Sparkassen Direkt Versicherung

24.10.2001

Ohne Umwege zur Kfz-Police Die Sparkassen Direkt Versicherung AG aus Düsseldorf zählt zu den wenigen Unternehmen, die im Internet-Geschäft mit Endkunden erfolgreich agieren. Surfer können sich online Tarife von Kfz-Versicherungen berechnen und sich dann ein maßgeschneidertes Angebot anfertigen lassen. Dies reduziert die Kosten der Neukundengewinnung erheblich.

Für die Sparkassen Direkt Versicherung AG aus Düsseldorf ist der „Selbstbedienungsladen“ im Netz keine grundsätzlich neue Herangehensweise, denn das Geschäftsmodell basiert ohnehin darauf, dass Kunden sich direkt an den Versicherer wenden. Einen Außendienst unterhält das Unternehmen daher nicht. Interessenten verschicken vorgefertigte Coupons an die Gesellschaft oder rufen in dessen Call-Center an, um ein Angebot für eine Kfz-Versicherung anzufordern.

Das Direktgeschäft mit Versicherungen etabliert sich hierzulande immer mehr. Diesem Trend folgend gründete der Düsseldorfer Versicherungskonzern Provinzial gemeinsam mit den rheinischen Sparkassen 1996 die Sparkassen Direkt Versicherung. Sie vermarktet standardisierte Produkte wie Kfz-, private Haftpflicht-, Unfall- und Hausratsversicherungen (letztere drei nur im Internet), wobei sich das Geschäftsgebiet auf das Rheinland und Teile von Rheinland-Pfalz beschränkt.

Heißer Herbst

Der Verkauf von Kfz-Policen boomt vor allem im Herbst, denn Ende November können Versicherungsnehmer ihre laufenden Verträge kündigen und durch Wechsel ihrer Kfz-Versicherung bis zu mehrere 100 Mark jährlich sparen. In dieser Zeit verzeichnet der Direktversicherer daher die höchste Nachfrage. Durch den rapiden Anstieg der Zahl der Kundenanfragen zum Jahresende waren die Call-Center von Jahr zu Jahr weniger in der Lage, das Gesprächsaufkommen zu stemmen. Der Anteil der direkt angenommenen Gespräche von allen eingehenden Anrufversuchen betrug im November 2000 nicht einmal mehr die Hälfte. Der Rest musste von einem Überlauf-Call-Center bedient werden. Doch genügend Kapazitäten ein ganzes Jahr vorzuhalten, nur um für den Ansturm im Herbst gerüstet zu sein, wäre zu teuer gekommen. Auf der anderen Seite bedeutet schlechte Erreichbarkeit natürlich entgangenes Geschäft – ein Zustand, den sich ein Direktversicherer auf Dauer nicht

leisten kann. Einen Ausweg sahen der IT-Vorstand Peter Slawik sowie der für Marketing und Vertrieb verantwortliche Vorstand Jürgen Cramer in einer Online-Anwendung, bei der die Kunden die Ermittlung ihres günstigsten Tarifs selbst in die Hand nehmen. Potenzielle Versicherungsnehmer sollten in der Lage sein, online alle sonst am Telefon durchgegebenen oder in die Coupons eingetragenen Informationen per Internet zu übermitteln. Sagen dem Kunden die Konditionen zu, soll er in der Lage sein, per Mausklick ein Angebot anzufordern. Dieses kann er dann online erstellen und ausdrucken oder sich per Post zukommen lassen. Kunde berechnet Tarife selbst

Ziel der Online-Anwendung war es, dem potenziellen Kunden auf der Website einen Tarifrechner an die Hand zu geben, mit dem er spielerisch Angaben zum gewünschten Versicherungsschutz, zum Beispiel unterschiedliche Selbstbeteiligungen, variieren und die Auswirkungen auf den zu zahlenden Beitrag ermitteln kann. Zur Berechnung der Tarife greift die Anwendung auf den zentralen Host zu. Zudem prüft der Großrechner, ob die Eingaben der Online-Kunden plausibel sind. Lediglich die Abfrage des Zulassungsbezirks – ein simples Durchsuchen einer Tabelle – läuft auf dem Applikations-Server ab, um dem Site-Besucher gleich am Anfang des Dialogs mitteilen zu können, ob sein Fahrzeug im Geschäftsgebiet zugelassen ist.

Bei der Sparkassen Direkt Versicherung laufen alle operativen Prozesse auf einem IBM-Mainframe unter Verwendung von IMS und DB2 ab. Dieser Rechnerbolide musste folglich in die E-Commerce-Architektur eingebettet werden, was bis dato Neuland für die Gesellschaft war. Realisiert wurde die Einbindung über den Applikations-Server „Websphere“ sowie die Messaging-Middleware „MQ Series“ von IBM. Der Host blieb, von einem Release-Wechsel beim Mainframe-Betriebssystem OS/390 einmal abgesehen, unangetastet.

Endkunden benötigen lediglich einen marktgängigen Web-Browser, der Javascript interpretieren kann, um sich ihren Tarif berechnen zu lassen. Das Besondere (denn Online-Tarifrechner haben natürlich auch andere Versicherer inzwischen): Nach der Online-Sitzung werden die eingegebenen Daten automatisch in die Bestandsführung des Hosts eingestellt. Aus diesen Informationen erzeugen nachgelagerte Drucker in der Poststraße ein versandfertiges, schriftliches Angebot. Akzeptiert der Kunde dieses und sendet er einen Vertrag an die Gesellschaft zurück, müssen die Sachbearbeiter dies nur noch im Großrechner vermerken, um die Ausstellung der Police anzuweisen. Hohe Automatisierung durch Integration von Netz und Legacy-Systemen führte zu erheblichen Effizienzgewinnen. Im Detail vollzieht sich die Kommunikation zwischen Browser und Host wie folgt: Die Anfragen der Online-Kunden bearbeitet zunächst ein Web-Server, er leitet die Kommunikation mit dem Applikations-Server ein.

Ein spezielles Javabean übersetzt den Web-Request in IMS-Kommandos und übermittelt diese an den auf dem Websphere-Server laufenden MQ-Series-Adapter. Auf dem Großrechner nimmt ein korrespondierendes MQ-Series-Modul die Daten entgegen und löst eine Transaktion an das IMS-System aus. Letzteres liefert die Berechnungsdaten zurück, die dann den umgekehrten Weg zum Applikations-Server nehmen. Über Java Server Pages werden die Tarifinformationen schließlich in eine für den Browser verständliche Form gebracht.

Anfangs liefen sowohl der Web- als auch der Applikations-Server auf einem Windows-NT-Rechner, doch inzwischen wurde die gesamte Software auf dem Host installiert, wobei sich an der grundsätzlichen Architektur der Lösung nichts geändert hat. „Die Vorteile liegen in der hohen Verfügbarkeit, einer höheren Performance sowie einer einfacheren Administration, da nur noch ein zentrales System zu verwalten ist“, erläutert Projektleiter Martin Budde den Konsolidierungsschritt.

 

Budde und sein Team benötigten insgesamt sechs Monate für die Realisierung des Systems. In dieser Zeit fanden Workshops zur Definition der Zielarchitektur, Vorstudien, Schulungen für DV-Mitarbeiter (Java-Programmierung, Handhabung der Server-Software) und schließlich die Implementierung des Systems statt. Das Projektteam bestand aus fünf Experten: drei internen Fachleute, darunter Projektleiter Budde, anteilig seine Gruppenleiterin Corinna Oliveira und Thomas Wimmer als Systemprogrammierer sowie Thomas Nelles als Experte der Fachabteilung. Hinzu kamen zwei Softwarespezialisten der Firma Sercon. Zunächst realisierte die Projektgruppe innerhalb von vier Monaten eine E-Mail-basierende Lösung, bei der Kunden per elektronischer Post ein Angebot anforderten. Die Daten mussten von einem Sachbearbeiter per Hand in den Host eingegeben werden. Dieser umständliche Zwischenschritt entfiel zwei Projektmonate später durch die komplette „Internet-Verdrahtung“, wie

Vorstand Cramer die jetzige Lösung gern beschreibt.

Die gesamten Kosten beziffern die Düsseldorfer auf 452000 Mark: 200000 Mark schluckten die internen Aufwendungen für DV-Mitarbeiter, 215000 Mark wurden an das Systemhaus Sercon überwiesen. Rund 37000 Mark machten die zusätzlich notwendigen Anschaffungen für Hard- und Software aus. Zu Letzteren zählte auch der Aufbau einer demilitarisierten Zone (DMZ), bei der Rechner mittels Firewalls von außen sowie von innen geschützt werden. Cramer zählt zu den Projektkosten auch 100000 Mark für Marketingausgaben hinzu, mit dem das Web-Angebot online beworben wird. Der finanzielle Umfang des Projekts beläuft sich somit auf 552000 Mark.

Während viele E-Commerce-Projekte noch reine Zuschussgeschäfte sind, beansprucht der Direktversicherer für sich, bereits nach drei Monaten die Ausgaben hereingewirtschaftet zu haben. Vorstand Cramer stellt hierzu folgende Rechnung auf: Vom November 2000 bis Januar 2001 wurden 2500 neue Verträge mit Internet-Kunden abgeschlossen. Vor Einführung der Web-Lösung kostete die Akquise eines Neukunden etwa 200 Mark. Diese Summe stellt die Opportunitätskosten dar. Somit sparten sich die Düsseldorfer 500 000 Mark durch den Einsatz des Web. Mit der Internet-Anwendung sank der finanzielle Aufwand für die Neukundenakquise auf 120 Mark, wobei in diesem Betrag anteilig Werbung und Entwicklungskosten des Systems enthalten sowie ein Prämiennachlass für Internet-Kunden berücksichtigt sind. Allerdings floss in diese Rechnung nicht ein, dass im Jahr 2000 noch zwei Mannmonate durch nachträgliche Änderungen anfielen. Zudem stehen weitere Ausgaben durch die

Umstellung der Applikation auf den Euro ins Haus.

Inzwischen entfallen laut Cramer bereits fast 30 Prozent des Neugeschäfts auf Abschlüsse über das Netz. Doch die Internet-Anwendung nutzen nicht nur die Endkunden: Auch die Mitarbeiter eines externen Call-Centers arbeiten mit dem System und sind nunmehr in der Lage, den Interessenten komplett zu bedienen, indem sie die Daten des Kunden am Telefon in die Online-Masken eingeben und somit direkt in den Host einpflegen. Zuvor schrieben die Telefonisten die Angaben per Hand mit und faxten ausgefüllte Formulare zur manuellen Datenerfassung an die Direktversicherung. Darüber hinaus wurde der Internet-Tarifrechner in unterschiedliche Websites integriert. So beliefert das System auch den Online-Versicherungs-Broker E-Insurance (www.einsurance.de) mit Daten. Über dessen Angebot können sich Surfer den günstigsten Versicherer berechnen lassen. Auch über die Gebrauchtwagen-Site Mobile.de gelangen Surfer zur Sparkassen Direkt Versicherung. Da Interessenten vor allem über

Suchmaschinen auf den Direktversicherer aufmerksam werden, wollte das Management hier nichts dem Zufall überlassen und beauftragte eine Agentur mit der Pflege der Suchmaschineneinträge. Zugute kommt dem Direktversicherer auch die schon vor fünf Jahren reservierte Domain www. autoversicherung.de. Über diese URL gelangen Surfer ebenfalls auf die Website www.spar kassen-direkt.de.

Dass Surfer überhaupt online Angebote für Kfz-Versicherungen anfordern, hängt zu einem großen Teil von der Gestaltung der Web-Seiten ab. Deshalb studierten die Düsseldorfer zum Projektstart zunächst die Online-Tarifrechner verschiedener Anbieter im In- und Ausland. Bei der Maskengestaltung berücksichtigte das Entwicklungsteam die Wünsche von Testpersonen, die nichts vom Versicherungsgeschäft verstehen. Zudem flossen Usability-Tests mit Mitarbeitern in die grafische Darstellung ein.

Die Vorarbeit hat sich offenbar gelohnt: In fünf einfachen Schritten erhält der Internet-User in etwa zehn Minuten sein individuelles Kfz-Versicherungsangebot. Kehrt der Anwender zu den vorherigen Seiten zurück, um Eingaben zu ändern, bleiben die zuvor gewählten Eintragungen erhalten. Zur Transaktionskontrolle speichert der Webserver ein Cookie auf dem Kundenrechner; dieses enthält laut Projektleiter Budde jedoch keine Daten über den Nutzer und wird zudem nach Beendigung der Sitzung wieder entfernt. Die Website lag bei einer Vergleichsanalyse des Instituts Diractive von 131 Autoversicherern im Internet Anfang 2001 unter den besten fünf Anbietern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ahnungslose Berater

Schlechte Noten dagegen erteilt Vorstand Cramer solchen Unternehmensberatern, die das Internet-Geschäft unter einer neuen Marke aufbauen wollen. Marke sei der Haupterfolgsfaktor im Internet. „Unsere Kunden vertrauen der Sparkasse, und deshalb vermarkten wir unser Angebot entsprechend.“ Ebenso wenig ließ sich der Vorstand dazu verleiten, die Meldung von Kfz-Schäden bei der Bewerbung des Systems in den Vordergrund zu stellen. Zwar bietet der Direktversicherer heute diese Funktion an, doch seit Bestehen des Online-Angebots haben gerade mal sieben Kunden von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Bei der jetzigen Architektur wird es nicht bleiben: Die Muttergesellschaft und DV-Dienstleister für die Sparkassen Direkt Versicherung, die Provinzial Versicherung Düsseldorf, hat die Architektur weiterentwickelt. Dabei wurde zwischenzeitlich eine E-Commerce-Architektur mit einem zentralen Framework entwickelt, in der verschiedene weitere Anwendungen erstellt wurden. Frank Niemann System läuft – Budget eingehalten:

Projektleiter Martin Budde, Entwicklungsgruppenleiterin Corinna Oliveira und Marketing-Vorstand Jürgen Cramer (von links)