Starkes Wachstum im deutschen IuK-Markt

21.12.2000
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

Der deutsche Markt für Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) konnte nach Untersuchungen der Diebold Deutschland GmbH im abgelaufenen Jahr mit überraschend hohen Wachstumsraten glänzen. Auch für 2001 gehen die Berater von ähnlichen Zuwächsen aus.

Wir waren in einigen Teilmärkten und damit in der Summe zu pessimistisch", musste Diebold-Geschäftsführer Gerhard Adler in seinem Vortrag zur Entwicklung der IT-Branchenkonjunktur auf dem "Marktforum 2000" einräumen. Fast schon traditionell blickt das Management-Beratungshaus am Ende eines Jahres auf das Marktgeschehen zurück ­und riskiert einen Ausblick.

Was die vergangenen zwölf Monate angeht, lagen die Diebold-Spezialisten jedenfalls in puncto Wachstumsentwicklung leicht daneben. Denn für den gesamten deutschen IuK-Markt hatten sie vor Jahresfrist allenfalls einen Zuwachs zwischen sechs und sieben Prozent prognostiziert; wie es sich im Moment jedoch abzeichnet, dürfte das Volumen im Jahr 2000 um neun Prozent auf fast 320 Milliarden Mark gestiegen sein. Adler machte für die "etwas schiefe Prognose" vor allem das Geschehen im TK-Segment verantwortlich, das mit einem Plus von 8,5 Prozent um zwei Prozent über den Diebold-Erwartungen lag. Ein sich nicht so dramatisch wie im Vorjahr fortsetzender Preisverfall bei Dienstleistungen und Tarifen sowie der "überdimensionale" Boom im Mobilfunk samt dem Ausrüstergeschäft sei dafür ausschlaggebend gewesen.

Im Rahmen der Erwartungen blieben indes die klassischen IT-Sparten Hardware sowie Software und Dienstleistungen, die im Vorjahresvergleich um sieben (Diebold-Prognose: 6,5) Prozent auf ein Volumen von 42,9 Milliarden Mark beziehungsweise acht (7,5) Prozent auf einen Gesamtumsatz von 57,9 Milliarden Mark zulegen konnten. Mit Abstand größter Wachstumstreiber waren jedoch laut Diebold die so genannten Embedded Systems, also zum Beispiel Prozessoren und intelligente Softwarelösungen, die in Fahrzeugen oder Maschinen zum Einsatz kommen. Das Geschäft mit solchem IT-Equipment nahm im abgelaufenen Jahr um zwölf Prozent auf ein Volumen von rund 44 Milliarden Mark zu und hat damit bereits einen respektablen Anteil von 14 Prozent am IuK-Markt in Deutschland erobert.

Anders als etwa die im Dachverband Bitkom organisierten großen IuK-Herstellervereinigungen bezieht Diebold in seinen Marktanalysen neben besagten Embedded Systems auch noch die Sparten Bauelemente/Baugruppen sowie Unterhaltungselektronik ein, wodurch sich das hohe Gesamtmarktvolumen von fast 320 Milliarden Mark erklären lässt. Zum Vergleich: Der Bitkom sprach auf der diesjährigen CeBIT von einem IuK-Marktvolumen in Höhe von 235 Milliarden Mark, korrigierte diesen Wert allerdings im Herbst noch geringfügig nach oben.

Prognosen für 2001

Noch interessanter als die Rückschau auf das abgelaufene Jahr dürften jedoch die Trends sein, die Diebold für 2001 auf die einzelnen Segmente des IT-Marktes zukommen sieht. So gehen die Berater zum Beispiel davon aus, dass im Softwaremarkt das reine Produkt- beziehungsweise Lizenzgeschäft um knapp zehn Prozent auf ein Volumen von dann beinahe 29 Milliarden Mark steigen wird. Als Konjunkturlokomotive (plus 13,3 Prozent) dürften sich dabei primär ERP-Lösungen entpuppen, während es bei Systemsoftware (zum Beispiel Betriebssystemen) mit Ausnahme von Datenbank- und Middleware-Tools eher zu moderaten Zuwächsen (plus 6,3 Prozent) kommen wird.

Diebold begründet diese auf den ersten Blick überraschende Aussage mit dem nach wie vor großen Bedarf an expliziten Branchenlösungen. Die Ausweitung der Nachfrage nach Standardapplikationen und das Thema Digital Business treiben ihrerseits wiederum das Implementierungs- und Systemintegrations-Geschäft an, hieß es auf dem Marktforum 2000 weiter. Diebold erwartet deshalb im Software-Projektgeschäft, das im abgelaufenen Jahr etwa 17 Milliarden Mark in die Kasse der einschlägigen Anbieter brachte, für 2001 ein Plus von etwa 12,5 Prozent ­ wobei Entwicklungsprojekte mit einem Wachstum von 9,8 Prozent und das Thema IT-Consulting mit einer Steigerung von knapp 15 Prozent zu Buche schlagen sollen. Insgesamt werde es, so Diebold, zu deutlich höheren Anforderungen an die Softwareanbieter in puncto Integrationskompetenz , Prozessberatung und -Unterstützung sowie Projekt-Management kommen.

ASP-Geschäft hat gute Karten

Recht diffus wird sich im kommenden Jahr den Diebold-Prognosen zufolge das Geschäft mit IT-Dienstleistungen entwickeln, einem der derzeit ohnehin umkämpftesten Marktsegmente. Dort sei mit einer eher verhaltenen Marktdynamik, insbesondere bei Hardware-Maintenance und Desktop-Services, zu rechnen, während die Wachstumskurve beim klassischen Outsourcing, vielfach unter neuer Etikettierung wie Application-Service-Providing (ASP) vermarktet, mit einem Plus von knapp neun Prozent wieder steiler nach oben gehen dürfte.

Noch deutlicher zulegen dürfte allerdings das IT-Trainings- und Schulungsgeschäft, bei dem ein Anstieg der Umsätze um mehr als zehn Prozent prognostiziert wird. Insgesamt rechnen die Diebold-Analysten damit, dass der deutsche IT-Servicemarkt, der im abgelaufenen Jahr ein Volumen von rund 15 Milliarden Mark hatte, 2001 um durchschnittlich sieben Prozent wachsen wird. Durchwegs erfreuliche Perspektiven bieten sich nach Ansicht von Diebold im kommenden Jahr auch im Hardwaremarkt. Die Einnahmen der entsprechenden Anbieter dürften dann (nach einem Plus von sieben Prozent im Jahr 2000) um weitere 6,8 Prozent auf einen Gesamtumsatz von 45,85 Milliarden Mark klettern. Größte Wachstumsträger werden hier, wie schon im laufenden Jahr, die Segmente Kommunikations-Tools/Erweiterungen/Peripherie sowie NT-Server mit einem Zuwachs von 9,9 beziehungsweise 11,7 Prozent auf ein Volumen von dann 10,8 respektive 2,8 Milliarden Mark sein.

Großrechner dringen in die New Economy vor

Der mit Abstand größte Umsatzbringer bleibt auch im kommenden Jahr das Geschäft mit PC-Arbeitsplatzsystemen (Desktop, Mobile, Highend-Systeme), das um 7,4 Prozent auf knapp 17 Milliarden Mark zulegen wird. Größte Cash-Cow in Sinne hoher Margen ist indes nach wie vor das Mainframe-Business. Hier können sich IBM & Co. laut Diebold über eine "Stabilisierung auf hohem Niveau" freuen ­ sprich: das Marktvolumen geht um lediglich ein Prozent auf 3,15 Milliarden Mark zurück. "Die Großrechner haben es langsam geschafft, auch in die New Economy vorzudringen", kommentierten mehrere Diebold-Berater in Frankfurt ihre entsprechende Erwartungshaltung. Allerdings werde das Geschäft in der ersten Jahreshälfte 2001 noch von einer gewissen Kaufzurückhaltung geprägt sein, bevor einige Hersteller mit angekündigten neuen Modellen auf den Markt kämen.

Apropos New Economy: Trotz einer anhaltend stabilen Wachstumsentwicklung ­- Diebold prognostiziert dem gesamten deutschen IuK-Markt 2001 ein Plus zwischen acht und neun Prozent - ­ dürfte die IT-Branche in den beiden kommenden Jahren vor gravierenden Umbrüchen stehen. Probleme werden vor allem diejenigen bekommen, die sich bisher nie über ihre Grenzen hinausgewagt haben, nicht bereit sind, neue Wege zu gehen, war einhelliger Tenor auf dem Marktforum ­ eine Erfahrung, die zum Teil bereits Anbieter und Anwenderunternehmen, die den Internet-Trend verschlafen haben, machen mussten. Mittlerweile sei es, so Diebold-Geschäftsführer Adler, in der Internet-Wirtschaft schon ein geflügeltes Wort, dass es ohne Profit kein Überleben gibt, dass Investoren noch keine Kunden sind und dass "erfolgreiches Geschäft eine Marke etabliert, nicht umgekehrt". Sowohl für die IT-Hersteller und ­ Dienstleister als auch deren Kunden gelte: Das Kreieren erfolgreicher Alleinstellungsmerkmale werde immer schwieriger; Differenzierungspotenziale würden immer geringer.

Digital Business sorgt für übergreifenden Druck

Für die Anwender bedeute dies vor allem eine Konsequenz: IT-Projekte müssen schneller erwogen, entschieden und umgesetzt werden. Digital Business erzeuge einen Druck über die tradierten Branchengrenzen hinweg ­ etwa in der Musikbranche, der durch das Internet als neuem (ungewollten) Distributionsweg ihr gesamtes bisheriges Geschäftsmodell wegbricht. Aber auch die IT-Industrie müsse sich warm anziehen. Zwar sorge der E-Business-Hype für eine Kompensation der Ausfälle, die durch das Fehlen der Y2K- und Euro-Umstellungs-Projekte entstanden ist, doch in so manchem Marktsegment werde man vor noch nicht absehbaren Herausforderungen stehen. Etwa im ASP-Geschäft, wo neue, zusätzliche Wettbewerber aus der TK-Szene auf den Plan treten werden; oder im Mobile Business, wo man jetzt erkenne, dass der Return on Investment (ROI) bei UMTS "nur mit Partnern und Inhalten" erreichbar sein dürfte.