Sprachverwirrung kostet Zeit und Geld

19.11.2002
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Trotz anhaltender Skepsis auf Einkäufer- und Zuliefererseite scheint die Nutzung elektronischer Beschaffungsverfahren unaufhaltsam voranzuschreiten. Mit Ulrich Fricke, Vorstandsvorsitzender des BME, sprach CW-Redakteur Robert Gammel auf dem 37. Symposium Einkauf und Logistik.

CW: Viele Einkäufer haben mit E-Procurement nichts am Hut. Software könne nur einen kleinen Teil ihrer Aufgaben übernehmen, lautet ihr Einwand. FRICKE: Man muss grundsätzlich den operativen vom strategischen Einkauf unterscheiden. Der operative Einkauf ist viel stärker mit der Disposition verknüpft. Da wird sich bei der Aufgabenverteilung bestimmt einiges ändern. Möglicherweise löst sich der operative Einkauf auf und wandert in die Disposition oder umgekehrt. Jedenfalls lassen sich in diesem Bereich Einkaufsprozesse mit entsprechenden Tools automatisieren. Unstrittig werden aber auch künftig weiterhin fähige Einkäufer gebraucht. Die Automatisierung wird ohnehin nur in kleinen Schritten kommen - die Menschen sind ja jetzt schon überfordert.

CW: Lassen sich derzeit auf dem Arbeitsmarkt überhaupt E-Business-fähige Einkäufer finden? FRICKE: Leider nein. Aber auch die Weiterbildung vorhandener Kräfte ist schwierig. Da gibt es große Probleme, weil viele Mitarbeiter nicht von ihrer gewohnten Arbeitsroutine abrücken wollen. In den USA geht das mittlerweile so weit, dass Unternehmen einen Dienstleister mit dem strategischen Einkauf betreuen, wenn intern Zeit, Ideen und Know-how fehlen. So weit ist es in Europa sicherlich noch nicht, aber auch hier bleiben Mitarbeiter auf der Strecke, die die Umstellung nicht schaffen.

CW: E-Procurement genoss den Ruf einer Wunderwaffe zur Kostensenkung. Bei vielen Anwendern macht sich mittlerweile Ernüchterung breit. FRICKE: Besonders die Änderung der operativen Einkaufsprozesse gestaltet sich schwierig. Da lässt sich manches nicht durchhalten - auch weil man da besagte Mitarbeiter bewegen muss. Das kann nur funktionieren, wenn die Geschäftsleitung überzeugend dahinter steht. Vergleichsweise einfach ist dagegen die Nutzung von Tools für elektronische Ausschreibungen oder Auktionen, da hier nur wenige strategische Einkäufer geschult werden müssen. Folglich lassen sich schnelle Erfolge erzielen. Allerdings liegt in den operativen Prozessen das größere Kostensenkungspotenzial.

CW: Ist das geringe Interesse der Zulieferer nicht das größere Problem? FRICKE: Das gilt in erster Linie für das Thema elektronische Kataloge. Die großen Zulieferer sind zwar mittlerweile fast alle fähig, entsprechende Kataloge zu liefern, kleineren Unternehmen, insbesondere Spezialartikelherstellern mit einer starken Produktfixierung, fällt das jedoch schwer. So mancher Zulieferer, der von seinem Kunden zur Abgabe elektronischer Kataloge gedrängt wird, wägt den damit verbundenen Aufwand gegen die erzielbaren Umsätze ab und lässt im Zweifel die Finger davon. Vor einem Jahr waren nach meiner Erfahrung nur zwei bis drei Prozent der Lieferanten E-ready. Mittlerweile haben jedoch auch zahlreiche Mittelständler den Sprung geschafft.

CW: Mittelständische Unternehmen stehen häufig vor dem Problem, Kunden mit unterschiedlichen Katalogformaten bedienen zu müssen. Macht die Verbreitung geeigneter Standards Fortschritte? FRICKE: Hier hat sich ein Trampelpfad herausgebildet. Wer sich darauf bewegt, kann wenig falsch machen. Zu den wichtigen Standards zählt in Europa E-Class für die Klassifizierung von Produkten sowie BMEcat, dessen Spezifikation auf unserer Website für den kostenlosen Download zur Verfügung steht. Momentan gibt es Bestrebungen, E-Class mit dem in Amerika weit verbreiteten Klassifizierungsstandard UN SPSC zusammenzuführen. Darüber hinaus haben wir mit dem European Content Club eine neue Initiative gestartet, die den Beteiligten zusätzliche Investitionssicherheit verschaffen soll. Ein sehr ärgerliches Kapitel ist das Thema IT-Standards. Oft hängt es an den Bits und Bytes, wenn Informationen nicht fließen oder falsch interpretiert werden. Dann wird wochenlang gebastelt, bis das funktioniert.