Mobile Kommunikation/Wunsch und Wirklichkeit liegen noch weit auseinander

Sprach- und Datenuebertragung erlauben nur wenige Funknetze

03.05.1996

Sie tun sich immer noch schwer im Markt, die Funk-LANs, obwohl sie mit einem ueberzeugenden Vorteil aufwarten: Sie kommen ohne starre Verkabelung aus und passen so in ein Betriebsumfeld, in dem es zunehmend auf flexible Netzinfrastrukturen und schnelle Endgeraetezuordnungen ankommt.

Fabian Doemer, Technologieberater bei der Diebold Deutschland GmbH in Eschborn, sieht ihr Einsatzgebiet ueberall dort, "wo im begrenzten Wellenradius einer Funkzelle hohe Mobilitaetsanforderungen an die Arbeitsplaetze gestellt werden und gleichzeitig nur wenig Uebertragungsleistung erforderlich ist".

Der hohen Flexibilitaet von Funk-LANs stehen erhebliche Nachteile wie eine geringe Reichweite und eine eng limitierte Funkzellenleistung gegenueber. Lediglich bis zu 300 Meter sind beim Ausseneinsatz moeglich. Inhouse lassen sich oft nicht mehr als 50 Meter erreichen. Mit maximal 2 Mbit/s ist die verfuegbare Bandbreite aeusserst knapp bemessen, zumal sie aufgrund des CSMA/CD- Verfahrens von Ethernet zwischen den aktiven Teilnehmern einer Zelle geteilt werden muss.

Damit erreichen Funk-LANs - kommuniziert wird in Europa ueber die Frequenzbereiche 2,45 GHz, 5 oder 17 GHz - laengst nicht das Leistungsniveau drahtgebundener Netzwerktechniken. Immerhin sind die Standardisierungsgremien European Telecommunication Standards Institute (ETSI) und Institute of Electrical and Electronic Engineers (IEEE) gerade dabei, neue Normen fuer Geschwindigkeiten bis 20 Mbit/s zu setzen. Mit verlaesslichen Standards ist aber erst im kommenden Jahr zu rechnen.

Darueber hinaus schlagen die Investitionen fuer Funk-LANs immer noch kraeftig zu Buche: Im Schnitt muss der Anwender fuer jeden Zugriffspunkt (Access point) 3200 Mark investieren. Hinzu kommen die Kosten fuer die PCMCIA-Endgeraetekarte, die sich zwischen 700 und 2000 Mark bewegen.

Aufgrund dieser Einschraenkungen und Kosten sieht Technologieberater Doemer das Einsatzgebiet von Funk-LANs vorerst "nur im Aufbau projektbezogener Ad-hoc-Installationen und als wirkungsvolle Ergaenzung zum Festnetz, aber nicht als Ersatz fuer die drahtgebundene LAN-Technik". Insbesondere in alten Gebaeuden, wo jede Veraenderung an der Verkabelung in der Regel technische Probleme und hohe Kosten mit sich bringt, kann das Funk-LAN eine rasch und einfach realisierbare Ergaenzung sein. Ausserdem taugt es als Erweiterung einer bestehenden, jedoch nicht mehr ausreichenden LAN-Verkabelung.

Auf jeden Fall koennen konventionelle und drahtlose LANs gut harmonieren, weil auch das Funk-LAN nicht ohne eine festverdrahtete Infrastruktur von integrierten Sende- und Empfangsstationen auskommt. Konventionelle Hubs stellen mittels Funkmodulen die Verbindung zu den Endgeraeten her.

Und wie steht es um das nicht ortsgebundene Telefonieren und Faxen auf dem Betriebsgelaende? Hier gelten Dect-Systeme (Digital European Cordless Telecommunication) als Loesung mit Zukunft. Den Dect-Standard hat das European Telecom- munications Standards Institute (Etsi) schon 1992 definiert. Seit zwei Jahren gibt es bereits Dect-Telefone, fast ebensolang schnurlose Dect-TK-Anlagen, die meist als Subsystem zur ISDN-Anlage realisiert werden.

"Der Nutzer des Dect-Telefons ist auf dem Betriebsgelaende hochmobil, haelt sich haeufig in abgeschatteten Raeumlichkeiten auf und moechte parallel die Vorzuege von ISDN nutzen", beschreibt Doemer den typischen Dect-Teilnehmer. Damit eignet sich diese Kommunikationstechnik fuer den Wartungs-, Service- und Sicherheitsdienst ebenso wie fuer Mitarbeiter im Logistikbereich, fuer Projektleiter und Manager. Wo auch immer sich diese gerade befinden: Das drahtlose Mobiltelefon klinkt sich mit jedem Standortwechsel automatisch bei der naechstliegenden Sende- und Empfangsstation, auch Feststation genannt, ein. Der Wechsel erfolgt unterbrechungsfrei, selbst waehrend des Telefongespraechs. Kommuniziert wird ueber das Frequenzband zwischen 1880 und 1900 MHz.

Zwoelf Kanaele e 32 Kbit/s stehen im Dect-Netz zur Verfuegung - Kanaele, ueber die sich auch Daten uebertragen lassen. Weil einzelne Kanaele buendelbar sind, stehen maximal 384 Kbit/s fuer weniger aufwendige Datentransfers zur Verfuegung. Auch fuer den Einsatz von Messaging-Diensten, inklusive Paging, eignet sich das Dect-Netz.

Dual-Mode-Geraete: Auf zwei Wellen reiten

Werden ISDN- und Dect-Anlage kombiniert, kann der Dect-Netz- Teilnehmer zudem mit ISDN-Teilnehmern extern wie intern kommunizieren. Dazu wird ein Anschluss der ISDN-Anlage an die Dect- Anlage subadressiert. Durch Buendelung zweier Kanaele wird das ISDN- konforme Bandbreitenmass von 64 Kbit/s hergestellt.

Leider kann der Dect-Teilnehmer bei der Kommunikation mit der Aussenwelt nicht auf alle ISDN-Zusatzdienste zurueckgreifen. Unmoeglich sind unter anderem eine Anruferanzeige, Konferenzschaltungen und die Anrufweiterleitung.

Auch via GSM-Netz (Global System for Mobile Communication) koennen Dect-Teilnehmer in Zukunft kommunizieren. Im Hintergrund arbeitet Etsi an den entsprechenden Normen fuer die Zusammenfassung beider Kommunikationswelten. Ericsson und Hagenuk haben bereits sogenannte Dual-Mode-Telefone vorgestellt, die es gestatten, sowohl mit Dect-Teilnehmern innerhalb des Betriebsgelaendes als auch mit GSM-Teilnehmern zu telefonieren.

Beide Anbieter nehmen bisher jedoch eine abwartende Haltung ein und planen, nicht vor 1997 mit ihren Dual-Mode-Handies in den Markt zu gehen. Vor allem die Tarifierung der Weiterschaltung vom einen zum anderen Netz bereitet noch Probleme.

Zudem stehen dem Einstieg in die Dect-Kommunikation hohe Kosten entgegen. Wie bei Funk-LANs kann eine Sende- und Empfangsstation maximal 300 Meter, innerhalb von Gebaeuden oft nur 50 Meter ueberbruecken. Dies verlangt auf einem weiten Betriebsgelaende mit vielen Gebaeuden eine stattliche Zahl von Feststationen und damit betraechtliche Investitionen. Eine Groessenordnung von 100000 bis 200000 Mark wird dabei schnell erreicht.

Hinzu kommen die kostspieligen Dect-Mobiltelefone, fuer die der Anwender je nach Komfortklasse zwischen 700 und 1200 Mark aufbringen muss. Noch mehr duerften die Dual-Mode-Handies kosten, auch wenn sich die Hersteller hinsichtlich der zukuenftigen Preisgestaltung noch in Schweigen huellen.

Damit ist der Markt bei den schnurlosen Telefonen noch weit von einer Preisobergrenze von 300 Mark entfernt, ab der Marktkenner einen breiteren Einsatz von Dect-Telefonen erwarten.

GSM-Funkdienste - ein internationaler Erfolg

Wie steht es um die drahtlose Kommunikation im Weitverkehrsbereich, speziell im GSM-Netz? Den GSM-Standard nutzen derzeit 60 Staaten in mehr als 100 Netzen. Hierzulande basieren das D1-Netz der DeTeMobil beziehungsweise das D2-Netz von Mannesmann Mobilfunk auf GSM. Zu 95 Prozent ist Deutschland bereits mit GSM-Funkdiensten abgedeckt.

Wie sehr der kombinierte Funkdienst im GSM-Netz mittlerweile angenommen wird, weisen die aktuellen Zahlen aus: Rund 1,4 Millionen Teilnehmer tummeln sich bereits im D1-Netz, 1,3 Millionen im D2-Netz. Uebrigens: Wer gemaess dem GSM-Standard nur innerhalb Deutschlands drahtlos kommunizieren will, kann dies mit den gleichen Funktionsmerkmalen wie bei D1 und D2 ebenfalls ueber E-Plus tun.

Demnaechst auch bessere Uebertragung von Daten

Auch fuer die Uebertragung von Daten ist das GSM-Netz geeignet, wobei bisher nur eine maximale Bandbreite von 9,6 Kbit/s belegt werden kann. "Diese Bandbreite", so Juergen Fiedler, Unternehmensberater bei Kienbaum & Partner in Duesseldorf, "reicht nur fuer knappe Datenbankabfragen, als Medium fuer die schnelle Preis- und Vertragsgestaltung vor Ort sowie als schneller Draht zur Servicezentrale aus. Ausserdem sind Botschaften bis zu einer maximalen Laenge von 120 Byte moeglich, um beispielsweise kurze Notizen an Kollegen oder Bestellungen an die zentrale Kundendatenbank weiterzuleiten."

Derzeit wird an neuen GSM-Standards gearbeitet, um das enge Bandbreitenlimit fuer die Datenuebertragung zu erweitern. Mit High Speed Circuit Switched Data (HSCSD) soll kuenftig der Datendurchsatz auf maximal 76,8 Kbit/s, mit General Packet Radio Service (GPRS) auf bis zu 182,4 Kbit/s gesteigert werden. Mit dem HSCSD-Standard ist jedoch nicht vor 1997, mit dem GPRS-Standard nicht vor 1998 zu rechnen.

Fuer die Ausruestung aus Notebook, Drucker, datenfunkfaehigem Handy, GSM-Netzzugang mit Datenfunkberechtigung, PCMCIA-Karte und Kommunikationssoftware zahlt der GSM-Teilnehmer rund 10 000 Mark. Hat er bereits die DV-technische Grundausruestung, sind immerhin noch zirka 4500 Mark in das Handy, die PCMCIA-Karte, die Kommunikationssoftware und die Datenfunklizenz zu investieren.

Wer ortsungebunden ausschliesslich Daten uebertragen will, kann alternativ die Weitverkehrsdienste des Modacom-Netzes der DeTeMobil beziehungsweise des Mobitex-Netzes der Gesellschaft fuer Datenfunk (GfD) in Anspruch nehmen. Allerdings stehen auch hier nur 9,6 Kbit/s fuer die mobile Datenuebertragung zur Verfuegung. Sprachuebertragung ist nicht moeglich, weil fuer zeitsensible Kommunikationsformen in beiden Netzen - im Kern Datex-P-Netze - keine feste Anlieferungszeit am Ziel garantiert werden kann.

Ausserdem ist eine Kommunikation im Modacom- und Mobitex-Netz nur im nationalen Bereich moeglich. Rund 85 Prozent von Deutschland werden heute von diesen beiden Netzen abgedeckt. Damit ist das Mobilfunknetz in den Ballungsgebieten lueckenlos, erhebliche Luecken weist es hingegen in laendlichen Bereichen auf.

Buendelfunknetze sind kostenguenstiger

Fuer die erforderliche Ausruestung - Notebook, Laptop oder Modacom- Terminal, ein geeignetes Modem, den Netzzugang zum Modacom- oder Mobitex-Netz, eine adaequate Kommunikationssoftware sowie einen Drukker - muss der Teilnehmer rund 9000 Mark zahlen. Wer bereits Besitzer der Hardware ist, muss nur noch in das Modacom- oder Mobitex-Modem und die Kommunikationssoftware investieren: Kostenpunkt zirka 1400 Mark.

Bleibt noch eine dritte Alternative im Weitverkehrsbereich - zumindest fuer all jene, die ausschliesslich im regionalen Bereich via Funk kommunizieren wollen: die Buendelfunknetze der DeTeMobil und zahlreicher privater Betreiber wie Regionet, Terrafon und Sprintel. Interessant koennen diese Kommunika- tionswege fuer den Kunden schon deshalb sein, weil sich neben Telefonaten und Faxen auch Daten uebermitteln lassen und die Verbindungspreise um rund 20 bis 50 Prozent niedriger liegen als bei einem GSM-Netz.

DeTeMobil ist mit dem Buendelfunkdienst Chekker mit 20 Netzen in Ballungszentren sowie mit weiteren Netzen in laendlichen Regionen praesent. Regionet bringt es in den Ballungsgebieten auf elf, Terrafon auf acht Buendelfunknetze.

Dass sich der Einsatz der funkgestuetzten Uebertragung trotz technischer Einschraenkungen und hoher Preise durchaus lohnen kann, macht Fiedler an zwei Beispielen deutlich: "Ein Kienbaum-Kunde konnte seinen Gewinn um 80 Prozent steigern, weil er durch die Mobilitaet von Mensch und Fahrzeug die Anzahl der Niederlassungen drastisch reduzieren konnte. Um 35 Prozent hat ein anderer Kunde im Baunebengewerbe seine Kosten senken koennen. Denn mit der Kommunikation via Funk liessen sich Baumaterialien schneller beschaffen, Wartezeiten und Doppelarbeiten erheblich reduzieren und Leerkosten drastisch abbauen."

Kurz & buendig

Wo auch immer sich der Kommunikationsteilnehmer gerade befindet - er kann sich jederzeit drahtlos ins Funknetz einklinken, um zu telefonieren, zu faxen oder Daten zu versenden. Auch fuer den Einsatz als Funk-LAN wird die drahtlose Kommunikationstechnik propagiert. Grund genug, einmal nach ihrem technologischen Stand sowie den Entwicklungsperspektiven zu fragen und die jeweiligen Kosten mit einzubeziehen. Gegenstand der Betrachtung sind Funk- LANs und Dect-Systeme im lokalen Bereich sowie das GSM-Netz, das Modacom-/Mobitex-Netz und regionale Buendelfunknetze im Weitverkehrsbereich.

*Hadi Stiel ist freier Journalist in Bad Camberg.