Einkommens-Wildwuchs findet nicht mehr statt - Sitzfleisch ist wieder gefragt:

Sprünge bei DV-Gehältern wurden zu Hopsern

22.03.1985

MÜNCHEN - Die außergewöhnlichen Gehaltssprünge vergangener Jahre scheint es in der DV-Branche nicht mehr zu geben. Dennoch sind Spezialisten der Informationsverarbeitung immer noch am Gipfel der Einkommenspyramide zu finden, so die aktuellen Analysen deutscher Personalberater.

Bei EDV-Leitungspositionen nennen die Hamburger SCS Personalberatung und die Consulter von Jürgen P. Mülder und Partner in Frankfurt als Annäherungswerte immerhin Jahresverdienste zwischen 130 000 und 180 000 Mark im Bundesdurchschnitt.

Allerdings wächst der Gehaltslevel für DV-Verantwortliche nur noch zögernd. Dennoch liegt der Einkommenszuwachs deutlich über der Inflationsrate. Einen zusätzlichen Ausgleich schafft häufig der sogenannte Bonus, eine variable Vergütungsergänzung zum Grundgehalt.

Die vergangenen Jahre waren für die DV-Fachkräfte rosarote Zeiten. Noch 1983 verzeichnete etwa die Consulting-Gesellschaft Handelsdienst GmbH in Hamburg bei einer Untersuchung ein durchschnittliches Gehaltsplus um elf Prozent in der DV-Branche. Hohe Steigerungsraten erzielten damals der Leiter der Arbeitsvorbereitung sowie der Operator, beide mit über 16 Prozent Zuwachs. Die Leiter der Datenerfassung und Programmierung lagen ebenfalls mit 14 bis 13 Prozent ganz vorn.

Einen ähnlich hohen Wert bezifferte für 1983 die Hay-Associates, Mitglied der Hay-Group, Frankfurt. Diesjährig stellte sie fest, daß sich der Vorsprung des EDV-Personals zum allgemeinen Markt bis auf zehn Prozent verringert habe.

Wachstumsspannen wie 1983 erreichten nach Aussagen der Kienbaum Personalberatung in Gummersbach im Schnitt keine der DV-Positionen im vergangenen Jahr. Im Durchschnitt liege die allgemeine Einkommenssteigerung bei 3,5 Prozent.

Überschaut man die DV-Gehälter, so weist dieser Rückgang nur eine relative Verschlechterung gegenüber anderen Branchen auf. Offensichtlich zeige das wachsende Angebot an Fachkräften auf dem Markt seine Wirkung, folgern die Hay-Analysten aus Frankfurt. Sie erwarten für 1985 allerdings "kein weiteres Absacken".

Der Stellenmarkt weißt jedoch weiterhin einen Mangel an Spezialisten auf. Dies trifft, stimmten die Berater überein, besonders für die Sektoren Informations- und Kommunikationstechnik zu, die zunehmend in traditionelle Bereiche der Datenverarbeitung wie Textverarbeitung, aber auch Fernmeldetechnik vordringen. Gefragt sind Informations-Organisatoren und -Analytiker.

Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Gehälter in der DV-Branche nach Hay-Ergebnissen im Schnitt um 3,2 Prozent. Für das laufende Jahr wird eine Zunahme von 3,5 Prozent erwartet. Dieses Plus liegt etwas über dem sonstigen Marktspiegel, der bis 3 Prozent veranschlagt wird.

Eine "negative Lohndrift" mit einer Steigerung von nur 1,9 Prozent im dritten Quartal 1984 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres bei Beschäftigten anderer Wirtschaftsbereiche errechnete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Köln. So habe der durchschnittliche Frankfurt beschreibt: "Die Leute sind weniger leichtfertig in ihren Entscheidungen. Sie steigen nicht mehr den Neuen aus Amerika oder den großen Bezügen nach". Negative Erfahrungen bei "Branchen-Großbränden" - Osborne im Mikrocomputersektor oder STC im Bereich Peripherie - hinterließen dem Anschein nach einige Kinder, die das Feuer fürchten.

Zur derzeit bedeutendsten Frage bei einem geplanten Wechsel ist geworden, ob das angepeilte Unternehmen die nächsten zehn Jahre überleben wird. Bietet es von seiner Entwicklungskraft und Technikpotenz her Zukunftschancen, steht als eine Überlegung im Vordergrund. Die andere zielt auf die finanzielle Potenz ab. "Ohne Finanzkraft keine Entwicklungskraft", lautet die Branchenweisheit.

Durch die jüngere Vergangenheit der Unternehmen in der DV-Branche ziehen sich die Schlagworte "fusioniert, geschluckt oder aufgegeben". Die zurückliegenden Monate lieferten schlagende Beweise dafür, wie leicht Unternehmen zusammenbrechen können, wenn das nötige Kleingeld für die Entwicklung fehlt. Diese Überlegungen werden bei normalen Entwicklungen der Karriere in meisten Fällen sehr sorgfältig angestellt. Nur Ausnahmen, etwa der Sprung vom Geschäftsstellenleiter zum Geschäftsführer, machen noch Mut zum Risiko.