Spezialagenten der Datenqualität

15.11.2007
Von Ann-Kristin Koch
Ihr Name: Data-Quality-Manager. Ihre Mission: Wettbewerbsvorteile durch gute Daten.

Um was geht es beim Data-Quality-Management? Die Antwort kennt niemand besser als der amerikanische Datenqualitäts-Papst Richard Wang. Seit mehr als 20 Jahren forscht der Informatiker am Massachusetts Institute of Technology (MIT) über Informationsqualität. "Information-Quality-Management oder auch Data-Quality-Management umfasst alle Aktivitäten, um einem Endanwender hochwertige Informationen zu liefern, die er wirklich nutzen kann. Es geht darum, Datenqualität zu definieren, zu messen, zu analysieren und kontinuierlich zu verbessern", erklärt der 54-jährige Begründer dieser Disziplin. Das hört sich theoretisch einfach an, erweist sich in der Praxis aber als schwierig.

Ein Beispiel: Großbritannien setzt in der Verbrechensbekämpfung auf die größte Gendatenbank der Welt mit mehr als vier Millionen Einträgen. Die frühere Sammlung mit klassischen Fingerabdrücken ist abgelöst. Doch wie sich inzwischen herausstellte, ist jeder siebte Datensatz fehlerhaft. Ein falsch geschriebener Name macht aus einem unbescholtenen Bürger schnell einen Tatverdächtigen. Diese Schlampigkeit wäre mit einem Data-Quality-Spezialagenten mit entsprechenden Tools nicht passiert.

Langfristige Betrachtung

"Es geht nicht darum, die Daten punktuell zu bereinigen. Das kann nur ein erster Schritt sein", kommentiert Niels Weigel, Leiter Business Development bei der Fuzzy Informatik AG, einem auf Datenqualitätslösungen spezialisierten Unternehmen in Stuttgart. Worauf es beim Datenqualitäts-Management ankommt, ist eine langfristige und ganzheitliche Betrachtung der Daten. "Statt ad hoc zu reagieren, gilt es, Datenqualität proaktiv zu steuern und Hand anzulegen, damit das Unternehmen in die richtige Richtung geht."

John Talburt hat in Arkansas den weltweit ersten Studiengang für Datenqualitäts-Management eingerichtet.
John Talburt hat in Arkansas den weltweit ersten Studiengang für Datenqualitäts-Management eingerichtet.

Damit ist der studierte Luft- und Raumfahrttechniker ganz auf einer Linie mit seinem wissenschaftlichen Vorbild Wang. "Informationen und Daten sind kein Abfallprodukt, sondern sollten als strategische Ressourcen behandelt werden", lautet dessen Credo. Informationen sind Macht: Die richtige Information zur richtigen Zeit für die richtige Person schafft Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil.

"Die gleichen Säue durchs Dorf"

Was das in der Praxis bedeutet, weiß Marcus Gebauer. Er gehört zur Gruppe der Spezialagenten mit der Mission Datenqualität. Der promovierte Physiker ist seit 2001 Datenqualitätsbeauftragter bei der West LB, die die Position des Data Quality Officer mitsamt einer eigenen Abteilung institutionalisiert hat. Er leitet innerhalb der Group Finance, also in der Bilanzabteilung, ein Team von vier Mitarbeitern und berichtet direkt an den Vorstand.

Er und sein Kernteam sollen in der West LB mit allen Tochtergesellschaften rund um den Globus für gute Transaktions- und Stammdaten sorgen, und zwar vom Front Office bis zum Controlling. Der 40-Jährige folgt drei Leitlinien. Der "Transparenz" gelten Fragen wie: Wie gut sind unsere Daten? Was läuft schief? Wer hat seine "Goldfinger" im Spiel? Unter dem zweiten Schlagwort "Konsequenz" geht es darum, die Datenqualitätsprobleme zu beheben. Und wie bei jeder strategischen Vorgehensweise gilt dies nicht punktuell, sondern mit dem Ziel der "Nachhaltigkeit". "Ich treibe immer wieder die gleichen Säue durchs Dorf", schmunzelt Gebauer. "Ich zeige auf, welche Vorgaben und Methoden es gibt, wie die Prozesse zur Messung aussehen, damit Reports und Berichtswesen mit einwandfreien Daten ausgestattet sind."

Bösewicht ist nicht die IT

Die Probleme, auf die Gebauer mit seinem Team stößt, sind vielfältig und drehen sich doch immer wieder um einen Angelpunkt: Kommunikation. Bei Datenqualitätsproblemen steckt der Bösewicht nicht im IT-System. Vielmehr sind die fachlichen Anforderungen an die IT nicht immer sauber definiert. Darunter leiden die Daten. Ein Beispiel: Datenfelder werden von verschiedenen Abteilungen in unterschiedlicher Absicht genutzt und so für den Data-Warehouse-Experten falsch gefüllt. Beide Abteilungen tragen etwa einen Geldbetrag ein, die eine meint Dollar, die andere aber Euro schon stimmt die Planung für das kommende Geschäftsjahr nicht mehr. Gebauer versteht sich deshalb als Moderator, der IT und Fachabteilung im wahrsten Sinne des Wortes an einen Tisch bringt. "Die wichtigste Kommunikation läuft mitunter beim Mittagessen, wenn es weniger offiziell ist", sagt der Data Quality Officer. Gute Datenqualität gebe es nur, wenn das Thema auch in den Köpfen der Fachabteilungen ankomme. Gebauer berichtet nicht nur direkt an den Chief Financial Officer, auch 38 Fachabteilungsmitarbeiter arbeiten mit dem Datenqualitätsexperten inhaltlich zusammen.