Wirtschaftsinteressen gefährden Datenschutz

Speichern von Kundendaten gefährdet Privatsphäre

25.02.2000
von Inge Steutzger* Der Autor zeigt mit seinem Beitrag zur Privacy-Debatte, wie weit die ungebremste Speicherung und Verwertung von privaten Daten in das Leben der Amerikaner bereits eingreift. Zwar unterliegt der Datenschutz in Europa strengeren Bestimmungen, aber oft sind amerikanische Zustände Vorbild für hiesige Entwicklungen.

Drei Wochen, nachdem die Politikerin Nydia Velázquez die Vorwahlen der Demokraten für das House of Representatives gewonnen hatte, ging ihr Krankenbericht einer Zeitung als anonymes Fax zu: Die Kandidatin hatte einen Selbstmordversuch hinter sich - eine Aufmachergeschichte für die "New York Post". Gegen ein solches Vorgehen gibt es in den USA kein Gesetz.

Simson Garfinkel listet zahlreiche Beispiele von Datenmissbrauch auf, etwa verschiedene Fälle von Kreditkartenbetrug, die durch "Identitätsdiebstahl" zustande kommen. Aufgrund aggressiver Werbestrategien der Kreditkartengesellschaften und dem sorglosem Umgang mit persönlichen Daten, beispielsweise der Sozialversicherungsnummer, nehmen derartige Betrugsfälle überhand. Die Opfer verlieren oft über Jahre ihre Kreditwürdigkeit, wenn der Identitätsdieb in ihrem Namen auf große Einkaufstour geht. Strengeren Kontrollen bei der Antragstellung verweigerten sich die Kreditkartengesellschaften bis dato wegen der geringfügig höheren Kosten.

Für Kreditkartengesellschaften ist es kein Problem, das Verhal-ten der Verbraucher in Datenbanken detailliert zu protokollieren. Privacy-Aktivisten in den USA behaupten, mehr als die Hälfte dieser Daten seien fehlerhaft, was für den Kunden verhängnisvoll sein kann. Unter Umständen findet jemand aufgrund belastender Eintragungen keinen Job mehr, und da diese Dateien für ihn nicht zugänglich sind, weiß er oft nicht einmal, woran es liegt.

Den in den USA vieldiskutierten Krankheitsberichten widmet Garfinkel ein ganzes Kapitel. Der weitgehend fehlende Datenschutz ermöglicht einen Umgang mit diesen hochsensiblen Daten, der für den Patienten fast ebenso großen Schaden anrichten kann wie eine Krankheitsdiagnose. Ein Beispiel ist die Weitergabe dieser Informationen an Versicherungsgesellschaften. Die Debatte um den gläsernen Patienten wird ja auch hierzulande geführt. Die Lektüre dieses Buchs liefert wichtige Argumente für einen stärkeren Datenschutz. Kryptografie hält der Autor für keine adäquate Lösung. Denn diese schützt zwar die Informationen, nicht aber den Kunden.

Garfinkels Argumentation läuft auf die Forderung nach starker staatlicher Regelung des Datenschutzes hinaus. Er dürfte es damit im Land der unbegrenzen Möglichkeiten aber schwer haben. Für ein derartiges Gesetz listet er detailliert Vorschläge auf, die den Konsumenten schützen könnten. Das geschieht übrigens mit einem kurzen Seitenblick auf Europa, das in diesem Buch leider zu kurz kommt. Eine stärker vergleichende Perspektive wäre für den deutschen Leser gewinnbringend. So kann er sich nach der Lektüre nur mit Schaudern sagen: Amerika, im Datenschutz hast du es doch nicht besser!

Simson Garfinkel: Database Nation. The Death of Privacy in the 21st Century. Sebastopol: O''Reilly 2000. 312 Seiten, 50 Mark (Richtpreis)

*Inge Steutzger arbeitet als freie Autorin in München.