IT-Experten gesucht

Spezialistenmangel hausgemacht?

13.12.2011
Von Hadi Stiel

IT-Branche hat Trend verschlafen

Dirk Christiansen von Nextragen sieht Weiterbildung als gesellschaftliche Verpflichtung von Unternehmen.
Dirk Christiansen von Nextragen sieht Weiterbildung als gesellschaftliche Verpflichtung von Unternehmen.
Foto: Privat

Doch wie dem hausgemachten und selbstverschuldeten Spezialistenmangel in den IT-Unternehmen begegnen? Nach Christiansen sollten dafür zwei Säulen stehen: "Die Ausbildungsträger stellen motivierte Abgänger zur Verfügung, die die spezifischen Grundlagen ihres Fachthemas perfekt beherrschen." Für alles, was darauf aufbaue, einschließlich der Erfüllung der marktspezifischen Anforderungen, ständen jedoch ausschließlich die Arbeitgeber in der Verantwortung. Zumal diese Unternehmen, allen voran die Großen des IT-Sektors, die Spezialisierung fernab von allgemein verbindlichen Standards rigoros vorantrieben.

Die Folgen dieser Spezialisierung sind nicht neu. Anfang 2008 sprach Willi Fuchs, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), von einem Fehlbestand an 95.000 Ingenieuren. Deutschland drohe der Abstieg als Hightech-Nation, befürchtete Fuchs damals. Dass sich der Geburtenrückgang negativ auf den Spezialistenmarkt auswirkt, ist ebenfalls seit langem bekannt. Wachgerüttelt hat dies nur wenige IT-Unternehmen. Das Gros von ihnen verharrt weiterhin in einer restriktiven und kurzsichtigen Personal- und Qualifizierungspolitik. Stattdessen werden die Forderungen der IT-Unternehmen an Dritte - Staat, Hochschulen, Bewerber und Mitarbeiter - lauter. Der Staat soll richten, was die IT-Branche seit gut einem Jahrzehnt verschlafen hat: genügend Spezialisten heranzuziehen. Die Hochschulen sollen, ungeachtet ihres universitären Auftrags, ihre Lehre noch enger am gerade aktuellen Markt- und Spezialistenbedarf ausrichten. Und Bewerber und Mitarbeiter dürfen sich mit befristeten Arbeitsverträgen bescheiden und unbezahlte Überstunden in Kauf nehmen.

Befristungen nehmen zu

Wie weit Unternehmen von Social Responsability entfernt sind, verdeutlicht folgende Zahl: Zwei Drittel der seit 2009 neu entstandenen Arbeitsplätze fallen in die Kategorien Zeitarbeit, befristete Arbeitsverträge, 400-Euro-Jobs oder Niedriglohn. "Wer Personal nur auf Zeit einstellt, wird kaum hinreichend in Weiterbildung und eine solide Personalpolitik investieren", meint Mathias Hein, freier IT-Berater in Neuburg an der Donau. "Denn beides schließt sich kategorisch aus." IG Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass IT-Unternehmen mit ihrer Diskussion über den Fachkräftemangel die Angst unter den Beschäftigten schüren wollen. Billige Fachkräfte aus dem Ausland sollten augenscheinlich den Druck auf einheimische Experten zusätzlich erhöhen, sich mit weniger zufriedenzugeben. Bei der IG Metall bezweifelt man, dass der Mangel an IT-Fachleuten wirklich so groß ist, wie er von den IT-Unternehmen und dem Bitkom dargestellt wird. Das Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen pflichtet der Gewerkschaft bei: "Wirkliche Spezialistenengpässe sehen anders aus. Sie hätten längst steigende Löhne zur Folge gehabt." Doch genau diese Entwicklung sei bisher im IT-Personalmarkt nicht eingetreten.