Sprachsynthesesystem der Uni Bochum:Dem Menschen aufs Stimmband geschaut

16.09.1977

MÜNCHEN (ob) - "Entwickeln eines Sprachsynthese - Systems, das in der Lage ist, die deutsche Sprache ohne Begrenzung des Wortschatzes synthetisch und nur vom Rechner gesteuert wiederzugeben", dieses hochgesteckte Forschungsziel der Wissenschaftler unter Dr.-Ing. Mathias Uhle am Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Elektroakustik der Ruhruniversität, Bochum, geht um einiges darüber hinaus, was zur Zeit an "Auto Response -Systemen" existiert.

Realisieren wollen die Bochumer Akustiker ihr System durch "Nachahmung des Entstehens der Sprache durch die menschlichen Sprachwerkzeuge auf elektronischem Wege". Als operable Einheiten dienen dazu etwa 46 Laute oder Phoneme, aus denen die deutsche Sprache zusammengesetzt ist. Jedes Phonem hat eine charakteristische Schwingung, die elektronisch erzeugt werden kann. Bei Eingabe eines Wortes oder Textes gibt der Rechner für jeden Buchstaben oder Laut das entsprechende elektrische Signal an einen Verstärker mit angeschlossenen Lautsprechern weiter. Das Aneinanderreihen ergibt eine Lautfolge, die im wesentlichen der von den Stimmbändern hervorgebrachten Lautfolge gleicht.

Um eine sinnvolle Verknüpfung oder Trennung der Laute zu erreichen (Akzente und Rhythmus), benötigt der Rechner ein Regelwerk, denn die Schwingungsform des Phonems innerhalb eines Wortes ist abhängig von den unmittelbar vorausgegangenen oder folgenden Phonemen. Erst bei Berücksichtigung dieser Regeln wird eine brauchbare Sprachqualität erreicht.

Doch sind noch lange nicht alle Probleme gelöst. Es müssen noch etliche linguistische Fragen geklärt werden. Erste Kontakte zu Germanisten wurden bereits geknüpft. Eine weitere Aufgabe für die Arbeitsgruppe von Mathias Uhle ist, ein Programm für die Sprachmelodie zu entwickeln. Bisher ist die synthetische Sprache noch eintönig (in Selbstironie daher der Name "Quakie'' für den "sprechenden" Rechner). Nur die wesentlichsten Voraussetzungen zum Verstehen sind erfüllt durch Quak - Pausen oder Dehnungen von Vokalen. Um jedoch eine richtige Lautmelodie hervorzubringen, ist ein erheblich erweitertes Programm nötig.

Im Augenblick warten die Bochumer sehnlichst auf ein Sprachausgabegerät, das auf deutsche Phoneme ausgelegt ist. Zur Zeit benutzen die Wissenschaftler nämlich noch ein auf englische Phoneme ausgelegtes Gerät, bei dem die entsprechenden Phoneme beider Sprachen einander zugeordnet werden. Für unvorbereitete Zuhörer besonders heiter: "Quakie" mit englischem Akzent.