Olivetti lockt mit Mobilitätsargument

Sprechender Notebook-Rechner zielt auf den Reise-Massenmarkt

22.05.1992

IVREA (jm) - In Italien entwickelt und Designschliff versehen, in Japan produziert: Von dem tragbaren PC "Quaderno", der die Lücke zwischen Organizer- und Notebook-Rechnern füllen soll, erhofft sich die Ing. C. Olivetti & Co. Spa endlich wieder stramme Gewinne.

Mit Quaderno, dem sprechenden Schreibheft, erweitert die Olivetti-Company ihr aus bisher drei Systemen bestehendes Notebook-Angebot um eine DIN-A5-Variante. Anders als die A12-, V16- sowie S20-Rechner arbeitet Quaderno jedoch nicht mit einem Intel-Prozessor, sondern mit der NEC-V30-CPU dem Äquivalent zu einem 286-Chip.

Wie Fabrizio Gimona, Marketing Direktor für Olivettis PC-Vertrieb, vor der Presse äußerte, sei das gegenüber herkömmlichen Notebook-Rechnern nur halb so große und mit etwa einem Kilogramm erheblich leichtere Olivetti-System eine Gemeinschaftsproduktion von Italienern und Japanern: "Wir haben Quaderno entwickelt und entworfen, in Japan wird der Rechner produziert." Bei Pegasus handelt es sich um ein Joint-venture von Olivetti mit der japanischen Firma Y-E-Data, bei dem die Italiener einen Mehrheitsanteil halten.

Obwohl Olivetti eine umfangreiche PC-Rechnerpalette aufweisen kann - neben den vier Notebooks umfaßt das Angebot noch drei Laptops, ein Low-end-System mit 286-CPU sowie vier Rechner der M300-Familie mit 386SX-Prozessor, vier High-end-PC-Modelle der M400-Serie mit 486-SX/DX-CPU sowie drei Server, vor kurzem stellte Olivetti zudem die M700-10-RISC-Workstation auf Basis der R4000-CPU von Mips vorsteht es um die De-Benedetti-Firma nicht zum besten.

Die jetzt veröffentlichten Zahlen 1991 interessierten denn auch mehr als der neue Notebook. Mit einem Jahresverlust von 607,5 Millionen Mark gegenüber einem Gewinn von 81 Millionen Mark im Vorjahr steckt Olivetti wesentlich tiefer in den roten Zahlen, als Branchenanalysten ursprünglich erwartet hatten und von der Kornzernleitung noch vor einem Vierteljahr prognostiziert wurde. Von 400 Millionen Mark war die Rede gewesen. Der Konzernumsatz ging gegenüber 1990 im abgelaufenen Geschäftsjahr um 4,8 Prozent zurück, wobei ein Ende des Abwärtstrends auch für 1992 noch nicht in Sicht ist: Das erste Quartal 1992 schloß Olivetti mit einem Umsatzrückgang von 4,4 Prozent ab.

Gegenüber der Presse erklärte der Chief Operating Officer von Olivetti, Elserino Mario Piol, die Negativergebnisse mit Restrukturierungskosten, die unter anderem durch eine 18prozentige Belegschaftskürzung in den Jahren 1990 (3200) und 1991 (7200) entstanden seien.

Das jetzt der Presse präsentierte Notebook-Modell hat nach Ansicht von Branchen-Insidern durchaus das Zeug, sich am Markt durchzusetzen. Nicht nur ist es erheblich kleiner und leichter als bislang marktübliche Angebote.

Quaderno verfügt auch über einige Charakteristika, die vor allem für die Reisetätigkeit von Bedeutung sind: Hierzu gehört eine laut Unternehmen achtstündige vom Netzstrom losgelöste Verfügbarkeit des DOS-Rechners (Version 5.0 ist im ROM vorinstalliert); die Unterstützung von scheckkartengroßen SRAM-, ROM- und Flash-EPROM-Karten gemäß dem PC/MCIA-Standard 1.0 (die aktuelle Version 2.0 soll später in diesem Jahr geboten werden) erlaubt außerdem die Nutzung etwa von Intels Flash-Karten Diese halten mittlerweile bis zu 4 MB Speicher bereit, 20-MB-Versionen wurden vom Halbleiter-Hersteller ebenfalls schon angekündigt. Zudem kann der Anwender in Zukunft über die se Kartenerweiterungen Applikationen für Text- oder etwa Tabellenkalkulationsverarbeitung auf dem 21 x 15 x 3,2 Zentimeter kleinen Rechner nutzen.

Neben einem Arbeitsspeicher von 1 MB (360 KB lassen sich als Expanded Memory gemäß LIM 4.0 ansprechen) verfügt der Quaderno über eine Festplatte mit einer Kapazität für 20 MB Daten sowie ein LC-Display mit einer Auflösung von 640 x 400 Pixel. Vorinstalliert ist die Kommunikationssoftware "interlink", die zusammen mit einem mitgelieferten seriellen Kabel den Datentransfer von dem Winzling auf Tisch-PCs bewerkstelligt.

Ebenfalls zur Ausstattung gehören verschiedene Softwarewerkzeuge: Neben einer Textverarbeitung (gespeichert wird im neutralen ASCII-Format) stehen ein Taschenrechner, eine Power-Management-Software, eine Tagebuchfunktion, ein digitales Telefonbuch, ein File-Manager sowie ein Organizer zur Verfügung.

Witzig und von Insidern als durchaus sinnvoll bezeichnet ist die Sprachaufnahme-Funktion: Per eingebautem Mikrofon (ein externes kann angeschlossen werden) lassen sich in alle textbezogenen Dokumente Sprachnotizen einfügen, die über den Lautsprecher (Kopfhörerausgang vorhanden) abgehört werden können.

Olivetti gab an, daß im Komprimier-Modus pro MB bis zu 20 Minuten gesprochener Text auf die Festplatte gespeichert werden könnten, ohne Kompression der Daten könne der Anwender immerhin für 1 MB Plattenkapazität noch etwa fünf Minuten sprechen.

Diese Angaben stießen bei Branchenkennern allerdings auf erhebliche Zweifel, wären diese Werte doch sechs- bis zehnmal besser als bislang erzielbare Ergebnisse.

Für Vielschreiber an der Grenze der Tolerierbarkeit ist die Größe der Tasten. Hier machte Olivetti offensichtlich einen Kompromiß zwischen möglichst geringen Ausmaßen und noch akzeptabler Handhabbarkeit.

Quaderno, für den es optional unter anderem ein externes Floppy-Laufwerk sowie einen Zigarettenanzünder-Anschluß gibt, soll im Juni über verschiedene Kanäle ausgeliefert werden, an OEM-Abkammen - etwa mit DEC - sei ebenfalls gedacht Der Preis soll 1100 Dollar betragen, genaue Angaben über die Kosten wurden noch nicht gemacht, Gerüchte deuten Jedoch auf 2200 und bis zu 1800 Mark. Die ersten zirka 70 Systeme lieferte Olivetti vor Ort in Ivrea bereits aus: Alle anwesenden Pressevertreter wurden mit dem recht kostspieligen Geschenk beglückt.