Digitale Transformation

Stell Dir vor es ist Cyberkrieg, und Du bist mittendrin!

14.04.2015
Von 


René Büst ist Research Director in Gartners Managed Business and Technology Services Team mit Hauptfokus auf Infrastructure Services & Digital Operations. Er analysiert Entwicklungen im Bereich Cloud Computing (Anbieter von Managed Cloud-Services und Public Cloud sowie Cloud-Strategien wie IaaS, PaaS und Multicloud), digitale Infrastrukturen und Managed Services sowie den Einfluss der digitalen Transformation auf die IT. Seit Mitte der 90er Jahre konzentriert sich Herr Büst auf den strategischen Einsatz der IT in Unternehmen und setzt sich mit deren Einfluss auf unsere Gesellschaft sowie disruptiven Technologien auseinander.
Man muss kein Sony-Vorstand sein, um die Gefahr von Cyberattacken zu verstehen. Jedes Unternehmen besitzt kostbare Daten, die schnell zum Ziel von Hackern oder gar politisch motivierter Extremisten und Geheimdienste werden können. Es braucht neue Security-Strategien für die digitale Welt.
  • Durch das "Internet der Dinge" und die Vernetzung von Industrieanlagen geraten auch Unternehmen ins Visier von digitalen Angreifern, die bisher verschont blieben.
  • Es ist wichtig, auf den Ernstfall vorbereitet zu sein - der digitale Wandel verändert auch die Security-Zuständigkeiten in der Vorstandsebene.

Das Opfer von Cyber-Attacken zu werden muss nicht zwangsläufig heute oder morgen passieren. Allerdings führt die sich stetig ausbreitende Digitalisierung zu einem höheren Vernetzungsgrad, den sich Angreifer zu nutze machen werden, um ihre Attacken zu planen.

Das Dilemma der Digitalisierung

Die Angriffe auf JP Morgan, die Xbox und nicht zuletzt auf Sony im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass jedes Unternehmen ein potentielles Ziel für Cyberattacken darstellt. Ob nun aus Spaß, finanziellem Interesse oder politischer Motivation, das Bedrohungspotential wächst kontinuierlich. Dabei sollte nicht vernachlässigt werden, dass weitestgehend nur die großen Fälle in den Medien erscheinen. Angriffe auf kleine und mittelständische Unternehmen bleiben unerwähnt oder schlimmer, werden von den Betroffenen gar nicht oder erst viel zu spät erkannt.

Cyber-Angreifer können heute unbemerkt und aus bisher nicht beachteten Ecken der Produktions- oder Lieferkette ihre Netze ausspannen.
Cyber-Angreifer können heute unbemerkt und aus bisher nicht beachteten Ecken der Produktions- oder Lieferkette ihre Netze ausspannen.
Foto: gregflat - shutterstock.com

Ausgelöst durch den digitalen Wandel sind Unternehmen gefordert an mehreren Fronten proaktiv zu handeln. Die Kunden erwarten einen 24/7 Zugriff auf Online-Angebote. Bereits ein Ausfall von nur ein bis zwei Stunden führt zu negativen Reaktionen und folglich zu einem Imageschaden für das Unternehmen. Die Situation verschlimmert sich, wenn der Ausfall ganze Lieferketten (SCM) und Produktionssysteme betrifft und gegebenenfalls auch Partner und Zulieferer beeinträchtigt.

Mit dem Einzug des "Internet of Things" bzw. dem "Industrial Internet" befinden sich die Verantwortlichen für Produktions- und Logistiksysteme in einer Art "digitalen Dilemma". Zwar versprechen voll automatisierte Prozessabläufe eine bessere Effizienz und eine flexiblere Fertigung. Allerdings führt die vollvermaschte Vernetzung von Produktionssystemen untereinander und deren Kommunikation über externe IP-Netze zu einem größeren Gefahrenpotential durch IT-Angriffe.

Industrial Internet = Gefahr

Bislang wurden Industrie- und Produktionsanlagen von der Außenwelt weitestgehend unabhängig betrieben und sowohl physikalisch, als auch logisch hermetisch abgeriegelt. Eine strenge Separierung der Produktionsumgebungen von den eigentlichen IT-Infrastrukturen ist im Industrial Internet allerdings nicht mehr möglich.

Die Angriffsvektoren werden immer ausdifferenzierter und entsprechend gefährlicher.
Die Angriffsvektoren werden immer ausdifferenzierter und entsprechend gefährlicher.
Foto: Crisp Research AG

Weiterhin werden mobile und Cloud-basierte Arbeitsplatzkonzepte durch Millennials und die Generation Y nachdrücklich eingefordert. Arbeiten von überall und der Zugriff auf kritische Unternehmensdaten auch außerhalb des Firmennetzes scheint diesen alltäglich, auch wenn dies den Sicherheitskonzepten im Hintergrund deutlich mehr abverlangt, als auf dem nutzerfreundlichen Display erkennbar ist.

Da die Mehrheit der Unternehmen nicht verpflichtet ist, über digitale Attacken oder Datenverlust zu berichten, ist die Anzahl der mit Namen in den Medien bekannten Fälle trotz aller Statistiken recht gering. Der Sony-Hack und die Angriffe auf eBay oder JPMorgan Chase zeigen jedoch, wie brisant das Thema ist. Dennoch ziehen viele Senior Executives, Vorstände und Geschäftsführer hieraus den falschen Schluss - nämlich, dass das firmeneigene Risiko, Opfer eines Angriffs, Erpressung oder digitaler Sabotage zu werden, relativ gering ist. Dem ist in den meisten Fällen nicht so, wie Security-Audits in mittelständischen und großen Unternehmen immer wieder zeigen. Eigen- und Fremdwahrnehmung durch externe Experten klaffen in Europa derzeit noch weit auseinander.

Für eine strategische und betriebswirtschaftliche Bewertung des Risikos benötigen Geschäftsführer und Vorstände ein tiefes Verständnis hinsichtlich der möglichen Angriffsvektoren und "verwundbaren" Teile des eigenen digitalisierten Wertscho?pfungsnetzes.