Neue Speichertechnologien

Standardisierung: Anbieter im Clinch

28.08.1998

Nie wurde mehr über Massenspeicher gesprochen und diskutiert als heute. Das war nicht immer so. Lange Zeit dümpelte die Massenspeicherentwicklung vor sich hin und wurde eher als zweitrangiger Markt bewertet. Doch seit das Wort Multimedia nicht nur geformt, sondern auch praktiziert wurde und sich parallel dazu das Internet als scheinbar unbegrenzter Informationspool für jedermann entwickelte, platzen die bisherigen Speicher aus allen Nähten. Jeder Storage-Produzent, der etwas auf sich hielt, entwickelte neue Technologien, die für höhere Kapazitäten und Geschwindigkeiten sorgen sollen. Das Angebot ist kaum noch zu überblicken. MO, Limdow, DVD-RAM, DVD+RW, DVD-R, CD-RW, Zip, Spar Q, Syjet, Syquest-Wechselplatte, Jazdrive, PD und Hi-FD-Floppy sind nur einige der konkurrierenden Produkte (siehe Kasten "Die wichtigsten Abkürzungen").

Wie immer, wenn es um Marktanteile geht, entstehen mehr Formate und Technologien, als nötig wären. Hinzu kommen Versprechungen und Zukunftsvisionen abenteuerlicher Speichertechnologien, die entweder nur auf dem Papier existieren oder mit denen auf Sparflamme lediglich experimentiert wird. Ernst zu nehmen sind jedoch nur die wenigsten.

Auf Dauer wird sich ein solches Szenario nicht halten können. Einige wenige Technologien werden sich durchsetzen, andere verschwinden. Erste Tendenzen und Trends zeichnen sich ab.

- Hochleistungsfestplatte: Der erste Weg zur Festplatte der Zukunft geht über eine Erhöhung der Datendichte und über die Verwendung mehrerer, parallel arbeitender Platten. Der zweite Weg, die Erhöhung der Umdrehungszahl, bringt die Schreib- und Lesegeschwindigkeit auf ein Niveau, das mit der zunehmenden Geschwindigkeit der Prozessoren in etwa Schritt halten kann. 10000 Umdrehungen pro Minute (rpm) sind Stand der Technik und mit Sicherheit noch in diesem Jahrtausend Standard. Die damit erreichbaren Geschwindigkeiten liegen heute schon bei den Produkten "Cheetah LP" von Seagate und "Ultrastar" von IBM bei über 13,5 MB/s. Mit einem Raid-0- Array aus vier Cheetah LP kann beispielsweise leicht ein Durchsatz von 65 MB/s erreicht werden.

Die Hersteller experimentieren bereits mit noch höheren Drehzahlen für zukünftige Generationen. Das Potential scheint noch nicht ausgereizt zu sein. Dabei haben die hohen Drehzahlen kaum zu übersehende Nachteile. Sie erzeugen einen unangenehmen hohen Pfeifton, der teilweise bis in nicht hörbare Frequenzen reicht. Das kann nachweislich nervöse Störungen hervorrufen. Mit solchen Festplatten ausgestattete Rechner müssen deshalb außerhalb der Hörweite des täglichen Arbeitsbereiches stehen, um ein erträgliches und produktives Arbeiten zu ermöglichen. Daß dies nicht ohne zusätzliche Kosten erreichbar ist, liegt auf der Hand.

Die Leistungsgrenze liegt bei 47 GB

In puncto Kapazität liegt derzeit die Schallmauer bei 47 GB. Seagates Platte 47 ist derzeit Rekordhalter in dieser Disziplin. Breite Anwendungen für diese Kapazitäten sucht man heute jedoch noch. Bei künftig zunehmender Sprach- und Bewegtbildverarbeitung wie Spracherkennung, Videoconferencing, etc. könnten diese hohen Kapazitäten jedoch schnell alltäglich werden. Heute ist das Produkt bereits gut für schnelle Archive in LAN-, WAN-, Internet- beziehungsweise Intranet-Servern einsetzbar. Beispielsweise kann ein Array aus 22 Stück der 47er-Platten im 5,25-Zoll-Format einen Terabyte-Speicher mit einer Geschwindigkeit von etwa 170 MB/s schaffen. Die schnellsten Jukeboxsysteme benötigen dagegen bis zu zwei Sekunden, um eine Disk erst einmal bereitzustellen, ganz zu schweigen von den niedrigen Datenraten der MO-, CD-ROM oder PD-Medien.

- DVD-RAM (siehe Seite 52) konkurrenzfähige Leistung erst ab der zweiten Generation: Auch bei den Wechselspeichern ist nach wie vor ein Gerangel im Gange. Ganz besonders die neue beschreibbare DVD ist, vorsichtig ausgedrückt, hart umworben. Statt einen für den Anwender möglichst innovativen Konsens zu bilden, gehen gleich vier Konsortien fieberhaft ihre eigenen Wege, obwohl festzustehen scheint, daß kaum einer der drei Gegenvorschläge zu DVD-RAM auf dem Massenmarkt eine Chance haben wird.

Die neuen, 5,2 GB fassenden DVD-RAM-Laufwerke arbeiten zunächst nicht gerade schnell. Die erste Generation wird DVD-Medien mit 1,38 MB pro Sekunde beschreiben und lesen. CD-ROM-, CD-R- und CD-RW-Scheiben liest sie mit 2,76 MB pro Sekunde etwas zügiger. Die Zugriffsgeschwindigkeit von laut Hitachi unter 200 Millisekunden ist CD-ROM-typisch. Panasonic liegt sogar bei nur 80 Millisekunden. Die bereits in der Entwicklung befindliche zweite Generation der DVD-RAM-Laufwerke verdoppelt die Geschwindigkeit und wahrscheinlich auch die Kapazität noch einmal, was dann einem schnellen Limdow-Laufwerk entspräche. Zusätzlich sollen die DVD-RAM-Disks in Zukunft auch in DVD-ROM-Laufwerken und allen DVD-Playern lesbar sein.

Die Datensicherheit des Speicherverfahrens liegt fast im Bereich von MO-Laufwerken. Externe elektrische Störfelder haben jedenfalls keinen Einfluß auf die Daten, denen die Medienhersteller Maxell und 3M eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren versprechen. Bis 1999 sollen die Medien mit zwei übereinander liegenden Schreibschichten lieferbar sein, die eine Verdoppelung der Kapazität ermöglichen.

- Die neue MO-Generation: Einen weiteren innovativen Schritt hat auch die MO-Welt hinter sich. Die vierte Generation der MO-Laufwerke speichert nun 5,2 GB pro Disk und ist um 25 Prozent schneller als die Vorgängergeneration. Damit dürfte die Performance der ersten Geräte bei etwa 3 MB/s liegen. Die mittlere Suchzeit, bei MO-Technologie schon immer in festplattenähnlichen Bereichen, wurde auf 25 Millisekunden verkürzt. Trotz der fortschrittlichen Technik, die zehn Millionen Überschreibvorgänge ermöglicht und eine Disk-Lebensdauer von 50 Jahren garantiert, sind die neuen MO-Laufwerke, wie zum Beispiel Sonys SMO-F551, abwärtskompatibel zu allen bisherigen MO- und Limdow-Laufwerken von 594 MB bis 2,6 GB. Die älteren Versionen bis 1,3 GB können jedoch nur gelesen werden.

Die hohe Kapazität wurde vor allem durch eine weitere Verringerung des Spurabstandes und eine Steigerung der Datendichte erreicht. Für weitere Performance-Steigerungen setzt Sony darüber hinaus einen eigenen Puffer-Algorithmus und einen 4 MB großen Cache-Speicher (S-Cache) ein.

40 GB pro Medium durch Immersions-Linse

Auch in naher Zukunft dürfte der MO-Markt für weitere bahnbrechende Innovationen gut sein. So arbeitet das Konsortium Advanced Storage Technical Conference (ASTC), bestehend aus den Marktführern Fujitsu, Hitachi, Maxell, Imation, Olympus, Philips, Sanyo, Sharp und Sony, seit längerem an einer Neuentwicklung namens "MO 7" (Codename). Sie soll die nächste MO-Generation bilden. Das universelle Format soll erstmals nicht nur kompatibel zu allen bisherigen MO-Standards, sondern auch zu CD-ROM, CD-R und DVD-ROMs sein und gleichzeitig höhere Kapazitäten bieten. Bisher lag im 5,25-Zoll-MO-Bereich die Obergrenze bei 2,6 GB beziehungsweise seit neuestem bei 5,2 GB. MO 7 soll aufgrund höherer Aufzeichnungsdichte durch einen "feineren" Laser und neuer Medienbeschichtung 6 GB pro Scheibe zur Verfügung stellen und damit eine schnelle Alternative zu DVD-RAMs bieten.

Noch einen Schritt weiter will Terastores mit seiner "Near Field Recording Technology" (NFR) gehen. Chairman von Terastores ist Jim McCoy, der Mitbegründer von Quantum und Maxtor. Er hat sich die Rechte an der von Gordon Kino an der Stanford University entwickelten "Solid Immersion Lens" (SIL) gesichert.

Laser sorgt für direkte Aufzeichnung

Diese Linse bündelt den Laserstrahl extrem und läßt dadurch die Erhitzung wesentlich kleinerer MO-Medienbereiche als bisher zu, wodurch die Aufzeichnungsdichte erheblich gesteigert wird. Zusammen mit einem neu entwickelten Magnetkopf und einem geänderten Aufzeichnungsverfahren sollen damit pro 5,25-Zoll-Medium 40 GB Speicherplatz zur Verfügung stehen (beidseitig). Coy will aus mehreren übereinander liegen- den 40-GB-Medien 240-GB- Festlaufwerke bauen, deren MB-Preis unterhalb von 0,1 Cent liegen soll.

120-MB-Floppys gehören zwar nicht mehr zu den brandneuen Speichertechnologien, ihre Hersteller Matsushita, Compaq

und Mitsubishi wollen jedoch Boden gutmachen. Die Geräte sollen die Nachfolger der betagten 1,44-MB-Disketten werden. Im Gegenzug brachte Sony seine "High Capacity Floppy Disk" (Hi-FD) auf den Markt, die 200 MB pro Diskette speichert.

Die zu den beiden konkurrierenden Technologien gehörenden magnetischen Medien kommen im üblichen Floppy-Format und sind kompatibel zu 1,44-MB-Disketten, die sie jedoch sechsmal schneller beschreiben können als bisher. Die neuen 200-MB-Disketten werden laut Sony sogar mit einer Geschwindigkeit von bis zu 3,6 MB/s beschrieben und gelesen. Erreicht wird die hohe Geschwindigkeit durch einen "fliegenden" Magnetkopf (im Gegensatz zur Matsuhita-Technologie mit fester, optisch gesteuerter Führung), der die Medienoberfläche dank einem Luftkissen nicht berührt. Dadurch kann er mit höheren Geschwindigkeiten über die Aufzeichnungsschicht bewegt werden und auch die Umdrehungszahl ließ sich erhöhen. Der neue Dual-Gap-Schreib-Lesekopf stammt aus dem Hause Sony, während die mit einer dünnen Metallschicht versehenen 200-MB-Disketten mit "Atomm"-Technologie von Fuji stammen. Sonys Magnetkopf ist für die 200-MB-Disketten mit einem extrem schmalen Kopfspalt ausgestattet.

Chancen im privaten und professionellen Markt

Chancen haben die neuen Hochkapazitäts-Technologien sowohl auf dem Privatmarkt als auch im professionellen Bereich. Liefern in Zukunft die PC-Hersteller ihre Rechner statt mit einer 1,44-MB-Floppy mit den neuen Laufwerken aus, erfreuen sich diese wohl in kürzester Zeit der größten installierten Basis bei Wechsellaufwerken. Ob sich jedoch die Technologie von Sony durchsetzen wird, ist mehr als zweifelhaft. Nach der Markteinführung hat man kaum etwas von den 200-MB-Laufwerken der Japaner gehört, während die 120-MB-Versionen laut Compaq weltweit bereits zwei Millionen Mal verkauft wurden. Compaq und Hewlett-Packard wollen jetzt auch ihre Notebooks mit 120-MB-Floppys in Slimline-Ausführung (12,7 Millimeter Bauhöhe) ausstatten. Für Compaqs "Armada 7300", "7700" und "7800" wird es eine Multibay-Variante geben. Upgrade-Versionen sind für die 7300- und 7700-Modelle geplant. Die Omnibooks 4100 und 7100 von HP werden als reine Multimedia- und Präsentationsgeräte für "Power-Anwender" generell mit 120-MB-Floppy zu haben sein.

Fazit: Während im Moment die magnetischen Billig-Wechselspeicher wenig Änderungen erfahren, ganz zu schweigen von einer zukünftigen Kompatibilität, macht die MO-Technologie große Kapazitäts- und Geschwindigkeitssprünge und wetteifert für die Zukunft mit der Kompatibilität der DVD-RAM-Technologie. Die Zukunftsaussichten für letztere sind ebenfalls gut, wenn schnell für bessere Datenraten und mehr Einigkeit unter den Herstellern gesorgt wird. Falls der Preis in vertretbare Regionen sinkt, was zu erwarten ist, könnten die langlebigen, optischen Scheiben in fernerer Zukunft die magnetischen Wechselspeicher vollständig aus dem Massenmarkt verdrängen. Das Ende der Floppy ist jedenfalls programmiert. Iomega macht zwar Anstrengungen, sein Zip-Drive durchzusetzen, doch hinter den 120-MB-Laufwerken stehen eben die Marktriesen.

Kommt der erfahrene Jim McCoy mit seiner preiswerten 240-GB-Scheibe früh genug auf den Markt, könnte dies auch den Festplattenmarkt wieder in direkte Konkurrenz mit den Billigwechselmedien bringen.

Die wichtigsten Abkürzungen

Atomm: Advanced Super Thin Layer und High Output Metal Media. Mit einer dünnen Metallschicht versehene 200-MB-Medien von Sony.

CD-RW: Rund 1000mal wiederbeschreibbare Disk für CD-ROM-Laufwerke der nächste Generation.

DVD+RW: Vorschlag für 1000mal wiederbeschreibbare DVD von Sony, Philips und HP.

DVD-R: Pioneers einmal beschreibbare DVD, in der Anwendung ähnlich wie CD-R. Kann heute schon in jedem DVD-Laufwerk gelesen werden.

DVD-RAM: Ursprünglich von nahezu allen DVD-Speicherherstellern gemeinam entwickelter Standard für eine beliebig beschreibbare DVD. Wird heute vor allem von Hitachi, Panasonic, Toshiba und JVC vertreten.

DVD-Video/DVD-Player: Die Video-DVD ist die für den Unterhaltungsmarkt gedachte DVD-Version für Videofilme. Kann in speziellen, relativ billigen DVD-Playern abgespielt werden.

ECMA: European Computer Manufacturers Associa- tion. In Europa für die Standardisierung neuer Computertechniken zuständig.

Hi-FD: High Capacity Floppy Disk, Diskette von Sony mit Atomm-Tchnologie und 200 MB Fassungsvermögen. Soll die 1,44-MB-Floppy ablösen.

Limdow: Light Intensity Modulation Direct Overwrite. Verbesserter und schnellerer MO-Nachfolger.

MO: Magneto-optical. Teils magnetische, teils optische Speichertechnik, die die jeweiligen Vorteile beider Verfahren in sich vereint. Teuer, sicher und schnell. Große installierte Basis im grafischen und Druckvorstufenbereich.

Raid-0-Array: Raid = Redundant Array of Independent Disks. Parallelschaltung mehrere Speicherlaufwerke zur Vergrößerung von Kapazität und Übertragungsrate. Daten werden in kleine Portionen zerteilt und getrennt auf mehreren Platten gespeichert.

rpm: Rotations per minute. Zahl der Umdrehungen eines Laufwerks pro Minute.

Schreib-Lösch-Zyklen: Maximale Zahl der in einem bestimmten Bereich des Speichermediums ausführbaren Schreib- und Löschvorgänge.

Fibre-Channel

"Fibre Cannel Arbritated Loop" (FC-AL) ist der derzeit fortschrittlichste Peripheriebus und gehört zu der Gruppe der seriellen SCSI-Busse. Der Name ist etwas irreführend, denn der Bus ist auch für Kupferkabel spezifiziert. Übertragungsraten von 12,5- bis 100 MB/s sind vorgesehen. Die schnelleren Varianten sind jedoch noch nicht verfügbar. Mit diesen Geschwindigkeiten eignet sich der Bus für die schnellen derzeitigen Massenspeicher und Arrays sowie für zukünftige Hochgeschwindigkeitsspeicher. Fast alle Festplatten und einige Wechsellaufwerke bieten derzeit eine Option auf eine Fibre-Channel-Schnittstelle an.

Für 1999 ist der Nachfolger "Fibre-Channel Enhanced Loop" (FC-EL) geplant. Er soll die aktuellen Standards von IBM (Serial Storage Architecture = SSA), Seagate (FC-AL) und Adaptec (Firewire) vereinigen und die Vorteile aller bestehenden Standards übernehmen. Die drei Branchenriesen haben sich bereits im September 1997 zusammengesetzt. Erste Produkte sind jedoch erst ab 1999 zu erwarten.

Michael Funk ist freier Journalist in Partenheim.