Spontanität und Augenmaß fürs Machbare

27.02.2008
Deutsche Mitarbeiter in US-amerikanischen Firmen sollten die Unterschiede zwischen beiden Arbeitswelten kennen.

US-amerikanische Konzerne suchen für ihre deutschen Niederlassungen brave Soldaten. Sie wollen keine kreativen Manager", stellt Thomas Heyn, Geschäftsführer der Personalberatung Jack Russell Consulting in München, immer wieder fest. Hierzulande soll das Management gehorsam die globale Unternehmensstrategie eins zu eins umsetzen. Für eigene Ideen und kreative Freiräume bleibt kein Platz; das bekommen deutsche Statthalter von mächtigen US-Firmen immer wieder zu spüren. Nach der Beobachtung von Heyn können manche Geschäftsführer über weniger als 50 000 Euro frei entscheiden. "Söldnertypen" seien gefragt, meint Heyn. Wer mit großem Elan, guten Ideen und dem Wunsch, etwas zu bewegen, dort anheuert, holt sich möglicherweise schnell Blessuren.

Die Amerikanisierungsfalle: "Es wird nicht lange diskutiert und nach Kompromissen gesucht."

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Ulrike Reisach analysiert in ihrem Buch "Die Amerikanisierungsfalle. Kulturkampf in deutschen Unternehmen", Econ Verlag, Berlin 2007, die Unterschiede zwischen beiden Arbeitswelten. Im Gespräch erläutert sie ihre wichtigsten Thesen.

CW: Wo weichen deutsche und amerikanische Arbeitsweise voneinander ab?

REISACH: Das amerikanische Management-Denken bezieht sich stark auf aktuelle Projekte und will schnelle Erfolge. In Deutschland geht man die Dinge ganzheitlicher an und verfolgt eine mittel- und langfristige Strategie.

CW: Welche Mentalitätsunterschiede gibt es?

REISACH: Improvisationstalent und Optimismus sind die großen Stärken des US-amerikanischen Management-Modells. Wo Deutsche Probleme sehen, entdecken Amerikaner Chancen; sie zweifeln nicht im Geringsten daran, diese erfolgreich zu nutzen. In den USA werden schneller Entscheidungen getroffen, es wird nicht so lange diskutiert und nach Kompromissen gesucht. Scheitert eine Idee, zählt es als Lernprozess.

CW: Wie lässt sich das Beste aus beiden Welten verbinden?

REISACH: Die Internationalisierung zwingt alle dazu, die eigenen Stärken zu kennen und zu nutzen. Firmen müssen sich überlegen, was sie für Kunden und Mitarbeiter unverwechselbar macht. Hierzulande ist nicht alles schlecht, noch ist alles Gold, was aus den USA kommt. Zu großer Enthusiasmus ist genauso fehl am Platz wie überzogene Skepsis.

CW: Was können wir lernen?

REISACH: Im amerikanischen Ausbildungsmodell sind Methodenkenntnisse wichtiger als Inhalte. Absolventen von Business Schools springen von Projekt zu Projekt, kennen aber oft nicht die Zusammenhänge. Wenn Manager nur an der eigenen Karriere basteln, übernehmen sie kaum Verantwortung für die ihnen anvertrauten Mitarbeiter. Rasch wechselnde Führungskräfte demotivieren Mitarbeiter, die ihr Wissen und ihre Erfahrung um der Sache willen einbringen. Umgekehrt sollten deutsche Forscher und Manager weniger perfektionistisch sein. Von den USA können wir Spontaneität sowie Augenmaß für das Machbare lernen.

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wo es zwischen Deutschen und Amerikanern rumpeln kann;

wie die Kommunikation besser funktioniert;

weshalb regelmäßige Telefonate wichtig sind.

Selbst wer keine ambitionierten Karrierepläne hegt, sollte die grundsätzlichen Unterschiede in der Arbeitsweise kennen, um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen. Herbert Nestler, interkultureller Kommunikationstrainer und Berater aus Chicago, lebt seit fast 20 Jahren in Deutschland und kennt beide Arbeitswelten bestens. "US-amerikanische Firmen exportieren nicht nur ihre Produkte, sondern auch ihre Kultur. Sie achten sehr darauf, dass die gleichen Prinzipien und Werte eine Rolle spielen. Das unterscheidet sie übrigens nicht von deutschen Konzernen, die genauso darauf bedacht sind, im Ausland ihr Image zu wahren."

Von den Amerikanern lernen

Statt über eine Bevormundung seitens der Zentrale oder fehlende Freiräume zu lamentie-ren, gilt es, als Mitarbeiter das Beste aus seiner Situation zu machen. "Von den Amerikanern können wir Spontaneität sowie Augenmaß für das Machbare lernen", rät die Wirtschaftswissenschaftlerin Ulrike Reisach (siehe Interview "Die Amerikanisierungsfalle").

Das empfiehlt auch Thomas Heyn. Der Manager arbeitete viele Jahre für US-amerikanische Unternehmen wie Oracle oder Hewlett-Packard (HP) und weiß, wie erfrischend Optimismus und Begeisterungsfähigkeit wirken können. Wichtig für eine gedeihliche Zusammenarbeit sind sehr gute Sprachkenntnisse, und zwar verhandlungssicheres amerikanisches Englisch. "Ich empfehle, sich die Sprache sehr schnell anzueignen, um Anspielungen und Witze zu verstehen."

Selbst wer nicht regelmäßig zwischen Alter und Neuer Welt pendelt, sollte sich in der Fremdsprache perfekt artikulieren können. Genauso nötig ist eine Offenheit gegenüber der Kultur und Lebensweise der US-amerikanischen Kollegen. "Das vermisse ich manchmal bei deutschen Mitarbeitern. Viele begegnen Amerikanern mit großer Arroganz."

Ungeliebte Telefonate

Neun Stunden Zeitunterschied zwischen der kalifornischen Konzernzentrale und der deutschen Niederlassung dienen manchen als Ausrede dafür, ungeliebte Telefonate mit den US-Kollegen ganz zu vermeiden und stattdessen elaborierte E-Mails an die amerikanischen Teampartner zu versenden. Warten am nächsten Morgen äußerst knapp gehaltene Antworten im Postfach, die mehr nach einem rüden Befehl und weniger wie eine freundliche Entgegnung klingen, dann fängt der neue Arbeitstag schon mit einem Missklang an.

E-Mails verursachen oft Missverständnisse, besonders dann, wenn sich die Schreibenden nicht persönlich kennen und einer von beiden auf eine Fremdsprache zurückgreifen muss. "Amerikaner tauschen sich viel lieber verbal aus als schriftlich via E-Mail. Oftmals entwickeln sie Ideen, indem sie darüber sprechen", schildert Berater Herb Nestler. Mancher deutsche Kollege präsentiert seine Vorschläge erst, wenn sie hieb- und stichfest sind. Vielen US-Amerikanern dient die E-Mail-Korrespondenz nach der Beobachtung von Nestler lediglich dazu, Fakten auszutauschen und Besprechungen zu dokumentieren. Ein Telefongespräch eignet sich dagegen hervorragend, Dinge zu klären und eine gute Arbeitsatmosphäre zu etablieren.

"Wichtig ist, sich nicht für sein möglicherweise nicht ganz perfektes Amerikanisch zu entschuldigen, denn das bringt einen unnötigerweise in eine schwierige Position", empfiehlt Nestler. Und zwar unnötig, denn schließlich zeugt es von großem Entgegenkommen, wenn das amerikanische Gegenüber in seiner Muttersprache sprechen kann. Nestler empfiehlt, den amerikanischen Kollegen bei Bedarf daran zu erinnern, etwas langsamer und deutlicher zu reden. Ein weiterer Trick ist es, immer wieder bereits Gesagtes zusammenzufassen, um Missverständnisse auszuschließen.

Besuch der Firmenzentrale

Christoph Sahner arbeitet seit acht Jahren für Adobe. Mindestens einmal im Jahr reist der Manager in die Firmenzentrale nach San Jose. Auch sonst legt das Unternehmen viel Wert auf einen regelmäßigen Austausch seiner Mitarbeiter über Ländergrenzen hinweg, die an den gleichen Projekten arbeiten. "Der persönliche Kontakt lässt sich nicht ersetzen", meint Sahner. Im Arbeitsalltag heißt das, regelmäßig zu telefonieren, Video- und Web-Konferenz-Tools zu nutzen, um ein tragfähiges Netzwerk zu knüpfen. Deshalb verschieben sich an manchen Tagen Sahners Arbeitszeiten in den frühen Abend.

Allen neuen Adobe-Kollegen steht eine Vertrauensperson zur Seite, die mit Rat und Tat weiterhilft. Besonders wenn es darum geht, internationale Netzwerke zu knüpfen, unterstützt der Mentor den neuen Mitarbeiter. Integrativ wirken auch interne soziale Netzwerke mit Foren, die ähnlich funktionieren wie Xing sowie andere im Intranet verfügbare Tools. "Wer sich zu einem Arbeitstreffen in San Jose aufhält, kann ohne Probleme einen Tag anhängen, um sich mit seinen Kollegen vor Ort zu treffen und auszutauschen.

Google zählt auch hierzulande zu den beliebtesten Arbeitgebern. Interessante Aufgaben, kostenloses Kantinenessen und Vergünstigungen wie zu New-Economy-Zeiten locken viele IT-Spezialisten an. Stefan Keuchel arbeitet seit vier Jahren für den Suchmaschinenspezialisten in Hamburg. Von lockeren Umgangsformen, dem informellen "Du" und legerer Kleidung sollte sich niemand blenden lassen. "Die Erwartungshaltung ist groß", so Keuchel.

Den Kommunikationsexperten fasziniert die Schnelligkeit der Amerikaner. Das weltweit rasant wachsende Unternehmen beschäftigt momentan rund 14 000 Mitarbeiter. Deshalb ist es für den Erfolg besonders wichtig, die Neuen möglichst schnell in die Firmenkultur zu integrieren. Besonders reizvoll für Einsteiger ist sicher der einwöchige Aufenthalt in der Firmenzentrale in Kalifornien. Dort staunen erst einmal viele, wenn sie sich zwischen 16 unterschiedlichen Kantinen für das kostenlose Frühstück und Mittagessen entscheiden können. Besonders auf dem Google-Campus in Kalifornien verschwimmen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben. Wer dort nach Stechkarte und Überstundenausgleich fragt, wird sicher schief angesehen. (hk)