Standards machen Services preiswert

19.06.2006
Mit der Industrialisierung von IT-Prozessen lassen sich Dienstleistungen günstiger betreiben oder auslagern.

Die Anbieter von Auslagerungsdiensten sind zuletzt in Bedrängnis geraten. Der Outsourcing-Umsatz entwickelt sich nicht so stark wie erwartet, es gibt weniger große und lukrative Abschlüsse, und die Anwender gehen viel besser vorbereitet in Auslagerungsverhandlungen als in früheren Zeiten. Das alles in Kombination mit dem anhaltenden Druck indischer Offshoring-Anbieter auf die Preise geht zu Lasten der Margen und Einnahmen der etablierten Service-Provider.

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Der Weg zu effizienten IT-Diensten

1. Wählen Sie nicht den billigsten Anbieter: Die Service-Provider können Dienstleistungen zu fast jeden Preis liefern, indem sie Subunternehmen einbinden. Doch wer in Verhandlungen die Marge seines Service-Partners bis über die Schmerzgrenze hinaus reduziert, kann keine Qualität erwarten: Schlechte Services sind teuer, weil sie die Produktivität der Mitarbeiter belasten und aufwändige Korrekturen erfordern.

2. Definieren Sie die standardisierbaren Services: Einfache Dienste wie das Desktop- und Netzwerk-Management lassen sich gut standardisieren und automatisieren. In diesen Segmenten ist auch die Auslagerung eine Option.

3. Identifizieren Sie innovative Möglichkeiten zur Leistungsmessung und -abrechnung anhand von Geschäftszielen: Zunehmend gibt es auch in Deutschland Angebote und Beispiele, die IT-Leistungen anhand von Business- Metriken abzurechnen. In solchen Vorhaben sollten Anwender echte Partnerschaften mit ihren Service-Providern eingehen, die von Vertrauen geprägt sind. Für Anbieter und Anwender sind diese Vorhaben zumeist Pilotprojekte, Aufwand und Verlauf der Arbeiten lassen selten detailliert planen.

4. Entwickeln Sie eine Sourcing-Strategie: Ausgehend von den Belangen der Fachabteilungen sollten sich die IT-Verantwortlichen einen Fahrplan zurechtlegen, welche IT-Dienste sie besser selbst betreiben können und welche sie auslagern sollten.

5. Suchen und wählen Sie einen Service-Provider nach einem bewährten Vorgehensmodell: Stellen Sie sicher, dass Anforderungen genau definiert und tatsächlich an den Geschäftsprozessen ausgerichtet sind. Das gilt auch für Service-Level-Agreements (SLAs) und wichtige Vertragsklauseln.

6. Streben Sie in Verhandlungen einen für beide Seiten akzeptablen Vertrag an: Dennoch sollten Sie Ihrem Gegenüber zeigen, wer die Fäden in der Hand hält.

7. Legen Sie die Scheu vor Offshore-Anbietern ab: Die meisten führenden lokalen Anbieter haben in ihrer Lieferorganisation Near- und Offshore-Center eingebunden, und Anwender nehmen diese Offerten gerne an. Indischen Anbietern gegenüber zeigen sich viele Kunden jedoch noch skeptisch. Vor allem bei Commodity-Services ist das nicht mehr angebracht. Je stärker Services standarisierbar sind, desto leichter lassen sie sich in entfernte Länder auslagern. Der Markt ist reif.

(Quellen: Zilch, Experton Group; Longwood, Gartner)

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Services aus dem Katalog

Die Anbieter arbeiten nun verstärkt daran, ihre Lieferstrukturen zu optimieren, um die Services kostengünstiger zu produzieren. "Anbieter entwerfen zunehmend Kataloge etwa für Desktop- und Helpdesk-Dienste, in denen sie Einheitsservices zu Standardpreisen auflisten", schilderte Jim Longwood, Research Vice President beim Analystenhaus Gartner. "Das ist ein Zeichen dafür, dass die derzeitige Auswahl an IT-Outsourcing-Diensten in dem Maße, wie ihre Nutzung und Auslieferung reifer wird, mehr Produktcharakter bekommt."

Dieser Trend kommt den Anwenderunternehmen durchaus entgegen, immerhin stehen die Budgets der IT-Verantwortlichen seit Jahren unter Kostendruck. Außerdem bemühen sie sich selbst schon lange um homogene IT-Strukturen und einheitliche Lieferprozesse im eigenen Haus. Das wachsende Interesse an Best Practices wie der IT Infrastructure Library (Itil) ist Beleg dafür. "Der IT-Betrieb muss weg vom Kunsthandwerk und hin zu einer industriellen Produktion", bekräftigt Kurt Servatius, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Agis GmbH in Unterföhring, dem hausinternen IT-Dienstleister des Allianz-Konzerns. "Das ist ein steiniger Weg, weil die IT-Mitarbeiter dies als Einschränkung ihrer Kreativität erachten und die Fachabteilungen um Flexibilität, Schnelligkeit und Qualität fürchten." Doch diese Sorgen, so Servatius, seien unbegründet, denn einheitliche Prozesse könnten Freiräume dafür schaffen, Neuerungen schnell umzusetzen. "Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden", so der Agis-Chef.

Gartner-Manager Longwood erwartet mit fortschreitender Vereinheitlichung sogar eine Verbesserung der Qualität auf Anwender- und Anbieterseite gleichermaßen. "Interessanterweise geht die Standardisierung mit einem Innovationsprozess einher: Die Service-Provider können ihre Lieferprozesse kontinuierlichen Verbesserungsmethoden wie Six Sigma unterwerfen", erläutert er. "Und die Anwender können sich, indem sie Standardprozesse von externen Lieferanten beziehen, auf Neuerungen im Kerngeschäft konzentrieren." Zudem ließen sich bei einfachen und einheitlichen Services nutzungsabhängige Bezahlmodelle relativ leicht umsetzen.

Beispiel dafür sind etwa der Server-Betrieb, das E-Mail- und Datenbank-Hosting, das Desktop-Management sowie Helpdesk-Services und der Betrieb der Kommunikationsinfrastruktur. Andreas Zilch, Vorstand und Lead Advisor der Experton Group, zählt darüber hinaus das SAP-Hosting- und Payroll-Services dazu: "In diesen Bereichen ist ein hoher Standardisierungsgrad erreichbar und somit auch eine kostengünstige, automatisierte Massenabwicklung."

Austauschbare Produkte

Es sind vor allem solche IT-Aufgaben, die im Lauf der Zeit gereift sind und keinen unmittelbaren Mehrwert für das Kerngeschäft darstellen, sich gut standardisieren, automatisieren und damit auslagern lassen. Dabei gilt zudem: Je einheitlicher die Dienste sind, desto weiter entfernt lassen sie sich verlagern.

Hiesige Service-Provider geraten damit unter Handlungsdruck: Sie müssen ihre Prozesse industrialisieren, um wettbewerbsfähige Preise bieten zu können. Je einfacher und austauschbarer sie ihre Produkte gestalten, desto leichter können die Anwender sie jedoch durch Offerten indischer Anbieter austauschen. "Die Kunden zeigen sich in den vergangenen Monaten offener gegenüber Offshoring-Angeboten", weiß Zilch.

Anwender sperren sich

Allerdings warnen Gartner und Experton einhellig davor, die Preise bis zum Letzten auszureizen. "Natürlich sollten die Anwender darauf achten, wettbewerbsfähige Preise zu bekommen. Muss der Provider allerdings drauflegen, ist eine Quelle für stetige Probleme geöffnet", fürchtet Gartner-Experte Longwood. Zudem hat auch der Trend zur Vereinheitlichung seine Grenzen, warnte Agis-Chef Servatius: "Das Investment-Banking stellt beispielsweise die Anforderung, neue Produkte sehr schnell auf den Markt zu bringen, die zudem nur eine sehr kurze Nutzungsdauer haben. Die Daten und Systeme müssen jedoch einige Jahre weitergeführt werden. Dieser Anspruch lässt sich oft mit Standardlösungen nicht erfüllen."

Generell stößt der Standardisierungs- und Automatisierungstrend über all dort an seine Grenzen, wo IT-Services sehr eng mit dem Kerngeschäft der Anwenderunternehmen verwoben und damit zumeist sehr individuell sind oder wo sie neue technische Entwicklungen integrieren. Beispiele für Neuerungen in der IT, in denen Anwender- und Anbieter noch Integrations- und Betriebserfahrungen sammeln müssen, sind Experton-Manager Zilch zufolge etwa das Identity-Management, das Information-Lifecycle-Management sowie Business Intelligence. "Diese Angebote durchlaufen allesamt den typischen Reifeprozess, an dessen Ende möglicherweise Services stehen, die standardisierbar und damit gut auszulagern sind", hofft Zilch.

Doch abseits des technisch Machbaren müssen IT-Manager mit Akzeptanzproblemen rechnen. "Bei Standardisierung, Zentralisierung und Automatisierung muss man sich auf die Belange der Kunden fokussieren und die Verantwortlichen in den Fachabteilungen ins Boot holen. Die Vereinheitlichung geht meist zu Lasten eingewurzelter Gewohnheiten der Nutzer", schildert Servatius. Die Anwender müssen sich demnach von lieb gewonnenen Abläufe trennen, dass ist für sie zunächst einmal unbequem. Allerdings, so berichtet der Allianz-Manager, fassen die Verantwortlichen in den Fachabteilungen zumeist dann Vertrauen in diese Vorhaben, wenn man ihnen günstigere Leistungen und eine schnelle und verlässliche Umsetzung ihrer Anforderungen in Aussicht stellt.