Stimmen zum IT-Gipfel: Erfolgsstory oder No-Event?

11.12.2007
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Eines war auffällig bei diesem zweiten IT-Gipfel: Unisono lobten die Redner auf den Podien die Veranstaltung als Erfolg. Fast ebenso eindeutig war allerdings auch die Stimmung bei den übrigen Teilnehmern: Gepflegte Skepsis über das Erreichte.

Ein hochrangiger Vertreter äußerte die Befürchtung, die Medien würden den IT-Gipfel schlecht schreiben. Grund, die hochrangige Veranstaltung auch mit kritischen Untertönen zu versehen, gibt es dabei durchaus. So wurde die Benennung des Bundes-CIO – im offiziellen Sprachgebrauch heißt er Bundesbeauftragter für die Informationstechnologie – zum Kompetenzgerangel zwischen den Bundesministerien. Es ist fraglich, ob Hans Bernhard Beus in der Funktion als Staatssekretär im Bundesinnenministerium und nunmehr erster deutscher Bundes-CIO tatsächlich Entscheidungsbefugnisse hat.

Während die Ernennung eines Bundes-CIO aber auch von offiziellen Vertretern durchaus ambivalent beurteilt wurde, waren sich Politik, Wirtschaft und Vertreter der Wissenschaft über die Inhalte des zweiten IT-Gipfels einig: Man habe seit vergangenem Jahr viel erreicht, der IT-Gipfel von Hannover sei ein Erfolg.

Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer ist der Meinung, dass ohne die IT-Gipfel vieles nicht in Gang gekommen wäre.
Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer ist der Meinung, dass ohne die IT-Gipfel vieles nicht in Gang gekommen wäre.
Foto: Bitkom

Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer betonte, dass seit dem ersten IT-Gipfel im Dezember 2006 die acht und mittlerweile neun Arbeitsgruppen weitergearbeitet hätten. Großprojekte wie e-Energie, Internet der Dinge, also die Verbindung von realer und virtueller Welt sowie Theseus, seien weiter entwickelt worden. Nunmehr sei auch ein Bundes-CIO benannt.

All diese Dinge hätte es ohne einen ersten IT-Gipfel nicht gegeben. Scheer konzedierte zwar, es habe bei der Benennung des Bundesbeauftragten für die Informationstechnologie eine "Gremienwirtschaft" gegeben – er sprach damit auf das Kompetenzgerangel zwischen den Bundesministerien an. Aber ihm sei klar geworden, dass "in der Politik nicht wie in einem Unternehmen entschieden werden kann". Zum Bundes-CIO sagte Scheer zudem: "Demotivieren hilft niemandem. Nehmen wir erst einmal, was wir haben."

Scheer äußerte die Hoffnung, dass der zweite IT-Gipfel Impulse für die Breitband-Infrastruktur, das Thema Green-IT und die Ausbildungssituation geben werde.

Der Bitkom-Präsident betonte die große Bedeutung, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich des Themas IT angenommen habe. Informationstechnologie sei eine Querschnittsindustrie, die verschiedenste Branchen wie den Automobilsektor, das Gesundheitswesen, Government, Ausbildung etc. berühre. Insofern sei die Tatsache, dass Bundeskanzlerin Merkel den ersten IT-Gipfel initiiert habe und auch dem zweiten beiwohne, für die Öffentlichkeitswirkung sehr wichtig.

Positive Signale

In diesem Sinn äußerten sich praktisch alle hochrangigen Teilnehmer des IT-Gipfels. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos sagte in seiner Eröffnungsrede, von Hannover gehe eine starke Botschaft aus, dass Deutschland sich den Herausforderungen der Informationstechnologie stelle. Dies dokumentiere sich daran, dass Bundeskanzlerin Merkel das ITK-Thema "zu ihrer Herzenssache gemacht" habe. Die Branche zähle zu den wichtigsten überhaupt. An ihr führe kein Weg vorbei, so Glos weiter.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff meinte, der erste IT-Gipfel in Potsdam sei dazu da gewesen, Träumen zu entwickeln. Der zweite müsse Ergebnisse liefern und dies habe er auch getan. Der dritte IT-Gipfel "ist ein Erfolg", prognostizierte Wulff schon einmal. Der IT-Gipfel sei ein "Meilenstein auf einer Gipfelwanderung" und ein Treffpunkt der Leader.

Bundeskanzlerin Merkel: Beruf der Zukunft

Bundeskanzlerin Merkel unterstrich die Bedeutung, die der IT-Gipfel habe als Signal an junge Menschen. Er trage dazu bei, jungen Menschen deutlich zu machen, dass es sich bei der IT um einen Beruf mit Zukunft handelt. Sie hob damit auf den Fachkräftemangel ab, der hierzulande nicht nur aber insbesondere auch in der IT-Industrie zu verzeichnen ist. Sie erteilte allerdings Forderungen eine Absage, die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Merkel betonte demgegenüber, die Ausbildung von "heimischen Fachkräften muss im Vordergrund stehen." Erst dann sei an die Zuwanderung von Kräften aus dem Ausland zu denken.

So hatte sich der Bitkom-Präsident Scheer der aus der Industrie kommenden Forderungen angeschlossen, etwa die Hürde von 85.000 Euro Einstiegsgehalt für ausländische Fachkräfte zu halbieren. Unter anderem Microsoft-Deutschlandchef Achim Berg hatte sich dahingehend geäußert.

Für Henning Kagermann, den Vorstandssprecher der SAP AG, war der zweite IT-Gipfel wichtig, wegen der drei Leuchtturmprojekte e-Energy, Theseus und das Internet der Dinge. René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, ist sich mit Bundeskanzlerin Merkel einig darin, dass die größte Bedeutung des Gipfels von dessen Signalwirkung ausgeht. "Wenn alle großen gesellschaftlichen Teile wie Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammentreffen, dann ist das ein positives Signal an die Jugend. Sie sehen, dass diese Industrie Zukunft hat."

Joachim Wuermeling, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, unterstrich die Verantwortung des Staates, als er sagte: "Der IT-Gipfel soll diejenigen zusammenbringen, die die IT nach vorne bringen. Er soll Netzwerke schaffen. Und hier muss der Staat seine Verantwortung für die nötigen Strukturen wahrnehmen."

Zugzwang

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble schien mit nüchternen Erwartungen nach Hannover angereist zu sein. Mit seinem Kommentar erwies er sich zeigte zudem als Realpolitiker. "Ein Gipfel erzeugt immer auch einen Push für den nächsten Gipfel. Man muss nämlich zwischen diesen Treffen arbeiten und Ergebnisse erzielen."

Genau an den bislang erzielten Ergebnissen hatten allerdings viele ihre Zweifel. Die drei Leuchtturmprojekte e-Energie, Internet der Dinge und Theseus sind nicht wesentlich neu und auch nicht entscheiden weiterentwickelt. Mittelstandsvertreter Heinz-Paul Bonn kommentierte denn auch trocken: "Einiges von dem heute Gesagten hätten wir vor drei Jahren auch schon zu Protokoll geben können. Insgesamt sind die Ergebnisse hier dünn." (jm)

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