Startups: Der Erfolg steht in den Sternen

10.06.2002
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit der Erfindung des Wagniskapitals suchen die Investoren nach Mitteln und Wegen, eben dieses Risiko möglichst gering zu halten. Das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers (PwC ) hat nun ein Modell entwickelt, das die Erfolgsfaktoren von Startups leichter identifizieren soll: Die CW machte anhand des erfolgversprechenden Startups WebToGo GmbH , München, die Probe aufs Exempel.

Ein neues Modell soll VC-Firmen und Startups helfen, die Schlüsselfaktoren für einen langfristigen Erfolg zu ermitteln.   Quelle: PricewaterhouseCoopers

"Paths to Value" bildet die Erfolgsmuster anhand von Kennzahlen grafisch ab und liefert den VC-Firmen somit eine Entscheidungshilfe für den Einsatz ihrer Ressourcen. Die jungen Unternehmen selbst können ihre Entwicklung mit der anderer Wettbewerber vergleichen. Grundlage des Modells "Paths to Value" sind Befragungen von mehr als 350 Startups in Europa, Israel und den USA, die zwischen 1999 und 2001 ihre Startfinanzierung oder erste Finanzierungsrunde erhielten. Anhand von Kennzahlen wurden dabei die Bereiche Strategie, Ressourcen und Performance mit Punkten zwischen null und acht bewertet. Die Ergebnisse fasste PwC in einer gleichnamigen Studie zusammen. Zur Dokumentation dienen dabei Sterndiagramme, die die Entwicklung von einzelnen Unternehmen oder -Gruppen kategorisiert nach Branchen, Phasen oder Regionen veranschaulichen. Auf der Zeitachse wurde zwischen der Situation vor, während und nach dem Internet-Hype unterschieden.

Werkzeug oder Werbe-Gag

Damit nicht genug: Auf der Website www.pathstovalue.com können junge Unternehmen kostenlos ihr eigenes "Star-Chart" erstellen. Durch den Vergleich der eigenen Entwicklung anhand von Durchschnittwerten verspricht PwC den Gründern Antwort auf Fragen wie:

Wann soll ich mehr in die Produktentwicklung investieren.

Wie und wann soll ich Vertriebkooperationen nutzen?

Ab welcher Kundenzahl rechtfertigt sich ein Investment zur Umsatzsteigerung?

Wo liegt die gesunde Mitte zwischen Wachstum und Profitabilität?

Wie weit waren andere Firmen der Branche, als sie eine weitere Finanzierungsrunde in Anspruch nahmen?

Soweit zur Theorie - die CW unterzog das Tool einem Praxistest. Das Münchner Startup WebToGo GmbH erklärte sich bereit, die insgesamt rund 30 Fragen online zu beantworten und ein eigenes Sterndiagramm erstellen zu lassen. Anschließend sollten die Ergebnisse mit der CW diskutiert werden.

Das Resultat: WebToGo-Gründer Daniel Beringer machte die Bewertung seines Unternehmens in einigen Feldern stutzig, in manchen Bereichen hatte er keine anderen Ergebnisse erwartet. Überraschend schlecht wurde seiner Ansicht nach die Größe des Marktes benotet: Während Beringer den zunächst anvisierten deutsche Markt mit 2 Millionen PalmOS- und Pocket-PC-Nutzern sowie einen potenziellen Jahresumsatz von mindestens 60 Millionen Euro als relativ groß einschätzt, erhielt das Unternehmen bei Paths to Value dafür nur einen von acht möglichen Punkten. Die Bewertung des Beitrags der Kapitalgeber (Punkt 5) fiel mit zwei Punkten dagegen erwartet niedrig aus - kein Wunder bei "nur" zwei finanziell engagierten Business Angels.

Das Stardiagramm von WebToGo

Quelle: PricewaterhouseCoopers

Kritisch beurteilte Beringer die Einschätzung von PwC über die nötige Stärke des Management-Teams (Punkt 6):"Gerade in der Frühphase ist es gefährlich, die Führungsspitze mit hochkarätigen Managern zu besetzen", erklärt der Firmengründer. "Mit dieser Strategie entstehen viel zu hohe Kosten, die das VC-Kapital niederbrennen." Das Münchner Unternehmen erhielt hier rund vier von acht Punkten:

In anderen Bereichen schnitt WebToGo wie erwartet gut ab - etwa in der Oberkategorie Performance: Sowohl für Kundenwerbung und Produktentwicklung in der zweiten Finanzierungsrunde erhielt das Startup die Vollpunktzahl, die bereits geknüpften Geschäftskooperationen wurden mit sechs Punkten honoriert. WebTogo arbeitet bereits mit verschiedenen Content-Providern und anderen strategischen Partnern zusammen, erst kürzlich wurde eine Vereinbarung mit E-Plus abgeschlossen.

Summa summarum findet Beringer das Bewertungsmodell zwar nicht schlecht, es ist seiner Meinung nach jedoch teilweise überzogen und zu schwach. Die Ergebnisse hätten ihm wenig geholfen, erklärt der Münchner, da zu sehr vereinfacht wurde. Er sieht jedoch ein, dass bei zirka 30 Fragen zu neun Bereichen die einzelnen Aspekte nicht detailliert genug abgefragt werden könnten. Beim Vergleich mit den angebotenen Diagrammen hat er zudem Schwierigkeiten, sein Unternehmen einzuordnen.

Nichts desto trotz dürften sich die Ergebnisse der gleichnamigen Studie sowohl bei Startups wie auch bei VC-Firmen als hilfreich erweisen: Laut PwC haben zwischen 1999 und 2001 mehr Startups und Dotcom-Unternehmen überlebt als zunächst angenommen wurde. Schlüssel zum Erfolg war dabei die Annahme von bewährten Geschäftspraktiken und weniger strategische Entscheidungen. Im Hinblick auf Branchen unterschieden sich die Erfolgsmuster von forschungsintensiven TK- und Halbleiterfirmen gegenüber denen von Software- und Dienstleistungsunternehmen deutlich: Während sich die Vertreter der beiden letztgenannten Sparten bemühten, möglichst früh Umsätze zu generieren und diese kontinuierlich zu steigern, warben TK-Firmen und Chiphersteller zunächst Beta- und Testkunden mit kaum nennenswerten Einnahmen.

Weiteres Resultat der Umfrage war, dass ein professionelles Führungsteam deutlich zur Steigerung des Unternehmenswertes beiträgt. Eigentlich ein alles andere als überraschendes Ergebniss, das in seiner Aussagekraft erst dann an Bedeutung gewinnt, wenn man ein anderes Resultat der Untersuchung heranzieht: Wurde ein Startup relativ früh mit erfahrenen Managern überfrachtet, erwies sich dieser Schritt dagegen als Wachstumsbremse.

Auch regionale Unterschiede ließen sich feststellen: So fokussierten sich europäische Softwarefirmen frühzeitiger auf Kundengewinnung und die Erschließung von Vertriebskanälen, während ihre US-amerikanischen Pendants zunächst den Aufbau eines Direktvertriebs in Angriff nahmen. Als Ergebnis erreichten die Startups auf unserem Kontinent vergleichbar früher einen stabilen Cash-flow und bessere Ergebnisse in der Produktentwicklung. Die Newcomer jenseits des großen Teichs hatten angesichts eines dickeren Finanzpolsters auch weniger Grund zur Eile: Fast ohne Ausnahme konnten die Firmen in den USA höhere Beteiligungen an Land ziehen.

PwC will auf Basis der vorgestellten Studie (und des Modells) zusätzliche Untersuchungen vornehmen. So ist unter anderem geplant, die befragten Unternehmen weiter zu beobachten, um den Erfolg der eingeschlagenen Strategien zu messen. Letztendlich - so der Plan - soll daraus ein Best-Practice-Führer entstehen.

WebToGo

Die WebToGo GmbH wurde im Mai 2001 von Daniel Beringer und Peter Duesing in München gegründet. Das Startup stellt PDA-Nutzern eine Software zur Verfügung, mit deren Hilfe die Anwender fast alle Web-Seiten in Echtzeit und adaptierten PDA-Format abrufen können. Dank Zugriff auf einen Optimierungsserver soll das Surfen dabei bis zu zehnmal so schnell wie mit konventionellen Browsern vonstatten gehen. Software und Nutzung der Dienste sind kostenlos, für den Nutzer fällt lediglich die übliche Verbindungsgebühr bei seinem Netzbetreiber an. Von den Gebühren wiederum erhält WebToGo eine Beteiligung. Die Münchner haben in diesem Zusammenhang bereits eine Vereinbarung mit E-Plus getroffen und stehen in Verhandlungen mit allen Anbietern hierzulande. Außerdem konnte das Startup bereits eine Vielzahl von strategischen Partnern für sich gewinnen wie Lastminute.com, Yellowmap, Gastrolink, Börsego etc.

Fünf Monate nach dem offiziellen Start des mobilen Internet-Services Mitte Januar pocht WebToGo bereits auf 20.000 Nutzer - und einen schnell wachsenden Cashflow. Den europäischen Markt für PDAs schätzte IDC im vergangenen Jahr auf rund fünf Millionen Geräte. Die Unternehmung wurde von zwei "Business Angels" mitfinanziert, gleichzeitig stellte sich T-Mobile-Geschäftsführer René Obermann als Berater zur Verfügung.