IT als Dienstleistung - auch für die Datenhaltung?

Storage-Service-Provider bieten ihre Dienste an

10.11.2000
MÜNCHEN (kk) - Die elektronisch erzeugten Datenmengen steigen seit Jahren, durch E-Commerce explodieren sie geradezu. Insbesondere die IT-Manager in Dotcoms kämpfen zudem mit der nicht planbaren Menge an Daten, die gespeichert und verwaltet werden will. Abhilfe könnten auf Storage spezialisierte Dienstleister schaffen, die Speicherdienste als Online-Service anbieten. Der Markt dafür ist allerdings abhängig davon, ob Sicherheitsbedenken überwunden werden.

"Wenn nur zehn Prozent der privaten Yahoo-Kunden fünf ,Rollen'' digitaler Urlaubsfotos auf ihre Homepage stellen wollen, dann beträgt der dafür benötigte Speicherplatz 120 TB", hat Doug Chandler, Program Manager, IDC Storage & Data Management Services, ausgerechnet. "E-Mail und Application Development sind die Anwendungen, die im Web die größten Datenmengen produzieren", pflichtet Chandlers IDC-Kollege Robert Gray bei. Deshalb dürfe es sich in Zukunft für große Unternehmen lohnen, mit dem Speicher-Management einen dedizierten Diensteanbieter zu beauftragen. Für Internet-Companies könnte dies sogar überlebenswichtig werden, wenn innerhalb kürzester Zeit sprunghaft angestiegene Datenmengen zu bewältigen sind. Denn Spitzenbelastungen lassen sich bei externen Anbietern über Service-Level-Agreements (SLAs) absichern, selten jedoch mit der eigenen Infrastruktur abdecken.

Der Markt für Storage-Service-Provider (SSP) entsteht gerade erst. Vorreiter spielen einmal mehr die USA, wo schon zehn solcher Anbieter ihre Geschäfte aufgenommen haben. Einige von ihnen, beispielsweise Storage Networks Inc. und Managed Storage International Inc., strecken ihre Fühler auch nach Europa aus, denn International Data Corp. prophezeit dem Markt für "Storage Utility/SSP" hervorragende Wachstumschancen: Lag der weltweite Umsatz mit dieser Art von Dienstleistung 1999 bei nur rund elf Millionen Dollar, so soll er 2004 bereits auf 8,8 Milliarden Dollar geklettert sein. Den Löwenanteil (rund 5,6 Milliarden) erzielen die SSPs in den USA, in Europa sollen sie in vier Jahren etwas mehr als zwei Milliarden Dollar Umsatz tätigen.

Dabei konkurrieren die Speicherspezialisten mit alten und neuen Diensteanbietern: Traditionelle IT-Häuser wie IBM Global Services, EDS, CSC oder HP, Application-Infrastructure-Provider (AIPs) und Application- Service-Provider (ASPs) sowie die Netz- und Internet-Service-Provider (NSPs und ISPs). Und der Wettbewerb soll sich, so die Marktauguren, durch Konkurrenz aus dem eigenen SSP-Lager in den kommenden sechs bis zwölf Monaten erst entwickeln: Startup-Companies und Ausgründungen etablierter Anbieter wollen ebenfalls am prognostizierten Boom teilhaben.

Noch haben SSPs keine Schwierigkeit, an Geld von externen Kapitalgebern zu kommen, wie Pierre-Yves Nectoux, Marketing Portfolio Manager von Managed Storage International, zugibt: "Wir haben gerade 50 Millionen Dollar für den Ausbau unseres Geschäfts erhalten." Vor fünf Monaten erst hat Storagetek diesen Bereich als selbständiges Unternehmen ausgegliedert, hält aber noch eine Minderheitsbeteiligung. Erster Investor war das Bostoner Investmenthaus Great Hill Partners. Für die zweite Investitionstranche konnten nicht nur die Finanzriesen J.P.Morgan, First Union Capital und Providence Equity Partners gewonnen werden, sondern auch die EMC Corp.

Auf 135 Namen - darunter Merrill Lynch, Lycos, Exodus oder AT&T - ist die Kundenliste der Storage Networks Inc. mittlerweile angewachsen. Das Unternehmen wurde vor gut zwei Jahren von dem Ex-EMC-Manager Peter Bell und Bill Miller, Speicherentwickler bei Philips, National Semiconductor und Andataco, gegründet. Inzwischen beschäftigt die Firma 580 Angestellte und plant gerade die Ausgabe von neun Millionen neuen Aktien.

Die Star One AG ist einer der ersten Kunden von Storage Networks in Deutschland. Der Service-Provider mit Sitz in Frankfurt am Main versteht sich als Dienstleister für Daten-, Sprach- und Internet-Services und bietet seinen Kunden Breitbandzugang über Wireless-Local-Loop-(WLL-) Richtfunktechnik an. Angeboten werden unter anderem Backup-Services, für die sich Star One des Know-hows von Storage Networks bedient. Den Kunden bietet das Unternehmen die "Service-Pacs" des SSPs an und nutzt diese auch für die eigene Datenhaltung: Für Backup und Restore die "Back"-Pacs, für schnellen Zugriff in den Bereichen Storage Area Network (SAN) und Network Attached Storage (NAS) "Data"- und "Net"-Pacs sowie zur Datenreplikation das "Safe"-Paket. Über Service-Level-Agreements legt der Kunde die Art der Dienstleistung fest und kann sich auch gegen unerwartete Spitzenbelastungen absichern, Stichwort "Store-as-you-grow".

Allerdings tritt Storage Networks bei den Star-One-Kunden nicht in Erscheinung. Die Frankfurter schließen die Verträge und agieren als einziger Ansprechpartner. Zum Tragen kommt aber ein Merkmal, das den SSP von anderen neuen Konzepten, etwa den Storage-on-demand-Offerten der Speicherhersteller, unterscheidet: Der SSP ist Eigentümer der Infrastruktur. Dabei spielt es keine Rolle, wo die Hardware steht, beim Kunden oder beim SSP. Die Kooperation zwischen Storage Networks und Star One ist so gestaltet, dass der SSP im Rechenzentrum der Frankfurter Stellfläche für Speicherhardware anmietet. "Die ist natürlich nochmals speziell abgesichert und von unserem Bereich getrennt", erklärt Andrea Fischedick, Marketing Communications Manager von Star One.

Neben Service-Providern kommen auch traditionelle Unternehmen für SSPs als Kunden in Frage. Denn auch dort explodieren die Datenmengen, ändert oder erweitert sich der Geschäftsumfang und steigt die Anforderung an durchgängige Verfügbarkeit der DV-Infrastruktur. Zudem kämpfen IT-Manager nach Firmenübernahmen und Zukäufen mit der Integration unterschiedlicher DV-Landschaften. All diese Aufgaben sind nur mit gut ausgebildetem Personal zu verwirklichen, und das fehlt meist. Kein Wunder, wenn sich IT-Chefs Hilfe von außen holen.

Kritiker des Outsourcing-Gedankens verweisen immer auf die drohenden Sicherheitsprobleme, die Unternehmen davon abhielten, sich externer Diensteanbieter zu bedienen. Insbesondere würden Firmen zögern, die sensiblen Geschäftsdaten nach außen zu schicken. Norbert Deuschle, Chefanalyst der Meta Group, hält dem jedoch entgegen, dass sich die Firmen mit zunehmender Verbreitung von Internet und E-Commerce ohnehin nach außen öffnen würden. "Wenn man den eigenen Kunden und Lieferanten Zugang zu den kritischen Geschäftsdaten ermöglicht, dann erhalten auch Service-Provider leichter eine Chance."

Das bestätigt im Prinzip Harald Feichtinger, der für die Hard- und Softwareplanung bei der Österreichischen Postsparkasse verantwortlich ist. Derzeit sind die Wiener damit beschäftigt, ihre IT zu konsolidieren: Der Wildwuchs aus diversen Unix- und NT-Rechnern soll in größere Einheiten zusammengefasst werden, Datenhaltung inklusive. Bis Mitte nächsten Jahres sollen zumindest die Datenbestände der beiden IBM-Mainframes und der Unix-Rechner auf einer Speicherplattform zu verwalten sein. Von Storage-Service-Providern hat der Sparkassen-Manager noch nichts gehört, könnte sich aber vorstellen, solche Dienste zu nutzen, "wenn sie preislich attraktiv sind".

Damit liegt Feichtinger im Trend und bestätigt ein Ergebnis, das sich bei einer Umfrage zeigt, die IDC bei 31 großen Unternehmen in den USA gestartet hat: 80 Prozent der Befragten wussten nicht, dass es SSPs bereits gibt. Allerdings könnten sich 58 Prozent vorstellen, Dienste solcher Firmen zu nutzen, nur 16 Prozent lehnen das ab. Neben den Kosten sind für die befragten Manager Faktoren wie Sicherheit, Verfügbarkeit und die Möglichkeiten für die Wiederherstellung der Daten die wichtigsten Entscheidungskriterien.

Was die Kosten für den externen Speicherdienst angeht, so werden derzeit nur Richtwerte genannt, denn die Gebühren hängen stark davon ab, welche Art von Service-Level-Agreement man kauft. Die Kosten für die Verwaltung von 1 TB, gespeichert auf Festplatten, liegen zwischen 25000 und 60000 Dollar pro Monat. Kauft der Kunde nur die einfache Archivierungslösung auf Bändern, dann ist der Service für 1 TB schon ab 1000 Dollar im Monat zu haben.

Speicherverwaltung geht ins GeldClaus Egge, Forschungsdirektor bei IDC, hat eine weitere Schwierigkeit entdeckt, die Speicheradministratoren zukünftig das Leben schwer machen könnte: "Funktionen werden zunehmend vom Server auf den Speicher ausgelagert. Das Ziel ist, dass die Storage-Devices selbst die einzelnen Aufgaben wie Backup oder Restore steuern und die Host-Rechner davon befreien." Mit der wachsenden Komplexität der Speichersilos, die den Herstellern ein Plus an Software-Know-how abverlangt, wird es auch für die Unternehmen immer schwieriger, diese Systeme zu verwalten und sie in bestehende Management-Strukturen einzubinden.

IDC hat ausgerechnet, dass 1999 für Speichersoftware weltweit fünf Milliarden Dollar ausgegeben wurden, 36 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Marktführer ist Computer Associates (CA) mit 1,1 Milliarden Dollar Umsatz und einem Marktanteil von 22,4 Prozent. Als zweiter liegt EMC mit 17,5 Prozent knapp vor IBM mit 16,8 Prozent. Auf den Plätzen folgen Veritas (10,1 Prozent), Legato (3,8 Prozent), Storagetek (3,5 Prozent ) und Sterling - mittlerweile von CA übernommen - mit 3,1 Prozent Marktanteil.

Der Großteil der verkauften Speichersoftware wird für Backup, Restore, Archivierung und hierarchisches Speicher-Management (HSM) ausgegeben. Mehr als die Hälfte der fünf Milliarden Dollar versickerte 1999 hier. Die anderen drei Märkte der Speichersoftware, Speicher-Utilities, -Ressourcen-Management sowie -Replikation und Verfügbarkeit, teilen sich die zweite Hälfte des Umsatzes.

Was in Zukunft insbesondere gefragt sein wird, sind Softwarelösungen, die die explodierenden Datenmengen verwalten, die immer komplexeren Infrastrukturen wie Speichernetze (SANs) ordnen und eine möglichst 100-prozentige Datenverfügbarkeit garantieren können. Das ist in den meisten Fällen mit Einzellösungen nicht zu schaffen, der Trend geht in Richtung Softwaresuite.

Die Softwareindustrie folgt dieser Bewegung und versucht, durch Zukäufe das eigene Produktportfolio abzurunden. Exemplarisch dafür steht die Übernahme des Softwaregeschäfts von Spectra Logic durch Sterling Software, das wiederum Anfang dieses Jahres von CA geschluckt wurde. Aber auch die Hardwarehersteller eignen sich per Firmenübernahme Know-how über Verwaltungssoftware für vernetzte Speicher an, denn dem Markt fehlen Standards.

Gerade bei vernetzten Speichern und dem Aufbau von SANs hat derjenige Anbieter die besten Karten, der ein breites Spektrum an Geräten und Herstellern abdeckt und die im Unternehmen vorhandenen Schnittstellen bedienen kann. Kein Wunder, dass sich mittlerweile eine Vielzahl von Verwaltungs-Frameworks für SANs gebildet haben, wobei unterschiedliche Ansätze verfolgt werden. IDC gliedert die Bemühungen für das SAN-Management in vier Bereiche: Der Server-zentrierte Ansatz, den beispielsweise Sun verfolgt, das Speicher-zentrierte Modell à la EMC, Compaqs Bemühungen unter Zuhilfenahme von SAN-Appliances sowie die Initiativen der Switch- und Router-Produzenten.

Welcher Ansatz das Rennen machen wird, wagen die Auguren nicht zu prophezeien. Als gesichert gilt, dass sich die Ausgaben für vernetzte Speicher - SAN und NAS - in den kommenden drei Jahren drastisch erhöhen werden. Glaubt man den Marktforschern, dann investieren im Jahr 2003 europäische Unternehmen 4,4 Milliarden Dollar in SANs und zwei Milliarden Dollar in NAS. Damit wären die Ausgaben für vernetzte Speicher fast halb so hoch (45 Prozent) wie die für Datensilos, die direkt an die Server angeschlossen sind. Storage-Service-Provider werden zu den wichtigsten Kunden für vernetzte Speicher gehören.

DatenexplosionAuf die IT-Abteilungen rollt in den nächsten Jahren eine Datenlawine zu. Die durchschnittlich in unserem Wirtschaftsraum nachgefragte Festplattenkapazität steigt im Zeitraum von 1999 bis 2003 um jährlich knapp 80 Prozent. Werden heute in Europa Festplatten mit einer Gesamtkapazität von etwa 80000 TB ausgeliefert, so soll dieser Wert nach Schätzungen von IDC auf über 600000 TB im Jahr 2003 steigen. Dabei liegen die Steigerungsraten wie erwartet nicht bei den integrierten und damit einfach zu verwaltenden Plattformen wie OS/390, OS/400 oder VMS, sondern im Unix- und NT-Umfeld.

Abb.1: Der weltweite SSP-Markt

Gute Aussichten für Anbieter von Speicherdiensten: Wachstumsraten von über 200 Prozent winken. Quelle: IDC

Abb.2: Markt für Speichersoftware

Speichersoftware ist weiterhin ein gutes Geschäft, die Umsätze steigen jährlich um zirka eine Milliarde Dollar. Quelle: IDC