New.net bietet Alternative zum DNS

Startup will Icann mit neuen Domains aushebeln

09.03.2001
MÜNCHEN (CW) - Der Internet-Investor Bill Gross, CEO des Inkubators Idealab, will die Domain-Bürokratie des Internet entmachten. Dem von der Internet-Behörde Icann kontrollierten Domain Name System (DNS) soll unter dem Namen New.net ein alternatives System Konkurrenz machen, das eine unbegrenzte Zahl neuer Top Level Domains (TLDs) wie .shop, .mp3, .kids oder .xxx ermöglicht.

Bisher ist die Zahl der TLDs streng begrenzt. Neben den länderspezifischen Domains, den Country TLDs, gibt es nur einige wenige internationale Domains, die generischen gTLDs wie .com, .net oder .org. Die Zahl der bestehenden TLDs ist wegen der permanenten Namensknappheit vielen Kritikern zu gering, und auch die mittlerweile von der Icann verabschiedete Erweiterung um sieben neue Domains wird nur kurzzeitig Linderung bringen.

Große Unzufriedenheit mit Icann-Domains

Die Idee, unbegrenzten Raum für Internet-Namen zu schaffen, ist nicht neu, schon vor Jahren haben immer wieder DNS-Revoluzzer am alten Monopol gerüttelt. So hatte beispielsweise der US-Amerikaner Eugene Kashpureff 1997 für Aufsehen gesorgt, als er kurzzeitig alle Anfragen an die .com-Domain-Datenbank von Internic auf seinen Alternic-Server umgeleitet und somit Teile des Internet für Tage blockiert hatte.

Auch einige halbseidene Provider haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, Geld mit dem Registrieren von in Aussicht gestellten neuen Domains zu machen. Firmen wie Iperdome oder Image Online Design hatten ihren Kunden eine bevorstehende Erweiterung der Top Level Domains um .per beziehungsweise .web versprochen, ohne dass diese Domains jemals ans Netz gingen.

New.net versucht nun etwas Ähnliches wie damals Alternic, wobei das neue Unternehmen mit Venture-Kapital ausgestattet ist und somit eher die notwendigen Kooperationen finden könnte. Das Unternehmen hat bereits einige Vereinbarungen mit anderen Internet-Firmen getroffen, so etwa mit den US-Providern Earth Link, Excite@Home und Netzero. Die neuen Adressen sind damit in wenigen Wochen für etwa 16 Millionen Surfer erreichbar.

Technisch wäre es kein Problem, das etablierte Domain-System und somit den Machtbereich der Icann zu umgehen. Es müssten dazu lediglich altenative Name-Server zugänglich sein, die die neuen Domains verwalten. Name-Server haben ähnlich einem Telefonbuch die Funktion, die im Internet üblichen IP-Nummern mit einer Domain wie Firma.com in Verbindung zu setzen.

Kooperationen mit Providern

Das Etablieren eines neuen Domain-Systems würde allerdings eine flächendeckende Unterstützung voraussetzen. Entweder bieten alle Provider den zusätzlichen Service an, was derzeit unwahrscheinlich ist, oder aber jeder Sufer ändert eine Kleinigkeit an seiner DFÜ- oder Netzwerkkonfiguration - was ebenfalls einen immensen Missionierungsaufwand erfordern würde. Denn wenn E-Commerce-Sites mit Namen wie Web.shop erfolgreich sein wollen, müssen sie von allen Surfern erreicht werden können, was eine Umstellung quasi über Nacht nötig machen würde. Immerhin bietet New.net auf seiner Website eine kinderleichte Installationsprozedur. Der Klick auf einen Link löst auf Windows-Rechnern einen Installationsvorgang aus, wobei das nötige Active-X-Plugin auf dem Rechner installiert wird.

Für ISPs könnte das neue System durchaus interessant sein, wenn New.net sie etwa am Verkauf von Domains beteiligen sollte. Ungelöst sind allerdings Fragen, die die Namensrechte betreffen. Das bisherige Icann-Modell mit wenigen TLDs begünstigt Markeninhaber, da dabei keine inflationäre Verwendung von Namen unter unzähligen Second Level Domains möglich ist. Im Szenario der völlig freien TLDs wäre der Missbrauch von Markennamen praktisch nicht mehr zu kontrollieren, außerdem wäre es für Surfer zunehmend schwierig, sich URLs zu merken.

Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit stehen in Frage

Eine weitere Frage ist die der Zuverlässigkeit des neuen Systems. Die immense Zahl von Namensanfragen, die im DNS minütlich anfallen, kann nur durch die dezentrale Verteilung der Name-Server auf die Provider bewältigt werden. Solange nicht ein großer Prozentsatz der Provider auf das neue System umgestiegen ist, laufen die Anfragen an neue Adressen bei den wenigen existierenden New.net-Servern zusammen - entsprechende Verzögerungen sind zu befürchten. Es bleibt also abzuwarten, ob New.net genügend Partner in der Industrie findet, die das System unterstützen.