Startups brauchen mehr als nur Kapital

01.06.2001
Bislang geisterte das Phänomen Inkubatoren in erster Linie durch die Medien und wurde von der Wissenschaft eher vernachlässigt. Eine erste empirische Erhebung über den deutschen Markt der neuen Akteure hat nun der Lehrstuhl Bank- und Finanzmanagement der European Business School (EBS), Reichertshausen, vorgelegt.

Seit Monaten sorgt der Inkubatoren-Markt für erhitzte Gemüter. Zum einen, weil er, wie so oft im Bereich der New Economy, bis ins Irrationale mit Erwartungen überfrachtet wird, zum anderen, ebenfalls typisch, aufgrund mehr oder weniger spektakulärer Erfolge und Misserfolge. So musste der traditionsreiche US-amerikanische Inkubator Idealab erst vor kurzem die Schließung seiner Filialen in Palo Alto und damit die Einstellung seiner Tätigkeit im Silicon Valley bekannt geben, während zugleich Siemens sich aufmacht, dem Markt für Mobilkommunikation mittels eines neu gegründeten "Brutkastens" neue Anstöße zu geben.

Der Frage nachzugehen, was überhaupt Inkubatoren sind und welchen Markt es hierzulande gibt, war Aufgabe und Ziel der Studie von Ann-Kristin Achleitner, Professorin an der EBS, und Roland Engel, dort wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die Studie erfasst den Markt im Zeitraum von Oktober bis November 2000, bietet also nur eine Momentaufnahme. Zudem, so die Autoren, erschwert die hohe Dynamik des Marktes mit ständigen Neugründungen, Konkursen und Umorientierungen der Marktteilnehmer eine übergreifende theoretische Fundierung des Geschehens.

Im Allgemeinen werden heute global diejenigen Firmen als Inkubatoren bezeichnet, die neu gegründete Unternehmen unterstützend und beratend begleiten, bis sie konkurrenzfähig sind. Worin aber die eigentlichen Merkmale eines Inkubators bestehen, darüber gehen die Meinungen oft weit auseinander. Achleitner und Engel begrenzen den Begriff deshalb auf "ein Dienstleistungsunternehmen, welches versucht, Unternehmensgründern vorrangig in den frühesten Entwicklungsphasen ganzheitliche Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen zukommen zu lassen".

Die Autoren beschränken sich bei ihrer Betrachtung auf den Bereich der New Economy sowie Inkubatoren, die profitorientiert arbeiten. Institutionelle Inkubatoren wie Technologie- und Gründerzentren (TGZ) oder Hochschulinitiativen blieben außer Acht.

Inkubatoren zählen neben Venture-Capital-Finanzierern und Business Angels zu dem Kreis der Private-Equity-Investoren. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Kapitalanlagegesellschaften (BVK) hat der Markt in Deutschland, besonders der Firmen, die ihre Investitionen über Fonds tätigen, in den vergangenen drei bis vier Jahren einen Boom erfahren. Während1992 bis 1996 das Marktvolumen jährlich um durchschnittlich 9,3 Prozent wuchs, stiegen die investierten Mittel 1997 um 15,5 und 1998 gar um 33,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm jedoch das Fondsvolumen der Gesellschaften überproportional zu, so dass trotz der gestiegenen Investitionen derzeit ein Mittelüberhang von rund acht Milliarden Mark besteht.

Allerdings fließen lediglich sieben Prozent der getätigten Investitionen in den Unternehmensaufbau, was an der in dieser Phase sehr schwierigen Risiko-Rendite-Einschätzung liegt. Die in Deutschland nach Zählung der Autoren 65 Inkubatoren wiederum, die sich auf den Aufbau junger Unternehmen spezialisiert haben, lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten differenzieren. Als erstes Kriterium gilt das Leistungsangebot.

Der echte Inkubator erbringt originär oder vermittelt Finanzierung und Sachmittel, leistet Beratung und stellt ein Kontaktnetz zur Verfügung. Das Gleiche gilt für so genannte Acceleratoren, die in den meisten Fällen die Finanzierung nur vermitteln. Demgegenüber bieten Venture Capitalists fast ausschließlich Beratung und Kontakte, aber keine Sachmittel oder infrastrukturelle Hilfen und nur selten die Vermittlung von Geld.

Die Vergütung der erbrachten Leistungen er-folgt üblicherweise durch eine Beteiligung am gegründeten Unternehmen in Höhe von zehn bis 25 Prozent, seltener und nach Vereinbarung durch Bargeld. Heute verfügen Inkubatoren auf dem deutschen Markt durchschnittlich über 7,27 Eigenkapitalbeteiligungen. Die wenigsten, nämlich 17 Prozent, zielen aber auf langfristige Beteiligungen. Ziel ist es, sich nach spätestens 24 Monaten wieder aus dem Engagement zurückzuziehen. Im Normalfall erfolgt der Exit über eine Einführung der Geschäftsanteile an der Börse (IPO) oder den Beteiligungsverkauf an einen Investor.

Um den Markt besser überblicken zu können, unterscheidet die Studie die Inkubatoren nach ihrer Firmenstruktur. Neben echten Neugründungen durch natürliche Personen, den Stand Alone Incubators, tauchen zunehmend Corporate Incubators, also Abteilungen oder Spinoffs von Konzernen, und Seed-Capitalists, bereits in der frühen Gründungsphase tätige Venture Capitalists, am Markt auf. Fünf Prozent des Marktes werden außerdem von Holdings besetzt.

Während Corporate Incubators häufig, bedingt durch ihre Anbindung an den Mutterkonzern, standortgebunden sind, zerfällt die Gruppe der Stand Alones wiederum in zwei Untergruppen: die nicht ortsgebundenen "virtuellen" Inkubatoren, welche zumeist auch keine eigenen Büroräume unterhalten, und ortsgebundene "Bricks-and-Mortar"-Inkubatoren. Unterscheiden lässt sich auch, ob das vorrangige Geschäftsziel eine Betonung des Profits oder der strategischen Ausrichtung beinhaltet.

Stand Alones tendieren nach Ansicht der Wissenschaftler dazu, den Gewinn in den Vordergrund zu stellen, eine strategische Orientierung erfolgt mehr aus marktpolitischen Erwägungen. Demgegenüber verhält es sich bei Corporates eher umgekehrt. Deren Hauptaufgabe ist es, neue Ideen und Konzepte im Sinne der Muttergesellschaft zu entwickeln und dieser neue Techniken, ein "Window on Technology", zu erschließen.

Wie eine Befragung unter den Inkubatoren ergab, bevorzugen nahezu alle Teilnehmer eine Fokussierung auf ein bestimmtes Marktsegment, wobei die Mehrzahl den Bereich Internet und E-Commerce nannte. Ein Branchenfokus dient vor allem der Verringerung des Investitionsrisikos und fördert das Synergiepotenzial für die betreuten Unternehmen. Beispielsweise geben rund 20 Prozent der Inkubatoren einen Fokus auf den noch jungen Sektor M-Commerce an. Innerhalb des Bereiches E-Commerce sind die Geschäftsfelder Commerce Content (72 Prozent), Financial Services (13 Prozent) und Sicherheit (acht Prozent) von Bedeutung.

Was die Entwicklung des Marktes für Inkubatoren betrifft, gehen die Autoren davon aus, dass eine Konsolidierung stattfinden wird beziehungsweise bereits im Gang ist. Entscheidender Wettbewerbsfaktor wird künftig der Zugang zu innovativen und verwirklichbaren Ideen sein. Hinzu kommt eine Veränderung der Kundenstruktur der Inkubatoren.

Die Startup-Welle, die auch durch Gründer mit wenig Unternehmererfahrung angetrieben wurde, dürfte an Schwung verlieren. Gleichzeitig wird der Konkurrenzdruck zwischen den jungen Unternehmen ansteigen und zu einer größeren Bedeutung des Time-to-Market führen. Die bedeutet für die Inkubatoren, dass auch die an sie gerichteten qualitativen Anforderungen wachsen werden.