Starthilfe: Überbrückungsgeld und Ich AG

30.07.2003
Von 
Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.

Einfacher ist es, an Gelder aus dem Fördertopf der Ich AG zu gelangen. Ein Business-Plan samt Finanzierung ist dafür nicht notwendig, geschweige denn ein Gutachten über die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Geschäftsidee. Konrad Zipperlen, Leiter des Existenzgründungsbüros bei der IHK München, sieht das mit gemischten Gefühlen: „Das Konzept ist der rote Faden, an dem sich der Gründer orientiert und mit dessen Hilfe er sich bewusst wird, was er eigentlich will. Je durchdachter die Planung und Finanzierung, umso größer sind die Chancen für eine erfolgreiche Gründung.“ Zipperlen rät daher allen Gründern einer Ich AG, sich ausführlich beraten zu lassen und einen Business-Plan zu erstellen: „Ohne schriftliches Unternehmenskonzept erhalten Gründer schließlich auch keinen Bankkredit.“

Die Ich AG, übrigens Unwort des Jahres 2002, heißt im offiziellen Sprachgebrauch „Existenzgründerzuschuss“. Dabei handelt es sich nicht um eine Aktiengesellschaft, wie der Name suggeriert, sondern um ein Kleinstgewerbe. Die Inhaber der Ich AG dürfen im Jahr nicht mehr als 25 000 Euro einnehmen - abzüglich Steuern und Sozialversicherungsausgaben. Unter diesen Betrag fallen auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder Kapitalerträge.

Bürokratie hält sich in Grenzen

Der Zuschuss zur Ich AG beträgt im ersten Jahr pauschal 600 Euro, im zweiten Jahr 360 Euro und im dritten Jahr 240 Euro pro Monat. Insgesamt werden Gründer einer Ich AG über drei Jahre hinweg mit 14 400 Euro gefördert. Voraussetzung: Sie müssen mindestens einen Tag lang Arbeitslosengeld bezogen haben und können nicht - wie beim Überbrückungsgeld - aus einer Festanstellung heraus eine eigene Existenz gründen.

Carla Josette Martini aus München war über ein Jahr lang arbeitslos. Seit April ist die 27-jährige Mediendesignerin aus München selbständig auf Basis der Ich AG. Mit ihrer Firma go2red gestaltet sie Web-Seiten für Firmen. „Ich habe mich für die Ich AG entschieden, da ich schon Arbeitslosenhilfe bezog und daher mit dem Überbrückungsgeld finanziell schlechter gefahren wäre. Außerdem ist der bürokratische Aufwand geringer, weil man keinen Business-Plan braucht“, begründet Martini ihre Wahl.

Konzeptionell dient die Ich AG zur sozialen Absicherung der Gründer und damit eher als Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen als zum Lebensunterhalt. Der Haken: Bezieher des Existenzgründerzuschusses müssen monatlich 230 Euro in die Rentenversicherung einzahlen. Einschließlich Kranken- und Pflegeversicherung sind so schnell 400 Euro im Monat zusammen. Da es aus der Ich AG im zweiten Jahr nur noch 360 Euro Zuschuss gibt, sind die Kosten für die soziale Absicherung damit nur im ersten Jahr gedeckt.

„Wer seinen Lebensunterhalt mit der Gründung bestreiten will, sollte das Überbrückungsgeld wählen“, rät Hermann Steindl, Leiter des Büros für Existenzgründungen am Arbeitsamt München. Die Ich AG passt seiner Meinung nach am besten für Gründer kleiner und kleinster Firmen, die ihre selbständige Existenz etwa auf Teilzeitbasis ausüben und keine hohen Wachstumserwartungen haben. Wer dagegen unternehmerisch erfolgreich ist und mehr als die Höchstgrenze von 25 000 Euro im Jahr einnimmt, steht eventuell schon nach dem ersten Jahr ohne Förderung da.

Das Arbeitsamt prüft die Erträge der Ich AGs von Jahr zu Jahr neu. Zudem darf der Inhaber einer Ich AG keine externen Mitarbeiter, sondern allenfalls Familienangehörige beschäftigen. Daher heißt die Ich AG auch „Familien AG“. IHK-Vertreter Zipperlen macht die Entscheidung zwischen Ich AG und Überbrückungsgeld auch vom früheren Einkommen des Gründers abhängig. „Je höher das Arbeitslosengeld, desto eher lohnt sich das Überbrückungsgeld. Daher ist vor allem für IT-Leute das Überbrückungsgeld lukrativer“. Steindl ergänzt: „Die Förderung durch die Ich AG verteilt sich über drei Jahre und reicht nicht für den Lebensunterhalt. Das Überbrückungsgeld jedoch gibt zumindest in der schwierigen Anlaufphase existenzielle Sicherheit.“

Für den Datenbankentwickler Kai Schmalstieg war das Überbrückungsgeld sogar der entscheidende Anstoß, zu kündigen und sich selbständig zu machen. Seit einigen Monaten entwickelt der 32-Jährige nun auf eigenes Risiko Projekte für verschiedene Firmen, darunter ein Content-Management-System und einen Webshop. Allerdings hat er sich nicht nur auf die staatliche Finanzspritze verlassen, sondern sich auch von Experten beraten lassen. In der Hannoveraner Initiative „Alt hilft Jung“ engagieren sich erfahrene Manager, die Schmalstieg dabei halfen, einen tragfähigen Business-Plan aufzustellen.