Extertensystem-Initiative sucht nach Unterstützung

Standard für wissensbasierte Systeme findet wenig Anklang

07.09.1990

MÜNCHEN (CW) - Der allgemeine Trend zu Softwarestandards will auf dem Gebiet der wissensbasierten Systeme noch nicht greifen. Zwar hat sich mit der "Initiative for Managing Knowledge Assets" (IMKA) ein Standardisierungsgremium aus Anwendern und Anbietern gebildet, doch deren Vorschläge finden nur wenig Resonanz - zumal auch die IBM an einem einheitlichen Verfahren für die Wissensverarbeitung arbeitet.

Im März dieses Jahres versuchte IMKA, neue Mitglieder mit einem neuen Architekturvorschlag zu werben, der nach eigenen Angaben die Speicherung, die Darstellung und das Bearbeiten von Wissen in jeder Form umfaßte. Erarbeitet wurde er unter der Federführung der Carnegie Group Inc. aus Pittsburgh. Der Erfolg dieser Ankündigung war jedoch bescheiden. Nur ein Unternehmen, der Expertensystem-Spezialist AI Corp aus Waltham/Massachusetts, war daraufhin bereit, sich der Organisation anzuschließen.

Das Unternehmen ist bisher auch der einzige Anbieter unter den Mitgliedern, der die IMKA-Architektur übernehmen will. Laut Robert N. Goldman, President von AI Corp., basiert sie auf einem Verfahren, das ähnlich auf die Wissensbasis zu greift wie relationale Datenbank-Systeme auf Daten.

Konkret umfaßt der IMKA-Vorschlag drei Bereiche. Standardisiert werden soll vor allem das Modell, mit dessen Hilfe Expertenwissen systematisch erfaßt werden kann.

Für den Zugriff auf dieses Wissen kommt die bereits weitverbreitete Abfragesprache SQL zum Einsatz.

Nur der dritte Bereich, die Anpassung des Systems an die DV-Umgebung des jeweiligen Anwenders, bleibt den Anbietern selbst überlassen.

"Mitgliederbasis ist zu klein"

Digital Equipment und Texas Instruments, die zu den Gründern der Organisation gehören, wollen den IMKA-Vorschlag lediglich als Basis für eigene Systeme verwenden. Ob die Ford Motor Company - einer der beiden Anwender der sechsköpfigen Organisation - die Technologien übernehmen wird, ist noch ungewiß. Trotzdem hat IMKA angekündigt, bereits Anfang 1991 mit einem entsprechenden Produkt auf den Markt zu gehen.

Wenig überzeugt von dem Vorhaben äußert sich Garry Hallee, Chef Techniker der

Aion Corp., einem Konkurrenzunternehmen von AI Corp.: "Die Mitgliederbasis von IMKA ist zu klein. Man kann nicht von einem Standard sprechen, wenn die Hauptanbieter nicht beteiligt sind."

Dieser Ansicht widerspricht Manfred Schlie, Vertriebsleiter der AI-Corp. Deutschland GmbH: "Das Argument des Aion-Managers zieht nicht. Zum einen spricht das Engagement von renommierten Konzernen wie DEC, TI und Ford für sich. Zum anderen bleibt das Standardisierungsgremium deshalb so klein, weil auf dem Expertensystem-Markt gar nicht so viele Anbieter existieren, die für mehrere Systemumgebungen Produkte liefern können." Trotzdem bezweifeln Branchenbeobachter, daß sich andere Expertensystem-Anbieter auf einen Standardisierungsvorschlag einlassen, bei dem das Produkt von AI Corp. dominiert.

Noch schwieriger wird die Lage für IMKA, da inzwischen auch die IBM beansprucht, an einem Standard für Expertensysteme zu arbeiten. Doch dort scheint es grundsätzliche Zweifel an der Realisierbarkeit eines solchen Projekts zu geben. Dazu Alex Lilley, IBM-Manager für wissensbasierte Systeme in Palo Alto: "Ich bin nicht sicher, ob die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, um zum jetzigen Zeitpunkt einen Standard zu definieren."