die sich abzeichnende Verlagerung der Budgetkontrolle aus dem unmittelbaren Verantwortungsbereich des CIO als positiv - vorausgesetzt, es handle sich dabei dabei um eine bewusst angewandte Firmenstrategie, die Technik als "Business Enabler" berücksichtige.

Auf Seiten der IT-Chefs erfordert die neue Mittellosigkeit nach Ansicht der Gartner-Experten allerdings ein Umdenken. "Die große Herausforderung für den CIO wird darin bestehen, sich von der bisherigen Machtquelle ,Geld' zu verabschieden und in Richtung ,Thought-Leadership' zu bewegen", fasst Mahoney die in seinen Augen notwendige Rollenanpassung zusammen. Der Zero-Budget-CIO, den der Gartner-Visionär insbesondere in großen, weltweit agierenden Unternehmen heranreifen sieht, werde seinen Wert demnach weniger über das Management großer Budgets oder Mammut-Teams als vielmehr durch proaktives Mitwirken bei der Strategieentwicklung auf Group- und Holding-Ebene zum Ausdruck bringen. Hierbei zieht Mahoney Parallelen zum heutigen Chief Financial Officer (CFO): Nicht selten bereits im Topmanagement angesiedelt, herrsche dieser in der Regel weder über große Geldsummen noch umfangreiche Mannschaften, nehme aufgrund seiner aktiven Rolle bei der Definition von Finanzstrategien aber eine Machtposition im Unternehmen ein.

Profilierung als Topmanager

Um jedoch mit dem eigenen Etat nicht auch die Gestaltungsmöglichkeiten einzubüßen, empfiehlt Gartner dem IT-Lenker von heute, sich um seine Glaubwürdigkeit und die firmenweite Akzeptanz als Topmanager zu bemühen. Andernfalls, so die Berater, riskierten Firmen, die Kontrolle über die eigene IT-Strategie zu verlieren. Damit ginge die im Zeitalter der vernetzten Ökonomie unerlässliche Verschmelzung der IT mit den jeweiligen unternehmerischen Zielen unweigerlich verloren.

Im Hinblick auf ihr Selbstverständnis sind die IT-Chefs hierzulande auf einen Wandel gut vorbereitet. Die von Gartner propagierte übergeordnete und aktiv-strategische Rolle des CIO ist für das Gros der IT-Verantwortlichen bereits Realität. Nur können sie sich nicht vorstellen, dieser Funktion ohne eigenen Haushalt gerecht zu werden: Eine IT-Abteilung ganz ohne Budget halten sie für handlungsunfähig.

Claus-Peter Gutt nennt die Dinge beim Namen: "Die Budgetverantwortung ist das entscheidende Instrument, wenn es um die Führung und Steuerung der Gesamt-IT geht - denn letztendlich dreht es sich um Geld." Gutt zeichnet bei der zur Ergo-Gruppe gehörigen Victoria Versicherung AG, Düsseldorf, für die Bereiche Personal, Betriebsorganisation, Informationssysteme, Zentraler Einkauf und Logistik sowie allgemeine Verwaltung verantwortlich.

Ohne die Kontrolle über entsprechende Finanzmittel sei eine Management-Funktion an der IT-Spitze überflüssig, so der Victoria-CIO, der als Mitglied des Vorstands an den Aufsichtsrat berichtet. Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage zählt Gutt die proaktive Steuerung der Infrastrukturkosten, die seinen Angaben zufolge im Schnitt 75 Prozent aller IT-Aufwendungen ausmachen, zu seinen Primäraufgaben. Diese sei stets mit Standardisierungsmaßnahmen verbunden und daher nur mit dem entsprechenden Etat zu bewerkstelligen, so der IT-Chef.

Der von den Marktforschern ausgemachte Trend stellt für Gutt ein bekanntes Phänomen dar. "Derartige Wellenbewegungen zwischen einer Dezentralisierung der Budgetverantwortung - also Fachbereichen, die ihre IT-Leistung selbst einkaufen - und einer entsprechenden Zentralisierung gab es schon immer", relativiert der CIO die Gartner-Aussagen. So sei beispielsweise auch in seinem Unternehmen in den 80er Jahren eine Tendenz zur "individuellen" Datenverarbeitung, kurz: IDV, aufgekommen. Zunächst mit großem Enthusiasmus verfolgt, sei dieser Ansatz jedoch aufgrund der damit einhergehenden Kostennachteile wieder verworfen worden. "Daraufhin hat man die Zentralkompetenz wieder stärker ausgebaut", erinnert sich Gutt.