Standard-Programme: "TÜV-Plakette" für Software erwünscht

28.01.1983

Das richtige Standard-Softwarepaket auszuwählen, bereitet DV-Leitern oft Kopfzerbrechen. Der absolute Kaufpreis allein ist dabei für den endgültigen Zuschlag nicht entscheidend. Ein billiges Softwarepaket mit hohem Anpassungsaufwand kann teuer werden. Anwender vermissen eine unabhängige Einrichtung, die mit einem "TÜV-Gütesiegel" Software-Qualität auszeichnet (siehe COMPUTERWOCHE Nr. 47/82, Seite 8). Um herauszufinden, welche Stärken oder Schwächen ein Softwarepaket in der Praxis nun wirklich zeigt, wenden sich potentielle Käufer an DV-Leiter von Unternehmen, die auf der Referenzliste des Anbieters stehen. Vor einem können sie sich dabei freilich nicht schützen: daß der Ansprechpartner vorher "geimpft" wurde - und wenn nicht, bleibt zu bedenken, daß kein Fall wie der andere ist.

Günter Kolibius

Generalbevollmächtigter der Plaut-Software, Figino/Lugano und München

In einer 1982 von der Infratest durchgeführten Studie zu diesem Thema wurde DV-Leitern von Unternehmen mit mittleren und großen Computern die Frage gestellt: Nach welchen Kriterien sollte sich ein DV-Leiter bei der Auswahl von Standard-Software richten? Dieser Personenkreis forderte als wichtigstes Kriterium ein "preisgünstiges Angebot". Die Antwort ist sicherlich nicht überraschend. Zum Pflichtenheft eines DV-Leiters gehört selbstverständlich, daß die von den Fachabteilungen gewünschten Informationen und Daten zu möglichst niedrigen Kosten erstellt werden.

Bei der Reorganisation eines Abrechnungsgebietes (aber auch bei der erstmaligen Übernahme eines bis dahin manuell oder überhaupt nicht gelösten Aufgabengebietes) müssen die relevanten Kosten (dies sind alle durch dieses Projekt verursachten Kosten) betrachtet werden. Kosten entstehen nicht nur für Abrechnungs- und Überleitungsprogramme, sondern auch für Umfeldorganisation, Produktion, Weiterentwicklung, Fehlerkorrektur und Änderungen etc. Bei der Realisierung eines DV-Projekts sind deshalb alle (intern und extern) verursachten Kosten zu berücksichtigen, und daran hat die Standardsoftware häufig nur einen geringen Anteil.

Bei der Auswahl der verschiedenen Softwareangebote kann deshalb nicht der absolute Kaufpreis ausschlaggebend sein. Ein billiges Softwarepaket mit hohem Anpassungsaufwand ist insgesamt teurer als ein teureres Softwarepaket mit geringerem Änderungsaufwand. Am teuersten ist ein Softwaresystem, welches nach kurzer Zeit nicht mehr einsetzbar ist, weil zum Beispiel höhere betriebswirtschaftliche Anforderungen durch die Fachabteilung gestellt werden Auch wenn der Softwarekaufpreis nur einen Teil der Projektkosten ausmacht, so hat die Qualität und Flexibilität der eingesetzten Standardsoftware einen großen Einfluß auf die Höhe des gesamten Aufwands bei der Reorganisation eines Abrechnungsgebietes. Eine sorgfältige Evolution ist ein Hilfsmittel, um Fehlentscheidungen beim Softwarekauf weitgehend zu vermeiden. Allerdings muß der Evaluationsaufwand in einem vertretbaren Verhältnis zu den Projektkosten stehen. Letztlich spielt deshalb bei der Programmauswahl das Vertrauen zum Softwarehersteller eine wichtige Rolle.

Für die Softwareauswahl ist die genaue Definition des zu lösenden Problems sicherlich die wichtigste Aufgabe. Eine eindeutige Festlegung der Aufgabenstellung muß zusammen mit der Fachabteilung erfolgen. Zunächst ist das Informationsbedürfnis der Anwender zu befriedigen, und danach erst kommt die Qualität der EDV-Lösung. Was nutzt eine elegante EDV-Lösung, wenn die Fachabteilung anschließend die Auswertungen überarbeiten muß? Hier hat der DV-Leiter eine Verantwortung für das gesamte Unternehmen und darf nicht nur die Auswirkung in seinem Bereich berücksichtigen.

Bereits in der Evaluationsphase ist es meistens von Vorteil, einen externen Berater einzuschalten, eine gemeinsame Softwareeinsatzanalyse durchzuführen und damit Arbeitsumfang und zeitliche Reihenfolge der Realisierung zu definieren. Der externe Berater hat Erfahrung aus ähnlich gelagerten Projekten, kann alternative Lösungen vorschlagen und dadurch helfen, zu der "preisgünstigen" Lösung zu gelangen.

Ein gewichtiges Argument bei der Auswahl von Software ist also die Möglichkeit, auch Unterstützung durch den Softwarehersteller in Anspruch nehmen zu können: Unterstützung der Fachabteilung bei der konzeptionellen Auslegung des einzuführenden Projekts, Unterstützung der Fachabteilung und der Datenverarbeitung bei der Realisierung und dem Anlauf des Projekts. Oft genügt eine sporadische Beratung von wenigen Tagen, um ein Know-how zu vermitteln, welches sonst von den eigenen Mitarbeitern sehr zeit- und kostenaufwendig erarbeitet werden müßte.

Wichtig bei der Programmauswahl ist auch die Unterstützung durch den Softwarehersteller nach der Realisierung des Projekts. Dazu gehören Fehlerbereinigung, Übergabe von verbesserten Programmversionen, neues Job-Control bei Systemwechsel, ausführliches Dokumentationsmaterial, Telefonauskünfte, kurzfristige Anwenderunterstützung sowie Schulungsmöglichkeit neuer Mitarbeiter durch Anwenderseminare des Softwareherstellers. Dies gilt nicht nur für die DV-Anwendung, sondern auch für die Belange der Fachabteilung. Solche Leistungen sind durch einen Wartungsvertrag zu regeln. Wartungspauschalen werden üblicherweise mit zirka 10 Prozent pro Jahr vom Listenpreis der Überlassungsvergütung eines Softwaresystems berechnet.

Langjährig einzusetzende Programmsysteme müssen sowohl DV-technisch als fachabteilungsbezogen dem technologischen Fortschritt folgen. Entsprechend hohe Anwendungen entstehen einem Softwarehersteller, der diesen Erfordernissen entspricht. Es liegt im Interesse des Softwarekäufers, mit einem Softwarehersteller zusammenzuarbeiten, der wegen seiner speziellen Ausrichtung auf ein Fachgebiet auch langfristig eine entsprechende Modernisierung sicherstellen muß.

Hans-F. Huber

Berater in der Abteilung Organisations- und DV-Beratung, mbp Mathematischer Beratungs-

und Programmierdienst GmbH, Geschäftsstelle Frankfurt-Niederrad

Kriterien zur Beurteilung und Auswahl von Standardsoftwarepaketen ergeben sich aus der unternehmens- und anwendungsspezifischen Aufgabenstellung. Je nach Branche und Problemstellung wird ein betriebswirtschaftliches, organisatorisches und DV-technisches Anforderungsprofil erstellt, das den Leistungsumfang der gewünschten DV-Lösung beschreibt. Dazu ist ein Bewertungsschema zu erarbeiten, das die einzelnen Anforderungen/Kriterien anwendungsbezogen gewichtet. Dieses Schema ist die Grundlage dafür, in welchem Grad die Leistungen der zum Vergleich herangezogenen Softwarepakete die gestellten Anforderungen abdecken.

Obgleich sich ein generell gültiger, für jede Auswahlproblemstellung einsetzbarer Kriterienkatalog nicht bilden läßt, können dennoch relevante Kriterienschwerpunkte als Richtschnur aufgezeigt werden.

Anwendungsbezogene Kriterien:

Die "ideale" Standardsoftware erfüllt in ihrer Grundausbaustufe nicht mehr und nicht weniger als die geforderten Leistungen der Benutzer. Daneben ist die organisatorische Anpassung beziehungsweise die Flexibilität des Paketes bei der organisatorischen Eingliederung in die vorhandenen Abläufe des Unternehmens ein wichtiges Beurteilungskriterium. Modern konzipierte Softwarepakete erlauben eine weitgehende Anpassung an die unternehmensspezifischen Arbeitsabläufe, nicht den häufig praktizierten umgekehrten Weg. Die Transparenz des Gesamtsystems, die Benutzerfreundlichkeit, die einfache Handhabung sowie eine aussagefähige Dokumentation erhöhen die Akzeptanz der betroffenen Anwender.

DV-technische Kriterien:

Die Portabilität zur vorhandenen Hardware, Systemsoftware und Datenorganisation ist eine DV-technische Mindestanforderung. Darüber hinaus muß eine möglichst resonanzfreie Integration in die bestehenden Anwendungen gewährleistet sein. Die Aspekte des modularen Systemaufbaus und der eingesetzten Programmiermethodik (zum Beispiel strukturierte Programmierung) haben einen besonderen Stellenwert: Die Anpassung der Software an die unternehmensspezifischen Gegebenheiten, Veränderungen und Erweiterungen des Systems sowie der Wartungsaufwand werden in wirtschaftlichen Grenzen gehalten.

Anbieterbezogene Kriterien:

Der Softwarelieferant sollte nachweisliche Anwenderreferenzen vorlegen können. Ein wichtiges Kriterium bildet auch die Anzahl und die zeitliche Verteilung der Installationen. Der Softwarevertrag muß eine komplette Leistungsbeschreibung, die Auflistung der für den Einsatz benötigten Betriebsmittel und Aussagen zur Gewährleistung enthalten. Außerdem müssen die Serviceleistungen bei Installationen, Anpassung und Wartung des Systems sowie die Schulung der Anwender verträglich zugesichert sein.

Kosten:

Die Gesamtkosten des Softwarepaketes sollten nicht direkt in das Bewertungsschema aufgenommen, sondern einer gesonderten Kosten-/Nutzenbetrachtung unterzogen werden.

Fritz Voigt

Leitung Cendata GmbH (selbständiges Service-RZ der Seidensticker-Gruppe), Bielefeld

Wie bei eigenen Projekten muß auch beim Einsatz von Standardsoftware im Rahmen eines Phasenkonzepts gearbeitet werden.

Die Analyse- beziehungsweise Anwenderanforderung ist die Vorstufe zur Auswahl selbst. Erst wenn genau feststeht, was man will, sollte mit der Auswahl begonnen werden. Bewährt haben sich Checklisten, die zwar laufend ergänzt, aber nicht immer wieder neu entworfen werden müssen. Die Punkte sollten entsprechend dem Umfeld gewichtet werden.

1) Beurteilung des Softwarehauses: Größe, seit wann am Markt, Rechtsform, haftendes Kapital, Mitarbeiter (Festangestellte), Qualifikation;

2) Software selbst: Alter, wie oft eingesetzt, Programmiersprache, Source-Datei (eventuell Hinterlegung Notar}, Mandantenfähigkeit, modularer Aufbau, strukturierter Aufbau, Tabellendatei, Copies, Aufbau Dateien, Dialogfähigkeit, Help-Funktionen, Schnittstellen Datenübergabe, was im Dialog, was im Batch, Sicherungskonzept, Zeitverhalten;

3) Software-Umfeld: Betriebssystem, Online-Verwaltungsprogramme (zum Beispiel CICS), Hardware, DFÜ-Software, Dokumentation für System - für Operating - für Anwender, Schulung.

4) Vertragsumfeld: Festlegung des Leistungsumfanges, Preis, Garantie, Testinstallation, Haftung bei Fehlern, Nachbesserungsverpflichtung, Weiterentwicklung - neue Release, Lieferzeit, Preise für Sonderwünsche.

Wegen der Vielzahl der angesprochenen Punkte möchte ich nur einige ergänzende Hinweise oder Erfahrungen schwerpunktmäßig noch beisteuern.

Je größer das Angebot, je höher kann die Meßplatte angelegt werden.

Wenn man aber die klassischen Einsatzbereiche wie Buchhaltung, Personalabrechnungssysteme, Auftragsabwicklung etc., verläßt, beginnt das Risiko des EDV-Leiters. Da muß abgewogen werden zwischen Termindruck gegen Eigenerstellung oder Verzicht auf die Gewichtung des Auswahlverfahrens - da zu geringes Angebot am Markt.

Sehr oft scheitert der Wunsch für einen Einsatz schon an der negativen Markttransparenz des Hardwareherstellers. Dies ist ein ganz heißes Eisen.

Ein weiteres Hauptproblem sehe ich in der unterschiedlichen Benutzung beziehungsweise Aufbau der benutzten Dateien je Anwendungsgebiet. Hier ergeben sich oft unschöne Bridge-Programme.

Ebenfalls soll man die Problematik der unterschiedlichen Dokumentationsformen nicht übersehen.

Nur grundsätzlich sollten sich Anwender und auch EDV-Betreiber immer vor Augen halten: Standardsoftware heißt Kauf von der Stange und nicht Maßanfertigung, und das ist wiederum eine Preisfrage.

Georg Linder

Systemprogrammierung, Maizena GmbH, Heilbronn

Nach der Entscheidung für den Einsatz von Standardsoftware vergleichen wir die verschiedenen Softwarepakete, die auf dem Markt angeboten werden. Der ISIS-Katalog und die Offerten der Anbieter bieten hierbei Hilfe. Darüber hinaus informieren sich Mitarbeiter unseres Unternehmens auf Messen oder in Fachzeitungen. Reichen die Informationen nicht aus, wenden wir uns an Kollegen aus Arbeitskreisen oder befreundeten Unternehmen und fragen, ob sie das spezielle Softwarepaket kennen.

Wichtige Kriterien bei der Entscheidung für ein Softwarepaket sind einmal die Kosten, der Service des Anbieters, die Dokumentation, der Leistungsumfang und Sicherheit. Eine große Rolle spielt auch, wo und mit welchem Erfolg das Paket bereits eingesetzt wurde. Wir setzen uns mit den Unternehmen, die auf den Referenzlisten der Anbieter stehen, in Verbindung und erkundigen uns, welche Erfahrungen mit der Software gemacht wurden. Je häufiger ein Softwarepaket in anderen Unternehmen eingesetzt wurde, desto besser. Großen Wert legen wir auch darauf, daß der Anbieter des Pakets ein solides und renommiertes Unternehmen ist. Schließlich ist dann die Gewähr größer, daß die Firma in ein oder zwei Jahren noch existiert. An "One-Man-Shows" sind wir nicht interessiert, auch wenn diese ihr Paket etwas billiger anbieten.

Das Hauptproblem bei der Auswahl: Man kann weder durch schriftliche Informationen noch bei den Präsentionen des Anbieters abschätzen, wie groß der Implementierungs- oder Anpassungsaufwand ist. Hier wäre eine Art Qualitäts- oder "TÜV"-Siegel hilfreich. Diese Einrichtung könnte den potentiellen Käufer darüber informieren, ob das Paket Schwächen hat oder befriedigend ist. Um das herauszufinden, setzen wir uns mit anderen Anwendern in Verbindung. Gleichzeitig ist uns aber klar, daß der DV- oder Org.-Leiter, der das Paket gekauft hat, eine subjektiv geprägte Meinung haben kann. An die guten Softwarepakete kommt ein Anwender oft nur deshalb nicht heran, weil sie nicht genug bekannt sind.