Datenschutzskandal

Stadt Witten betreibt grenzwertiges HR-Reporting

11.03.2009
Von pte pte
Die Stadt Witten im Ruhrgebiet soll die Krankenstände aller 1.500 städtischen Angestellten gesammelt und an Vorgesetzte weitergeleitet haben. Datenschützer kritisieren das "gläserne Rathaus".

Das Rathaus der im südlichen Ruhrgebiet liegenden Stadt Witten macht erneut wegen eines Datenschutzskandals Schlagzeilen. Wie das Portal "Der Westen" berichtet, wurden bereits seit 2007 systematisch Listen über Fehlzeiten aller 1.500 Mitarbeiter erstellt. Das Pikante daran: In den offenbar akribisch durchgeführten Eintragungen lassen sich neben den kompletten Namen der Betroffenen auch die Personalnummern sowie die genauen Krankenzeiten ersehen. Ersten Informationen nach sollen die sensiblen persönlichen Daten an die Vorgesetzten weitergeleitet worden sein. Neben Datenschützern sind auch Gewerkschafter über die Vorgänge im "gläsernen Rathaus" empört und fordern personelle Konsequenzen.

"Was wir wollen, ist eine Rechtsauffassung, die für alle in der Behörde Gültigkeit besitzt. Ziel ist, dass der Betriebsfrieden wiederhergestellt wird. Die differenzierte Datenerfassung und Weitergabe ist widerrechtlich", so der Personalratsvorsitzende Lothar Zimmer im Gespräch mit pressetext. Die Wittener Stadtverwaltung gerät nun bereits das zweite Mal in die Kritik. Schon im Herbst vergangenen Jahres sorgte die Behörde mit einem Datenschutzskandal für Aufsehen. Damals wurden die persönlichen Diagnosen von 200 erkrankten Reinigungskräften und Hausmeistern schriftlich festgehalten. Bürgermeisterin und Personaldezernentin Sonja Leidemann sieht hingegen "keinen neuen Datenschutzskandal, weil keine vertraulichen Informationen hinterlegt wurden". Zwischen ihrer Dienststelle und dem Personalrat gebe es lediglich unterschiedliche Auffassungen über das Führen sowie die Weitergabe der Listen.

"Dass die Krankenlisten nicht anonym geführt und ohne unser Wissen an Dezernenten weitergegeben worden sind, ist illegal und nicht wie von der Bürgermeisterin behauptet eine Bagatelle", sagt Zimmer weiter. Dies bestätigt sich in einer ersten Einschätzung der zuständigen Landesdatenschutzbehörde. Die Weitergabe von Krankenlisten werde "sehr kritisch gesehen", weil das "Erforderlichkeitsprinzip" nicht ersichtlich sei, fügt Zimmer mit Verweis auf die Datenschutzbeauftragte hinzu. "Abenteuerlich" sei, dass "bereits die ganze Bauverwaltung mit rund 500 Mitarbeitern auf der Liste steht". Ob es auch noch Unterlisten gibt, ist bis dato noch nicht bekannt. Obwohl es gegen eine Erfassung von Fehlzeiten aus statistischen Gründen keine Einwände gibt, sei die Weitergabe bedenklich. Bürgermeisterin Leidemann versucht unterdessen zu beschwichtigen und verweist auf die statistische Summe der Krankheitstage.

Dies dürfte der Grund für die getroffenen Maßnahmen sein, da die Quote der Krankenstände im vergangenen Jahr mehr als sieben Prozent betragen hatte und damit überdurchschnittlich war. Der Stadtspitze ginge es im Rahmen dieser Statistiken auch um die Fürsorge für die Mitarbeiter, ihnen gegebenenfalls einen anderen Arbeitsplatz anbieten zu können, erklärt Leidemann. "Wenn man damit argumentiert, die Krankentage seien zu hoch, ist dies noch längst keine Rechtfertigung dafür, dass man bestehende Datenschutzgesetze missachtet und auf diese Weise leichtfertig das Vertrauen der Mitarbeitern verspielt", verdeutlicht Zimmer gegenüber pressetext. Vielmehr sollte man die hohe Zahl der Krankentage zum Anlass nehmen, um zu schauen, ob Überforderungen der Mitarbeiter vorliegen und wenn ja, wo und wie entsprechende Entlastungen vorgenommen werden können, so Zimmer abschließend. (pte)