MÜNCHEN (CW) - Mit langfristigen Ankündigungen nach Art der IBM versucht die Storage Technology Corp. (Storagetek) Big Blue den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wenige Tage, bevor IBM mit einer Familie von automatischen Kassettenarchiven auf den Markt kommt, kündigt Storagetek eine Erweiterung des Angebots an.
Allerdings unterscheiden sich die Zielrichtungen beider Anbieter erheblich. Storagetek baut das Angebot in Richtung kleinerer Archivsysteme aus, während die IBM hinsichtlich Fassungvermögen wie Raumbedarf einen Hang zur Größe erkennen läßt.
Storagetek kündigt die automatischen Tape-Archive 9350 ACS ("Timberwolf") und 9360 ACS ("Wolfcreek") an, die 500 beziehungsweise 1000 Kassetten fassen sollen. Timberwolf wird voraussichtlich im vierten, Wolfcreek im dritten Quartal nächsten Jahres zu kaufen sein. Eine Timberwolf-Anlage läßt sich auf die Kapazität des Wolfcreek-Systems ausbauen.
Big Blue hat die Großkunden im Visier
In beiden Systemen soll die Wechselzeit für Bänder um die Hälfte reduziert sein, rund 350 Wechsel pro Minute seien möglich. Dies gestatte ein neuer Zugriffs-Roboter in "H-Arm"-Design, dessen duale Handmechanismen und extrem massearme Bauweise die schnellen Zugriffszeiten bringt.
Der neue Tape-Roboter findet sich auch in der dritten Ankündigung von Storagetek wieder, beim Archivsystem 9310 ACS ("Powderhorn"). Hierbei handelt es sich im wesentlichen um das ältere System 4400 ACS, das 6000 Kassetten aufnehmen kann. Im neuen Modell werden nun 350 Tape-Wechsel pro Minute möglich; die halb so schnellen 4400 ACS lassen sich nachrüsten. Powderhorn ist für das erste Quartal 1993 angekündigt. Sofort erhältlich ist das "Extended Store Archive", eine Ausbaueinheit zum 4400 ACS. Diese bringt die 6000 Kassetten, die in ihr Platz haben, nicht direkt auf angeschlossene Bandlaufwerke, sondern reicht sie zur 4400 ACS durch. Gedacht ist die Erweiterungseinheit vor allem für Bänder, die nur selten angefordert werden. Bei normaler Anforderungsrate würde das Zusatzgerät die Leistung der Basiseinheit stark reduzieren.
Von wesentlicher Bedeutung ist für Storagetek ein neues Release 1 2 der Software "Expert Library Manager" (Exlm), welche den Archivinhalt und die Kassettenmigration auf allen Storagetek-Systemen verwaltet. Die Erweiterungen von Exlm betreffen in erster Linie ein flexibles Pooling für Bänder, die ein Anwender nach eigenen Kriterien in flexible Archivgruppen unterteilen kann Verbesserungen sind auch bei der Verwaltung der Archivinhalte, dem Berichtswesen, bei der Bedienung und bei der Entfernung defekter Kassetten auszumachen. Das System wird im dritten Quartal 1992 verfügbar.
Während es Storagetek also um flexiblere und weniger große automatische Speichersysteme für mittlere und kleinere RZs geht, will die IBM nach Informationen, die kurz vor Redaktionsschluß eingingen, anscheinend Großkunden gewinnen. Der Einstieg in den Markt erfolgt mit vier Modellen eines Systems "3495".
Die Modelle 20, 30, 40 und 50 der Baureihe 3495 fassen zwischen 5660 und 18 920 Kassetten Während die Storagetek-Archive kreisförmig gebaut sind, läuft bei IBM der von General Electric gebaute Roboter durch ein Regal in Containerformat. Mit einer Breite von 1,60 Meter und Längen zwischen 13 und 28 Meter benötigt ein 95-System reichlich Platz im RZ.
Nach Ansicht von Analysten werden die hohe Kassettenkapazität und die Länge der Wege die Wechselgeschwindigkeit der Bänder und damit die Performance des Systems negativ beeinflussen. Nick Allen, Analyst bei der Gartner Group, geht - auch ohne über alle technische Details zu verfügen - davon aus, das 3495-Archiv werde "das langsamste überhaupt" sein.
Nach Ansicht von Allen möchte Big Blue mit dem ersten Archivsystem auch nicht unbedingt Glanzpunkte setzen, sondern nur ein Angebot für treue Kunden am Markt haben. Denen blieb bisher nichts anderes übrig, als bei Storage Technologies oder auch bei Memorex Telex einzukaufen.
Das Marktangebot an automatischen Archivsystemen, die nicht von IBM stammen, bezeichnete Analyst Allen noch 1986 als nicht signifikant. Inzwischen ist Big Blue dieses Geschäft weitgehend aus den Händen geglitten. Allein in Deutschland hat Storagetek rund 1000 Systeme für MVS-Umgebungen und 1500 Systeme für die VM/VSE-Welt installiert. Marktbeobachter schätzen, daß Storagetek mindestens vier Fünftel des Weltmarktes in diesem Segment kontrolliert.
Daß IBM mit den großen Archivsystemen auf die größten Rechenzentren zielt, erscheint unverständlich, wenn man die Ansicht von Storagetek zugrunde legt, daß die Nachfrage im oberen Marktsegment weitgehend gesättigt sei. Gleichwohl meint Gerald Prokasky, Marketing-Leiter der deutschen Storagetek-Tochter: "Insgesamt ist dieser Markt gerade erst angekratzt." Absatzperspektiven bestünden vor allem bei mittleren bis kleinen Rechenzentren.