US-Softwareforscher warnen:

Star-Wars-Konzept technisch undurchführbar

23.05.1986

PACIFIC GROVE (CWN) - Dem SDI-Programm der Reagan-Regierung fehlen die technologischen Voraussetzungen. Zu diesem Schluß kommt eine Gruppe führender amerikanischer Softwarexperten in einem Thesenpapier, das sich mit dem Entwicklungsstand der Computertechnologie befaßt. Um die Anforderungen der Regierung zu erfüllen, brauche man unter anderem Computer von nie dagewesener Komplexität.

Zu den 36 der insgesamt 61 Teilnehmer eines Workshops über fehlertolerante dezentrale Datenverarbeitung, die das Statement unterzeichneten, gehören Vertreter des IBM-Forschungszentrums Almaden in San Jose, ferner Experten von AT&T, DEC, Tandem, Wang, Xerox und mehreren bekannten Hochschulen. Der unter dem Stichwort Star Wars bekanntgewordene SDI-Plan könne unter den gegebenen Voraussetzungen keines der vom Präsidenten beabsichtigten Ziele erreichen, warnen die Softwareforscher.

Außer der Entwicklung des US-Schutzschirms gegen sowjetische Atomangriffe hatte Reagan eine Konjunkturbelebung mit positivem Effekt auf die Beschäftigungslage versprochen. Doch die Entwickler, die davon betroffen sind, geben nun immer mehr zu, daß sie sich überfordert fühlen und daher die staatliche Förderung überhaupt nicht ausnützen können. Zu groß sei der Mangel an Grundlagenwissen sowohl bei der Hard- als auch bei der Software, um in absehbarer Zeit in die von ihnen erwartete Entwicklung von konkreten Produkten einsteigen zu können.

"Kein vergleichbar umfassendes Softwaresystem hat jemals wirklich funktioniert", meint David Redell vom DEC-Systemforschungszentrum in Palo Alto. "Ich sehe keine Möglichkeit, einen vollständigen Funktionstest überhaupt durchzuführen. Dieses System soll verteilte DV, Echtzeit und Fehlertoleranz miteinander verbinden. Doch diese drei Eigenschaften würden sich gegenseitig in die Quere kommen". Auch viele andere SDI-Kritiker, fast alle Softwarespezialisten auf dem Gebiet der fehlertoleranten Systeme, halten die Vorgaben für unrealistisch.

Redell legte in einem Interview Wert auf die Festellung, daß die unterzeichnenden Ingenieure sich spontan zur Herausgabe des Statements entschlossen hätten und in keiner Beziehung zu institutionalisierten Gruppen wie den "Computer Professionals for Social Responsibility" stünden. Aber sie hätten sich in ihrer Verantwortung als Fachleute zu dieser Warnung genötigt gesehen. Zu den Universitätsvertretern unter ihnen zählen Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und den Hochschulen Berkeley, Carnegie-Mellon, Stanford, Yale und Cornell.