Standortdebatte einmal anders

28.01.1994

Es ist schon beeindruckend: Waehrend sich Deutschland in eine tiefe Strukturkrise redet, setzt man in einem kleinen Land am Mittelmeer, das sich seit seiner Gruendung mehr oder weniger in permanentem Kriegszustand mit seinen Nachbarn befand, zum Sprung auf die Wachstumsmaerkte der Zukunft an. Stolz ruehmen sich die israelischen Hersteller von Daten- und Telekommunikationsequipment schon als Nummer zwei beziehungsweise drei auf dem Weltmarkt.

In diesem Zusammenhang muss die Frage erlaubt sein: Wo sind die deutschen Hersteller, die sich wie Siemens in den alten Zeiten des TK-Monopols der Post eine goldene Nase verdienten und immer noch verdienen, im globalen Wettbewerb zu finden? Unter ferner liefen! Bei dem Rennen um die Maerkte der Zukunft ist es in Deutschland jedenfalls erstaunlich ruhig, mit Ausnahme von kleinen Unternehmen wie Schneider und Koch, die zumindest auf dem FDDI-Markt noch ein Woertchen mitzureden haben.

Waehrend die Israelis beispielsweise die immigrierten Ingenieure und Programmierer aus der ehemaligen UdSSR als Chance zur Verstaerkung der R&D-Aktivtaeten begruessten, wurden und werden die Betriebe ihrer Kollegen in der ehemaligen DDR als unliebsame Konkurrenz abgewickelt und die Beschaeftigten mit Handschlag in die Arbeitslosigkeit entlassen - auch eine Methode, den Anschluss an die Weltspitze zu verpassen. Wenn sich dann die deutsche Industrie darueber beklagt, sie finde nicht genuegend innovative Fachkraefte, grenzt dies in den Augen des Verfassers an Schizophrenie.

Schizophren ist aber auch, wenn Unternehmen wie Siemens ins Feld fuehren, dass ihre TK-Produkte aufgrund der hohen Personalkosten in Deutschland auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfaehig sind - ihre Leiterplatten aber bereits in Lohnproduktion bei Telrad in Israel fertigen lassen. Auf diese Art wird dem Konkurrenten von morgen das Kapital fuer die Entwicklung und Markteinfuehrung neuer Produkte zur Verfuegung gestellt - denn wo Geld zu verdienen ist, wissen die Israelis ganz genau. So arbeitet beispielsweise Telrad mit Nachdruck an einer BZT-Zulassung seiner ISDN-Komponenten fuer Deutschland.

Auf die Anklagebank gehoeren aber nicht nur die deutschen Hersteller allein, auch die verantwortlichen Politiker in Bonn sollten sich langsam ueberlegen, was sie zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland tun wollen. So lange man dort jedenfalls nach dem Giesskannenprinzip einen Milliardensegen an Subventionen den Industrien von vorgestern zukommen laesst, waehrend der Rest der Welt - Stichwort Information-Highway - mit Nachdruck am Eintritt in das Informationszeitalter arbeitet, kann kaum von aktiver Zukunftssicherung gesprochen werden. So gesehen sind hierzulande die Foerderungsprogramme, wie sie das israelische Chief Science Office vorexerziert, momentan wohl noch Wunschtraeume. hi