SQL Server als Analyseplattform

SQL Server als Analyseplattform Microsoft will mit Plato den Olap-Markt aufmischen

12.02.1999
MÜNCHEN (as) - Aus der Erweiterung des "SQL Server 7" um die "Olap Services", Codename "Plato", ist laut Microsoft ein Framework für Data-Warehousing entstanden. Niedrige Preise, eine vermeintlich bequeme Systemverwaltung und zahlreiche Partner sollen nun die Konkurrenz das Fürchten lehren.

Zwei der größten Hürden im Data-Warehousing will Microsoft mit dem Paket aus Datenbank und dem Server für Online Analytical Processing (Olap) nehmen: die hohen Anschaffungskosten, die sich schnell auf fünf- und sechsstellige Beträge summieren, und die komplexe Verwaltung und Entwicklungsarbeit mit den Werkzeugen. Da Plato standardmäßig und quasi kostenlos zum SQL Server 7 mitgeliefert wird, hoffen die Redmonder, eine wachsende Schar Neugieriger für die Olap-Informations-gewinnung zu begeistern.

Grundlage des Systems ist die relationale Datenbank, die mit dem Wechsel von Version 6.5 auf 7 in fast allen Bereichen, etwa in puncto Skalierbarkeit, überholt und erweitert wurde (siehe Kasten "Überblick SQL Server 7" auf Seite 16). Ihr Einstiegspreis von 3000 Mark für fünf Lizenzen oder ein Upgrade ab 1500 Mark ist zudem für Olap-Interessenten ein weiterer Kaufanreiz.

Mit Hinblick auf Plato übernimmt SQL Server die Datenhaltung einschließlich des Metadaten-Repositorys. Der Aufbau und die Verwaltung multidimensionaler Datenwürfel und des Repositorys obliegen hingegen dem Olap-Server.

Das Ergebnis dieses Bündels ist kein komplettes End-to-end-System, das von der Modellierung des Warehouses bis hin zum Olap- oder Data-Mining-Front-end alles bietet. Vielmehr stellen Plato und SQL Server eine erweiterbare Infrastruktur für Data-Warehousing und Olap bereit. Fehlende Funktionalitäten, wie etwa ein leistungsfähiges Front-end, versucht Microsoft daher über eine Reihe von Drittanbietern abzudecken. Selbst Plato kam Ende 1996 durch die Übernahme des israelischen Olap-Anbieters Panorama ins Haus.

Für den Aufbau der Olap-Datenbank nutzt der Server die im SQL Server implementierte Komponente "Data Transformation Services" (DTS). Diese unterstützen den Import, Export sowie die Transformation von Daten zwischen der Datenbank und anderen Systemen über die Schnittstellen OLE DB, ODBC und Ascii-Dateien. Außerdem geht Microsoft bei der Schnittstellen-Entwicklung neue Wege.

Bislang waren für die Kommunikation zwischen einem Olap-Server und einem Client spezielle multidimensionale APIs nötig, die in der Branche meist proprietär gehalten sind, so daß oft nur das Front- end des Server-Herstellers genutzt werden kann.

Hier nun eröffnet Microsoft in Plato mit den seit längerem propagierten Programmier-Schnittstellen "OLE DB for Olap" neue Möglichkeiten. Diese APIs basieren auf in der hauseigenen Komponentenarchitektur COM (Component Object Model) genutzten Datenzugriffstechnik OLE DB, mit der sich aus der NT-Welt heraus relationale Datenbanken als Active-X-Server ansprechen und per OLE-Automation steuern lassen. Künftig kann nun über OLE DB for Olap aus Plato heraus mit externen multidimensionalen Datenhaltungen und einer Vielzahl von Front-end-Anwendungen kommuniziert werden. Teil der API-Spezifikationen ist die neue Abfragesprache für multidimensionale Daten MDX (Multidimensional Expressions). Sie ist eine Erweiterung der Datenbankabfragesprache SQL und könnte laut Teresa Wingfield, Analystin bei der Giga Informa- tion Group, in Zukunft den Sprachenwirrwarr proprietärer Abfragesprachen beenden.

Mehr als zwanzig Olap-Anbieter haben ihre Unterstützung von OLE DB for Olap bereits angekündigt, darunter Applix als erster Server- Hersteller. Einige von ihnen werben dabei mit preisgünstigen Clients, die sie laut eigenen Aussagen speziell auf Plato abgestimmt haben. Zu ihnen zählen etwa Hummingbird oder Knosys und vor allem Cognos. Letzter Hersteller hatte von Panorama die Lizenzrechte für dessen Olap-Client erworben und bietet jetzt mit "Novaview" ein leistungsstarkes Front-end für rund 100 Dollar pro Lizenz an. Aufsehen erregte auch Seagate Software, das seinen für Plato geeigneten Olap-Browser "Worksheet" seit letzten Sommer verschenkt.

Microsoft plant, auch einen eigenen Client anzubieten: Mit dem nächsten "Office"-Büropaket will der Hersteller das Tabellenkalkulationsprogramm "Excel" und die Desktop-Datenbank "Access" über die in Plato genutzte Client-Schnittstelle "Pivot Table Service" (PTS) mit dem Server verbinden. Pivoting ist eine Grundfunktion von relationalem Olap (Rolap) und ermöglicht, Daten in sogenannten Pivot-Tabellen aus unterschiedlichen Dimensionssichten zu betrachten. Zwar spielt Excel in einer anderen Liga als die mächtigen Olap-Clients, es ist aber auf den meisten Desktops bereits zu Hause. Hinzu kommt, daß bisher die meisten Endanwender von Business-Intelligence-Produkten einfach zu erstellende oder vorgefertigte Berichte fordern und Excel damit durchaus ausreichend für ihre Auswertungen sein kann.

Neben der flexiblen Client- und Datenbankanbindung bietet Plato Funktionen für den Aufbau von Datenwürfeln und die Systemverwaltung. Sie sollen tägliche Arbeitsabläufe über eine zentrale Konsole automatisieren und überwachen helfen. Hierzu stehen dem Administrator rund 25 Wizards zur Verfügung. So kann er sich über die Performance der Olap-Sitzungen über das Tool "Usage Analysis" informieren, das unter anderem die Antwortzeiten der Clients erfaßt. Eine andere Funktion ist "Usage-based Optimization", die aggregierte Daten über die aktuelle Systemauslastung erstellt.

Auch der Aufbau der Analysewürfel wird durch Wizards unterstützt. So lassen sich mit dem "Dimension Wizard" beliebig verwendbare Standard- und Zeit-bedingte Dimensionen definieren und anschließend mit Hilfe von "Cube Wizard" und "Cube Editor" Datenwürfel erstellen. Mittels des "Aggregation Design Wizard" ist zudem eine Verwaltung der Daten nach den Speichermethoden Molap (Multidimensional Olap), Rolap oder Holap (Hybrid Olap) möglich. Schließlich bietet Plato eine verteilte Datenhaltung und Verwaltung der Parameter, wodurch sich die Anwortzeiten des Servers verbessern.

Für die Definition von Metadaten verfügt Plato über ein Modell für Legacy-Daten gemäß Isam oder Codasyl (Conference on Data Systems Languages). Außerdem gibt es ein Lexikon mit Geschäftsbegriffen sowie das von der Herstellervereinigung Metadata Coalition favorisierte Open Information Model (OIM). Letzteres war bisher von den Redmondern aufgrund von COM-spezifischen Erweiterungen proprietär gehalten. Nun hat Microsoft diese Zusätze entfernt und so die Speicherung von Plato-Daten in und aus jedem beliebigen OIM-basierten Repository ermöglicht. Zudem entwickelte der Softwareriese für den Olap-Server eine auf XML (Extensible Markup Language) basierende Variante von OIM, die dem Austausch von Metadaten zwischen verschiedenen Repositories dient.

Ein wichtiges Feature des Olap-Servers ist auch die Möglichkeit, Updates in die Datenhaltung zurückschreiben zu können (multiuser write back), was etwa in Anwendungen für Budgetierung nötig ist. Laut Giga-Mitarbeiterin Wingfield ist eine derartige Funktion bisher nur bei Applix und Arbor erhältlich gewesen. Weiter lassen sich sogenannte virtuelle Cubes erstellen, mit denen innerhalb eines logischen Würfels eine Vielzahl physischer Würfel definiert sowie Dimensionsbereiche (member attributes) verwaltet werden können. Letztere Funktion gibt es bisher nur in Produkten von Micro Strategy und Information Advantage.

Angesichts der vielen Features erwarten Experten, daß das Bündel aus SQL Server und Plato einen beträchtlichen Teil des Olap- Marktes erobern könnte. Laut der Studie "Database Market 2001" von Forrester Research wird Microsoft jedoch die Konkurrenz nicht technisch, sondern über den Preis besiegen. Unmittelbar betroffen wären laut Branchenkennern sowohl Olap-Server-Hersteller wie Oracle mit dem "Express Server" und Arbor Software mit "Essbase" als auch Anbieter klassischer Berichts-Tools.

Wie wichtig die Olap-Services im SQL Server für das erwartete Geschäft sind, betont Jim Ewel, Produkt-Manager beim Softwareriesen. Er schätzt, daß bei über 60 Prozent der erwarteten Lizenzverkäufe das Interesse an Plato im Vordergrund stehen wird. Marketing-Unterstützung erhält die Gates-Company dabei durch Kooperationen mit Tausenden unabhängigen Softwarehäusern (ISVs). Zudem leisten selbst Hersteller wie SAP Schützenhilfe: Die Walldorfer betreuen weltweit 1300 R/3-Kunden mit SQL Server, von denen derzeit rund 100 auf Version 7 migrieren und somit auch Plato ausprobieren könnten.

Überblick SQL Server 7

Wichtige Neuerungen gegenüber der Vorgängerversion 6.5 sind:

- Row-level-locking: zeilenbasiertes Sperren von Indexeinträgen und Daten;

- dynamisches Sperren zur Verbesserung von Queries;

- ein Query Analyser, der unter anderem die CPU-Zeit überprüft und nach der besten Ausführungsform einer Datenbankanfrage sucht;

- Daten können nun in Seiten (die kleinste Speichereinheit in der Datenbank) mit 8 KB gespeichert werden;

- Unterstützung von Unicode-Datentypen;

- "Hash Join" und "Merge Join" für die Optimierung der Abfragen, etwa für "Star"-Queries auf das Data-Warehouse;

- Backup-Versionen "Full backup", "Differential backup" und "Transaction Log backup";

- gute Anbindung der Entwicklungsumgebung "Visual Studio", Version 6.0;

- 25 Wizards zur Automatisierung der Entwicklungsarbeiten, des Managements, der Datentransformation sowie für verschiedene Replikationsarten in der Datenbank;

- Mindestsystemanforderung: Windows NT mit Service Pack 4.0, Internet Explorer 4.01 SP1, ein Pentium-PC mit 166 Megahertz, 32 MB RAM sowie 170 MB Festplattenspeicher. SQL Server gibt es als "Enterprise Edition" und als Einzelplatzlizenz "Desktop Edition" für PCs und Laptops. Ab März soll eine deutschsprachige Version erhältlich sein.