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Stephen Ward hat viel vor mit Lenovo

09.12.2004
Der künftige Lenovo-Chef will sich keine Kunden von Dell und HP abjagen lassen. Er setzt auf innovative Produkte statt Kampfpreise und sucht neue Vertriebswege.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach 26 Jahren bei der IBM hat Stephen Ward (49) plötzlich die Aufgabe, aus Chinas Lenovo Group eine starke und profitable Nummer drei im weltweiten PC-Markt zu machen - etwas, dass ihm bei Big Blue bislang nicht gelang. Ward, der IBMs PC-Sparte zuvor intern leitete, wird demnächst CEO einer an der Hongkonger Börse notierten Firma mit rund zwölf Milliarden Dollar Jahresumsatz und voraussichtlich rund acht Prozent globalem Market Share, an der IBM mit knapp 19 Prozent beteiligt ist (Computerwoche.de berichtete).

Ward hat angekündigt, er werde ein kleines Headquarter am IBM-Hauptsitz in Armonk, New York, einrichten und die rund 10.000 Mitarbeiter von Big Blues PC-Bereich behalten, darunter auch die 2200 in den Vereinigten Staaten. In einem Interview erklärte er, Lenovo werde vermutlich an der bisherigen IBM-Strategie festhalten, Innovationen zu entwickeln, die Kunden dazu brächten, einen Rechner wegen seiner Features und nicht aufgrund eines niedrigen Preises zu erwerben.

Allerdings stehen die großen Wettbewerber Dell und Hewlett-Packard bereits in den Startlöchern, um durch den Verkauf des IBM-Geschäfts nach China verunsicherte Kunden auf ihre Seite zu ziehen. Das erwartet auch Laura Conigliaro von Goldman Sachs (das Lenovo bei dem IBM-Deal beriet). Historisch betrachtet hätten PC-Fusionen "unvermeidlich" zu einem Verlust von Marktanteilen geführt. Toni Sacconaghi von Sanford Bernstein schätzt derweil, dass Dell 45 Prozent von jedem Geschäft einheimsen wird, das IBM/Lenovo verliert, und HP 30 Prozent.

Ward erklärte indes, er werde Verluste von Kunden an die Konkurrenz "nicht tolerieren". Man habe weiterhin die volle Unterstützung der IBM, dass seinen Vertriebsbeauftragten für den Verkauf von Lenovo PCs weiterhin genauso Provisionen zahlen werde wie zuvor für IBM-Rechner. Allerdings gehe er davon aus, dass Lenovo sich stärker bemühen werde, über den Channel und direkt an qualitätsbewusste Kunden zu verkaufen, als dies IBM in der Vergangenheit getan habe.

In Läden werde aber auch Lenovo seine PCs nicht stellen - IBM hatte damit 1998 rund eine Milliarden Dollar verloren, bevor es diesen Kanal wieder aufgab. In China, wo Lenovo die führende Marke ist, sollen Lenovo-PCs allerdings auch weiterhin über den Handel angeboten werden.

IBM selbst hatte es alles andere als leicht, seine Innovationen im PC-Bereich in Profite umzumünzen. Aus Dokumenten, die Zusammenhang mit dem Verkauf veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die PC-Sparte im Jahr 2003 258 Millionen Dollar Verlust machte und 2002 171 Millionen Dollar. Diese entstanden demnach unter anderem durch ungewöhnlich hohe Garantiekosten aufgrund von Problemen mit einer nicht näher identifizierten Komponente.

Auf eine finanzielle Prognose für Lenovo wollte sich Ward vom "Wall Street Journal" jedenfalls nicht festnageln lassen. Er erklärte lediglich: "Ich will nach Mitteln und Wegen suchen, diesen Markt zu vergrößern."

Lenovo hatte im zuletzt abgeschlossenen Geschäftsjahr (Ende: 31. März) 135 Millionen Dollar verdient und weitere 131 Millionen Dollar in der ersten Hälfte des laufenden Fiskaljahres. Finanzchefin Mary Ma erklärte, das kombinierte Unternehmen werde "Geld verdienen, aber ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wie viel und wie. Ich kann keine Gewinnprognose abgeben."

Ma wird im Übrigen eine der wenigen Lenovo-Manager, die nach Abschluss des Deals im Amt bleiben. Ansonsten besetzt Ward das Management der neuen Firma vornehmlich mit bisherigen IBMern, darunter auch Fran O'Sullivan, die den Posten des Chief Operating Officer (COO) übernimmt. (tc)