"Sprachgewandtheit ist ein Merkmal der echten Führungskraft"

27.01.2009
Gerhard Winkler, unorthodoxer Karriere-Coach, warnt vor Phrasen und Blubberdeutsch in der Bewerbung.

CW: Bewerbungsanschreiben kann man manchmal nur mit Humor ertragen. Worin liegt es, dass Menschen so schief und verdrechselt schreiben?

WINKLER: Bei einem ersten Date sitzen Leute oft mit durchgedrücktem Rücken im Restaurant und wirken so steif, dass es sie selber schmerzt. Auch in der schriftlichen Bewerbung benehmen sich manche so, als ob sie ein knopfäugiges Panzertier mit einer Hummerzange zu knacken hätten. Ob auf Job- oder Brautschau: Distanz zu überbrücken und Vertrauen zu gewinnen ist wichtiger, als um jeden Preis formal korrekt zu handeln.

CW: Wann schießen die Stilblüten besonders wild ins Kraut?

WINKLER: Je geringer der Bezug zur beruflichen Praxis, desto verwegener die Argumentation: "Diese für meine geisteswissenschaftlich geschulte Denkweise neuen Arbeitsfelder finde ich sehr spannend. Sie stellen für mich eine neue Herausforderung dar." Ingenieure und IT-Fachleute formulieren in der Regel geradlinig. Gelegentlich gibt es dort den Hang zur Belehrung: "Der Transfer von Wissen zur Nutzung der technischen Systeme sollte einen ebenbürtigen Stellenwert in der IT-Dienstleistung haben." Jobanbieter wollen weder belehrt noch beschmust werden, sondern instruiert und informiert. Die Macher halten sich daran. Die Sprüchemacher halten sich an das, was sie am besten können.

CW: Hat die Schreibunfähigkeit zugenommen?

WINKLER: Ich sehe, dass sich beim Bewerben fast jeder redlich müht. Über das Stümperdeutsch stolpert man häufiger als früher, weil Leute, die eher schreibfern aufgewachsen sind, wie wild im Web posten. Die Leistungselite erkennt man auch an ihrer Sprache. Der Homo faber formuliert nüchtern, aber angemessen. Sprachgewandtheit ist und bleibt ein Merkmal der echten Führungskraft.

CW: Welche Tipps geben Sie denen, die mit der deutschen Sprache ringen?

WINKLER: Ich lese populäre Sachbücher auf Englisch und versuche, den konkreten, umstandslosen, auf Lesbarkeit ausgerichteten Schreibstil zu übernehmen. Mein wichtigster Tipp ist, das Labern einzustellen. Solche Statements sind einfach nur dahingeschwätzt: "Bei Umstellungen im Server- und Client-Umfeld konnte ich meine Vorliebe, im Team zu arbeiten unter Beweis stellen. Da ich die kundenorientierte und visionäre Philosophie von Microsoft sehr mag ..." Früher hieß es: "Schreib so, wie du sprichst." Heute würde ich empfehlen: "Schreib keineswegs so, wie man im TV oder Dummenfunk spricht."