Stimmen zur CW-Zuverlässigkeitsbörse 78:

"Stark vernachlässigter Punkt der EDV

14.07.1978

Die Aktion Zuverlässigkeitsbörse der CW begrüße ich aus vollem Herzen. Als Leiter eines Rechenzentrums mit Rechnern verschiedener Hersteller (unter anderen eine IBM 360/50 von 1967), die fast alle als Dislogsysteme betrieben werden, bin ich mit dem Problem der Verfügbarkeit der DV-Systeme schon lange "online" konfrontiert. Mit der Zuverlässigkeitsbörse hat die CW einen meiner Meinung nach bisher sehr stark vernachlässigten Punkt der EDV-Entwicklung aufgegriffen.

Während die reinen Nennleistungen der DV-Systeme in den letzten 10 Jahren etwa um den Faktor 10 gesteigert wurden, ist die Zuverlässigkeit erheblich weniger verbessert worden. Nach meinen Erfahrungen ist die mittlere Zeit zwischen Fehlern (MTBF) im Schnitt etwa nur verdoppeIt worden.

Doch vergleichen wir einmal die Zuverlässigkeit von heutigen DV-Systemen mit der anderer Geräte. Bei einem Auto beispielsweise würde eine MTBF-Zeit von 100 Stunden bedeuten, daß rund alle 5000 Kilometer mit einer Panne zu rechnen wäre: Wer wäre heute noch bereit, ein solches Fahrzeug zu kaufen? Bei den DV-Systemen dagegen wird eine MTBF-Zeit von 50 Stunden schon als sehr gut angesehen!

Natürlich wird ein Mehr an Verfügbarkeit auch mehr Geld kosten; die entscheidende Frage für eine Kosten-Nutzen-Analyse ist aber: Wie sieht der genaue Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit und Kosten aus? Während man die Verfügbarkeit des DV-Systems bei der Hardware durch Verdopplung aller wichtigen Komponenten in trivialer, aber auch sehr teurer Weise erhöhen kann, gibt es bis jetzt kaum einfache Methoden, die Zuverlässigkeit der vorhandenen Software zu steigern. Hier muß noch eine Menge Entwicklungsaufwand geleistet werden.

Gleichermaßen wichtig für die Anwender wie die Hersteller dürfte auch die von der CW geplante Halbjahresauswertung sein. Mit dieser Auswertung können dann hoffentlich auf genügend großer statistischer Basis Fragen beantwortet werden, die dazu beitragen, das Problem. der Verfügbarkeit etwas zu erhellen. Bringt beispielsweise eine Erhöhung der vorbeugenden Wartungszeit auch eine höhere Verfügbarkeit? Wie ist das Verhältnis von Software- zu Hardwarefehlern? Wie ist die durchschnittliche MTBF-Zeit der Universalrechner in Deutschland, getrennt etwa nach Installationsdatum?

Der Versuch der CW, die Daten über die Verfügbarkeit in Form einer Börse mit monatlicher Hitliste zu sammeln gibt den EDV-Leitern hoffentlich genügend Anreiz, an der CW-Aktion teilzunehmen. Es darf allerdings nicht dazu verleiten, die eigenen Daten zu "frisieren", um möglichst oben in der Hitliste zu stehen. Damit wäre der Sinn der Aktion in Frage gestellt. Ich hoffe jedenfalls auf eine rege Teilnahme und bin sehr gespannt auf die ersten Notierungen an der Zuverlässigkeitsbörse.

Dr. Heinz W Mühlenbein (Studium der Mathematik; DV seit 1966) ist seit 1975 Leiter des Rechenzentrums Birlinghoven der GMD (Siemens 7.748, 4004/151, lBM /360-50). Hauptarbeitsgebiet: Leistungsdefinition und Leistungsanalyse von DV-Systemen,

aktive Mitarbeit im Vorstand von WASCO.